In dem Moment, als er auf den grünen Knopf drückte, hatte Ricky gewusst, dass es ein Fehler war. Trotzdem konnte er dieses verfluchte Telefonat nicht länger hinauszögern. Seit Wochen hatte die Anrufe ignoriert, jeden Kontakt verweigert. Aber irgendwann musste er sich wohl dem Feind stellen. Mit einem verhaltenen Seufzen hob er das Festnetztelefon ans Ohr.
„Hallo Mama ...“
„Ricky, mein Schnuffelchen!“
Genervt verdrehte er die Augen und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Am liebsten hätte er zu etwas Härterem gegriffen, denn dann wäre dieses Gespräch deutlich einfacher zu ertragen. Aber leider nicht schneller vorbei, also blieb er bei dem Bier und ließ sich aufs Sofa fallen.
Er schaltete auf Freisprechen und legte das Telefon neben sich auf die Armlehne. Der Stoff unter dem Lautsprecher würde das Schrille aus ihrer Stimme etwas dämpfen.
„Was kann ich für dich tun“, bemerkte er mit einer gewissen Schärfe in der Stimme, die seiner Mutter jedoch – wie immer – vollkommen entging.
„Du meldest dich ja nie. Dann muss ich eben ab und zu mal anrufen“, gab sie beleidigt zurück.
„Ich hab viel zu tun“, versuchte Rick sich herauszureden. „Es ist Saison. Du weißt ja.“
Ein kurzes Kichern auf der anderen Seite. „Oh ja. Ich würde auch nur zu gerne endlich einmal eines deiner Kleider auf einer Hochzeit bewundern können.“
Ricky seufzte verhalten, bevor er einen Schluck von seinem Bier nahm. „Kennst du denn jemanden, der bald heiraten will?“, fragte er stattdessen.
„Ach du!“, gab sie sofort zurück und er konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie sie gerade mit der Hand abwinkte. „Du weißt genau, wie ich das meine.“
„Ja, Mama. Weiß ich“, murmelte er. „Aber ich habe dir schon oft genug gesagt, dass die Chancen dafür ... schlecht stehen.“
Diesmal war es seine Mutter, die seufzte – und sich nicht damit zurückhielt, ihn das auch hören zu lassen. „Ricky, mein Junge. Du bist jetzt fünfundzwanzig. Wie lange willst du noch alleine versauern.“
Bis er den richtigen Mann fand. Das wäre genau die Antwort, die er ihr geben sollte. Aber wie immer schaffte er es nicht, die Worte über die Lippen zu bringen. Wieso zum Teufel war das so verdammt schwer? Er nahm außerhalb der Familie schließlich kein Blatt vor den Mund. Wie sonst auch, konnte Ricky aber schon wieder das Ziehen in den Eingeweiden spüren. Dieses unangenehme Reißen, das ihn davor zu warnen schien, dass er hier gerade dabei war einen riesigen Fehler zu machen, wenn er zu ehrlich war.
„Mama, ich suche keine Frau“, presste Rick schließlich hervor. Zumindest ein Stück der Wahrheit.
„Das ist doch Unsinn!“, schoss sie sofort zurück. „Du kannst dir nicht ewig Zeit lassen. Klar könnt ihr Männer auch später noch Kinder bekommen. Trotzdem tickt bei euch ebenso irgendwann die Uhr, mein Junge.“
Zunehmend genervt, rieb Ricky sich über die Stirn und schüttelte den Kopf. „Ich habe nicht vor, Kinder in die Welt zu setzen, Mama.“
„Du weiß doch gar nicht, was du verpasst! Der kleine Lukas von Müllers nebenan, der ist letzte Woche Vater geworden. Wusstest du das?“
„Nein“, murmelte Ricky genervt. Dieses Gespräch würde genauso wie alle anderen vor ihnen enden. Vielleicht sollte er es einfach sagen und damit leben. Zumindest würde sie ihn vermutlich erst einmal nicht mehr nerven. Aber der Gedanke daran, dass sie ihn womöglich nie wieder anrufen würde, behagte Ricky ebenso wenig. Also beschränkte er sich auf den Hinweis, dass der ‚kleine Lukas‘ inzwischen siebenunddreißig sein dürfte und nicht zum ersten Mal Vater wurde.
„Siehst du! Der hat es richtig gemacht.“
In Rickys Magen rumorte es weiter. Am liebsten hätte er ihr an den Kopf geworfen, dass das nicht hieß, er würde etwas falsch machen. Dummerweise war er sich da seit ein paar Tagen nicht mehr ganz so sicher. Genauer gesagt seitdem er vor zwei Wochen mit André Schluss gemacht hatte, bevor sie überhaupt eine Chance gehabt hatten, irgendetwas anzufangen.
„Mama, bitte“, flüsterte er gepresst. „Lass es doch einfach gut sein. Ich ... will keine Frau heiraten.“
Sie seufzte theatralisch. Im Hintergrund konnte er seinen Vater rufen hören, was ‚der Junge‘, denn jetzt schon wieder verbockt hätte. Die Worte schnitten ihm weiter in den Magen. Er wusste sehr gut, dass sein Vater das nur so sagte. Er meinte es ja nicht einmal böse. Schließlich spuckte Rickys alter Herr öfters mal Sachen aus, ohne tatsächlich darüber nachzudenken – was ihm die gute Beziehung zu fast jedem der Nachbarn inzwischen versaut hätte, wenn seine Mutter nicht derartig umgänglich wäre.
„Ach, er redet immer noch davon, dass er nicht heiraten will.“
„Dann lass den Jungen halt endlich damit in Ruhe.“
„Na hör mal, möchtest du etwa nicht irgendwann Opa werden?“ Die Antwort hörte Ricky nicht mehr, interessierte sich allerdings auch nicht sonderlich dafür. „Richard?“, wand sie sich danach ihm wieder zu. Ihr Ton in Verbindung mit seinem vollen Namen verhieß nichts Gutes. „Selbst wenn du nicht heiraten willst ...“ Irritiert runzelte er die Stirn, denn das klang nach völlig neuen Tönen. „Du kannst nicht ewig alleine bleiben. Menschen sind nicht gemacht für die Einsamkeit.“
„Ich bin nicht einsam, Mama.“
Wieder seufzte seine Mutter, diesmal aber deutlich verhaltener als zuvor. „Ricky, mein Junge ... Du bist nicht für das Alleinsein gemacht.“
Der stechende Schmerz war schlagartig zurück bei ihren Worten. „Wie gesagt ... ich bin nicht einsam.“
„Aber allein. Und das tut dir nicht gut.“
Erneut verwirrt, runzelte Ricky die Stirn. „Wie meinst du das?“
„Helena hat mir gesagt, dass du dich seit zwei Wochen förmlich in deine Arbeit verkriechst.“
„Das stimmt nicht!“, fuhr er protestierend dazwischen. Allerdings musste Ricky zugeben, dass er in der Tat seit der Verabredung mit André nicht mehr ausgegangen war. Aber das hatte schließlich nichts miteinander zu tun. Sondern lag einzig und allein daran, dass sie derzeit so viel zu tun hatten. Die Auftragslage war im Augenblick ausgesprochen gut und Annabell und er kamen fast nicht hinterher damit, die Aufträge pünktlich abzuarbeiten.
„Du warst früher immer so fröhlich und lustig, Ricky. Was ist passiert?“
Mehr schmerzhaftes Ziehen, was ihn daran erinnerte, warum er diese Telefonate mit seiner Mutter nicht leiden konnte. „Nichts“, murmelte er lediglich. Denn ganz sicher würde er ihr nicht erzählen, woran seine letzten Beziehungen offenbar alle gescheitert waren. Dass es scheinbar selbst für nicht wenige schwule Männer zu peinlich war, mit einem Schneider zusammen zu sein, der Brautkleider entwarf und nähte.
„Mama, es ist spät“, versuchte er sich rauszureden und das Gespräch zu beenden, bevor es noch unangenehmer werden konnte – auch wenn das im Augenblick unmöglich erschien.
Seiner Mutter entging das vermutlich nicht. Trotzdem ließ sie es erst einmal auf sich beruhigen: „Melde dich wenigstens ab und zu mal.“
„Natürlich, Mama. Mach’s gut.“
„Du auch, mein Kleiner.“
Erleichtert atmete Ricky auf, als er das Klacken im Telefon hörte, nachdem sie endlich auflegte. Er seufzte und sank auf dem Sofa in sich zusammen. So ungern er es zugab, wenigstens in einem Punkt hatte sie definitiv recht. Ricky hasste das Alleinsein in der Tat.
„Dann wird es wohl Zeit, etwas dagegen zu unternehmen“, murmelte er verhalten. Mit einem tiefen Atemzug starrte er auf den ausgeschalteten Bildschirm seines Fernsehers. Hier zu sitzen würde nicht helfen, dafür musste er schon ausgehen.
Entschlossen trank er den Rest vom Bier aus und stand ruckartig auf. Es war bereits nach acht und damit der Abend ausreichend fortgeschritten, um im Rush-Inn auf Gäste zu treffen – und gleichzeitig die Nacht jung genug, als dass das nicht nur die letzten Verzweifelten sein würden.
So war es nicht verwunderlich, dass Ricky keine Stunde später bei Alex etwas abseits an der Bar stand und an einem weiteren Bier nippte. Der Laden war nicht sonderlich voll, aber das Publikum wie immer breit gestreut. Der eine oder andere musste also zu Rickys neu gewählter Zielgruppe der Nichtakademiker zählen.
Langsam ließ er seinen Blick über die Gesichter der Anwesenden wandern, darum bemüht nicht allzu viel Wert auf den Rest des daran hängenden Körpers zu legen. Genau das hatte ihn schließlich bisher immer in Schwierigkeiten gebracht. War bei André doch auch wieder nicht anders. Okay, der sah nicht nur gut aus, sondern war zusätzlich ausgesprochen nett gewesen. Aber letztendlich musste Ricky ehrlich sein und zugeben, dass André ihm bei ihrer ersten Begegnung primär durch einen verflucht guten Körperbau und eine gewisse Ähnlichkeit zu einem jungen Brad Pitt aufgefallen war. Und weniger durch Gesprächigkeit.
Auch heute wäre der eine oder andere Kandidat anwesend, den Ricky optisch durchaus interessant finden würde. Aber etwas hielt ihn davon ab, hinüber zu gehen. Sobald er einen entdeckte, der ganz nett aussah und auch nicht schon in ein Gespräch verwickelt zu sein schien, begann es in seinem Bauch unangenehm zu rumoren.
Nachdem Ricky eine gute halbe Stunde die Gäste angestarrt hatte, ohne auch nur eine davon tatsächlich anzusprechen, beschloss er, dass er mehr zu Trinken brauchte. Nicht, um seine Schweigsamkeit per se zu beenden, wohlgemerkt. Denn je länger er hier in die Runde blickte, desto sicherer war Rick sich, dass er es wie immer nicht schaffen würde, selbst die Initiative zu ergreifen.
„Was ist los?“, fragte Alex, als er das Glas gegen ein volles austauschte. Ricky zuckte lediglich mit den Schultern und nippte am dritten Bier des Abends. „Du warst eine Weile nicht da. Ich dachte schon, du bist endlich wieder in festen Händen.“
Ricky rieb sich über die Augen und schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass ich darüber reden möchte.“
Seufzend zuckte Alex mit den Schultern. „Manchmal hilft es.“
Seine Stimme klang selbst für Ricky schneidender, als er beabsichtigt hatte: „Ach ja? Was genau?“
Alex lächelte trotzdem sanft. „Was ist passiert, Rick?“
„Es funktioniert nicht“, murmelte er leise vor sich hin.
