Der Verlassene tat wie ihm geheissen und gleich darauf, stand er, zusammen mit Linus und dem geheimnisvollen Unbekannten, ausserhalb der Höhle. «Du hättest uns auch etwas weiter weg teleportieren können, dann müssten wir jetzt nicht weiter so vor Gwydyon und den anderen, auf der Hut sein,» meinte er etwas vorwurfsvoll. «Das Teleportieren strengt mich sehr an, wenn ich gleich zwei Personen mitnehmen muss. Du kannst froh sein, musstest du nicht rausklettern. Ihr Verlassenen seid sowas von unhöflich!» «Ich tu das was ich tue nicht aus Höflichkeit. Du weisst, dass du mir etwas schuldest. Ich habe dir den Jungen gebracht, also wo bleibt meine Belohnung?» «Du wirst sie erhalten, wenn Linus seiner wahren Bestimmung zugeführt wurde.» «Und was für eine Bestimmung soll das nun sein?» «Wie gesagt, Linus ist zu Höherem berufen. Doch lass uns lieber hier verschwinden, bevor deine Freunde kommen.» «Sie sind nicht meine Freunde! Verlassene haben keine Freunde, das solltest du doch wissen.» «Dann eben deine Mitreisenden.» «Dort bei der Baumgruppe hinten, können wir uns verstecken, bis sie wieder weg sind, dann werden sich unsere Wege wieder trennen.»
Als sie dort angelangt waren, regte sich Linus auf einmal. Er stöhnte leise, doch die Schattengestalt machte nur eine Handbewegung und der Junge verlor erneut das Bewusstsein. In Aeternias regte sich ein seltsames Unbehagen, als er das beobachtete. Irgendwie überlegte er sich plötzlich, ob das was er tat auch richtig war. Darum fragte er noch einmal: «Was also hast du mit Linus vor?» «Ich werde ihn zu meinem Meister bringen. Dieser ist ein mächtiger Dämonenlord namens Razoc, der allerdings einen Körper braucht, der seinen Geist auch ohne Schaden in sich aufnehmen kann. Der Körper von Linus ist dazu perfekt geeignet.» «Aber…, wenn Razoc ihn übernimmt, dann wäre seine eigene Seele ja verloren!» sprach Aeternias und auf einmal fühlte er sich schuldig. Das erstaunte ihn selbst. Hatte er den Jungen doch mehr ins Herz geschlossen, als er geglaubt hatte? Aber wenn er an den Lohn dachte, der ihm winken würde, … Wenn er daran dachte, dass er seine einstige Frau Egeria wiederbekommen und dann alles würde machen können, was sein Herz begehrte… war es das dann nicht wert?
Als ob die Gestalt seine Gedanken gelesen hätte, sprach sie: «Bedenke, was dich für Geschenke erwarten, wenn du mir Linus überlässt.» «Aber wie kann ich wissen, dass du dein Wort auch halten wirst?» «Wenn du willst, kann ich dir einen deiner Wünsche bereits erfüllen. Ich werde dir Egeria wiedergeben, doch dazu müssten wir uns nochmals an einen anderen Ort teleportieren. Es ist ein Altar der perfekt für solche Zauber geeignet ist.» «Wo befindet sich dieser Altar?» «Dort wo ich lebe.» «Etwa im Nether?» «Oh nein, ich lebe schon längst nicht mehr im Nether! Ich lebe schon hier auf Azeroth, seitdem der grosse Dämonenanführer Sargeras auf diese Welt gekommen ist. Übrigens war dies ja möglich, dank deiner Vorfahren. Du warst doch einst selbst ein Hochelf, habe ich recht? Bis Arthas der Lich King, Lordaeron mit seiner Geissel heimgesucht hat. So lange ist das schon her… so lange! Du hast damals tapfer gegen die Hirnlosen und die anderen, von der Seuche befallenen, Kreaturen gekämpft, doch dann bist du leider gestorben und als Verlassener wieder auferstanden. Doch dieser Körper… er ist dir fremd geworden, du sehnst dich nach mehr, aber du weisst nicht genau, was es ist. Du willst wieder leben, wieder mit deiner einstigen Liebsten zusammensein. Das verstehe ich gut.»
«Und doch gehörst du genau zu dem Feind, den ich eigentlich damals bekämpft habe,» erwiderte Aeternias. «Nämlich zur Brennende Legion. Auch Arthas wurde einst vom Geist des Dämonen Ner’zhul verführt, Frostgram, das verfluchte Schwert, an sich zu nehmen und verlor dadurch seine Seele.» «Aber Arthas ist sehr mächtig geworden, nicht wahr? Willst du etwa sagen, dass dich solche Macht nicht mehr reizt?»
