-Drei Rauchkringel in der Nacht-
Der böige Nachtwind war heute tückisch. Schimpfend gelang es dem alten Leuchtturmwärter mit dem dritten Streichholz, endlich die Pfeife zu entzünden. Er lehnte sich entspannt auf der Steinbank zurück und sog den Rauch tief ein. Nachdenklich blies er drei Kringel in die Luft. Diese neugierigen Jungen bereiteten ihm Sorgen. Er durfte ihnen nicht zu viel verraten, musste aber dennoch dafür sorgen, dass sie auf sich acht gaben. Die Zeiten änderten sich, er konnte es spüren. Es geschah jetzt, und es geschah schnell. Die drei Rauchkringel schwebten noch immer reglos über seinem Kopf. Kurz glitt das Licht des Leuchtturms über sie hinweg. Das Licht, das die Nacht bewachte. Das Licht, das die Diener der Dunkelheit bannte. Samuel schnaubte. Jedenfalls war es bisher so gewesen. Doch das letzte Beben schien neue Risse geöffnet zu haben. Tiefe Risse. Sie krochen daraus hervor, schneller als er sie finden konnte. Es war hier gefährlich geworden. Hoffentlich waren die Jungen vorsichtig, hielten sich an seine Warnung. Sein Instinkt riet ihm jedoch, gut auf die drei achtzugeben. Sie würden ihm noch Scherereien machen.
Eine heftige Windböe fegte über ihn hinweg. Sie nahm die Rauchkringel mit und hinterließ nur feuchte Gischt auf den Steinen. Hoffentlich war dies kein schlechtes Omen, dachte der alte Mann düster.
" Guten Abend, Samuel"
Zwei nahende Schatten ließen ihn zusammenfahren. Er hob die Hand zum Gruß und erkannte Nelly, die Kellnerin und den Sohn des Gasthofbesitzers, Ben.
"Gebt auf euch acht!", rief er den beiden nach, bevor sie händchenhaltend wieder in der Nacht verschwanden. Die beiden waren fast erwachsen, daher maß er sich nicht mehr an, sie nach Hause zu schicken.
Er zog erneut an seiner Pfeife, als ein schwarzbrauner Schatten aus der Finsternis auf ihn zugeschossen kam. Instinktiv griff Samuel nach seinem Bernsteinanhänger. Doch es war nur ein Hund, der hechelnd vor ihm anhielt. Ein Rottweiler, erkannte der Leuchtturmwärter jetzt. Das Tier schien aufgeregt, sprang laut kläffend vor ihm umher. Samuel hatte genug Erfahrung mit Tieren, dass er dieses Verhalten nicht als Zufall betrachtete. Die Tiere waren sensibel, sie spürten die Veränderungen deutlicher als die Menschen. Und dieser Hund wollte eindeutig etwas von ihm. Beruhigend streckte er die Hand aus. Doch das Tier schnappte nach seiner Hose, zog fordernd an dem Stoff.
«Na gut, na gut», sagte er gutmütig, «ich hab verstanden. Dann steh ich halt auf.»
Der Hund hechelte, rieb den massigen Kopf kurz an seinem Bein. Der alte Mann sah ein milchigweißes Auge, das zu ihm aufblickten. Er erkannte das Tier. Es war Ruby, der halbblinde Hund von Hoffmann. Dieser hatte eben noch gejammert, dass ihm sein Hund weggelaufen sei. Offensichtlich ja nicht allzu weit weg.
Ruby bellte erneut. Sie zupfte wieder auffordernd an seiner Hose, lief dann ein paar Schritte in Richtung Kliffwacht und sah ihn abwartend an.
«Ist ja gut», murmelte Samuel, «ich komme mit. So wie es aussieht, ist mir diese Nacht wohl kein Schlaf mehr vergönnt.»