«Ja natürlich aber…» Aeternias konnte nicht fertig sprechen, denn auf einmal leuchtete ein gleissendes Licht auf und er und die Schattengestalt, wurden zu Boden geschleudert. Es verschlug ihm einen Moment lang den Atem und suchte mit leicht verschwommenem Blick, nach dem Ursprung der Attacke. Balduraya und die anderen Reisegefährten, näherten sich mit schnellen Schritten, in ihren Augen lag grimmige Entschlossenheit. Balduraya hatte vermutlich den starken Lichtzauber gewirkt. Aeternias fühlte sich dadurch sehr geschwächt. Noch einmal wob die junge Paladin einen Zauber, dieser fesselte ihn und den Dämonen nun mit unsichtbaren Fesseln. Die beiden konnten sich nicht mehr regen. «Was soll das?» schrie Balduraya «Was habt ihr mit Linus gemacht!?» «Sie lief, zusammen mit den anderen, besorgt auf den Jungen zu und wollte gerade einen Heilzauber weben… als die Schattengestalt sich auf einmal de-materialisierte, den Fesseln entschlüpfte, Linus und Aeternias packte und ein laute Beschwörung rief. In diesem Moment wurde Linus und der Untote in ein wirbelndes Portal hineingezogen. «Wir müssen nun doch durch den Nether reisen, das ist die schnellste Möglichkeit!» rief der Schattendämon und kurz darauf waren sie in dem Portal verschwunden….
«Nein!» schrie Gwydyon «Nein!» Er hechtete auf das gerade geöffnete Portal zu, doch er erreichte es nicht mehr. Dabogs Untoten Ich, war jedoch schneller und er schaffte es gerade noch knapp, durch einen schmalen Spalt zu schlüpfen, bevor das Tor sich ganz schloss. Sogleich wurde er von den wirbelnden Gewalten des Nethers ergriffen und herumgeschleudert. Er schrie und versuchte irgendwo Halt zu finden, doch die wilden Mächte zerrten an ihm. Zum Glück musste er als Untoter nicht wirklich atmen, denn sonst wäre er bestimmt ohnmächtig geworden. Ein Lebender hätte dieser unkontrollierten Kraft nicht standgehalten. Keiner wagte sich ohne einen besonderen Schutz oder eine Absicherung in diese, von Chaos beherrschte, Welt. Hexenmeister taten es manchmal, aber nur in einem dafür vorgesehenen Beschwörungskreis und meistens noch mit der Unterstützung anderer Hexenmeister. Der Nether war die unkontrollierte Welt der Dämonen. Sie allein konnten sich hier wirklich zurechtfinden. Und doch hatte Dabog instinktiv gehandelt, ohne näher darüber nachzudenken. Warum bloss, hatte er das getan?
«Warum hat er das getan?» fragte sich auch Dabogs Seelen- Ich, welches noch immer in Varunnas Körper weilte. «Ist mein einstiges Gefäss, doch wieder durchlässiger für Gefühle geworden?» «Das erstaunt mich auch,» sprach Varunna, der die Gedanken seines Freundes natürlich mitbekam. «Meinst du, ich könnte versuchen, wieder in meinen Körper zurück zu kehren? Ich hasse diese Untätigkeit und schau dir nur mal Gwydyon an, so verzweifelt habe ich ihn noch nie erlebt.»
Tatsächlich kniete der junge Blutelf an Boden und weinte bitterlich. «Es muss schrecklich für ihn sein, seinen Sohn nun auf diese Weise zu verlieren,» sprach Varunna und tiefes Mitgefühl, schwang in seiner Stimme mit. Er ging zu Gwydyon und legte ihm seine grosse Pranke auf die Schulter. Sanft drückte er diese. «Es tut mir sehr leid Gwydyon… Wir werden alles daransetzen, Linus zurück zu bekommen.» «Und wie sollen wir das bitte anstellen!» rief der Blutelf in tiefster Verzweiflung. «Wir können ihnen nicht folgen, sie können irgendwo sein und wir werden sie niemals finden!» «Uns fällt bestimmt etwas ein! Vielleicht schickst du ja deinen Leerwandler Banar nochmals in den Nether, womöglich kann es sie aufspüren.» «Ich werde mich ebenfalls auf die Suche machen,» sprach Dabogs Seelen- Ich zu Varunna «Ich werde versuchen wieder in meinen Körper zurückzukehren, vielleicht kann ich ja so etwas erreichen.» «Der Nether ist aber sehr unberechenbar, für jene, die sich dort nicht auskennen. Er ist voll von Gefahren und bevölkert von unzähligen Dämonen,» warnte ihn der Tauren. «Ich werde schon klarkommen.» «Es kann aber gut sein, dass der nekromantische Geist in deinem alten Körper, dich nicht mehr reinlässt.» «Ich muss es dennoch versuchen. Es ist sozusagen unsere einzige Chance.» «Wollen wir nicht Banar zuerst damit beauftragen, Linus und seine Entführer zu suchen?» «Das können wir trotzdem tun. Aber ich glaube einfach, dass mein Untoten- Ich mich gerade braucht, um zu erkennen, was das Richtige ist.»