Aber er hatte offenbar Alexanders Aufmerksamkeit damit vollständig auf sich gezogen: „Was genau?“
„Keine Ahnung. Das hier. Ausgehen. Die Typen. Nichts davon.“
„Hm“, machte Alex und rieb sich das Kinn. „Ich hab dich letztens hier mit ...“
„Nein“, fiel Ricky ihm ins Wort. Verwundert runzelte sein alter Freund die Stirn, schwieg allerdings. „Es kann nicht funktionieren.“
„Wieso nicht?“
„Er ist Arzt“, antwortete Ricky verbittert. Denn noch immer war er sich nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, dem Mann nur deshalb den Laufpass zu geben.
„Und?“, hakte auch Alex sofort nach. „Ist das was Schlimmes?“
Ricky zuckte lediglich mit den Schultern. Irgendwie kam er sich albern vor, wenn er Alex sagte, dass er bei seinen drei letzten Beziehungen immer das Gefühl gehabt hatte, als wäre er nicht gut genug. Und die waren eben alle studiert. Ricky wollte das nicht mehr. Dieser dämliche Moment, wenn man sich einfach nur noch klein und unbedeutend fühlte. Als wäre er maximal ein hübsch aussehendes Anhängsel, das man präsentierte.
„Ich will keine studierten Lackaffen mehr“, murmelte Ricky und drehte frustriert das Glas zwischen seinen Fingern. Als er dafür ein paar hochgezogene Augenbrauen erntete, senkte er schnell den Blick. „Du warst doch auch nicht an der Uni. Das ist nicht meine Welt.“
„Ich kenne André“, meinte Alex plötzlich und zwang damit förmlich Rickys Blick nach oben. „Also, zumindest ein bisschen.“
„Und?“
„Er ist ein verdammt netter Kerl. Und ich glaube, du machst einen Fehler, wenn du ihm nur deshalb keine Chance gibst, weil er studiert hat.“
Wieder zuckte Ricky mit den Schultern. Was sollte er darauf antworten. Er war sich ja selbst nicht mehr wirklich sicher, ob er mit dieser blöden Entscheidung nicht doch einen großen Fehler gemacht hatte. Aber inzwischen war es zu spät. Nachdem André noch zwei Tage versucht hatte, Rick dazu zu überreden, ihm eine Chance zu geben, hatte der aufgegeben und sich seitdem nicht mehr gemeldet.
„Eine Wette unter alten Freunden“, meinte Alex mit einem Mal und grinste ihn breit an.
Ricky verzog das Gesicht und nahm einen Schluck Bier, um sich abzulenken. Der Blödmann wusste ganz genau, dass er damit seine Aufmerksamkeit hatte. Lange hielt er das Schweigen nicht aus und so platzte es irgendwann aus Ricky heraus: „Okay, sag an. Worum?“
„Ich wette ...“, begann Alex und dachte einen Moment nach. Vermutlich darüber, wie er die Herausforderung formulieren sollte. „Ich wette, dass du in einem Jahr hier glücklich sitzen wirst, wenn du diesen ‚ich lehne jeden Akademiker ab‘ Quatsch sein lässt und André eine Chance gibst.“
Etwas in Ricky wollte widersprechen. Immerhin hatte er diese Entscheidung aus gutem Grund getroffen. Und letztendlich würde er es sein, der andernfalls hier traurig und allein saß, wenn es – wie zu erwarten – nicht funktionierte.
„Wieso glaubst du, dass André der Richtige für mich ist?“, fragte er stattdessen misstrauisch.
Alex lächelte. Das gleiche Lächeln, das Ricky in den letzten zwanzig Jahren zu oft bei dem Mann gesehen hatte. Dabei war er ursprünglich nur mit dessen jüngeren Bruder befreundet gewesen. Trotzdem konnte Rick sich nur zu gut an seine Kindheit erinnern, in der Alex nicht selten auch für ihn wie ein großer Bruder gewesen war.
„Ich weiß nicht, ob er der Richtige ist“, gab Alex irgendwann zu. „Aber ich denke, dass du ihm eine Chance geben solltest. Und selbst wenn er es nicht ist, glaube ich daran, dass du ohne diese dämliche Regel trotzdem in genau einem Jahr hier sitzt und glücklich sein wirst.“
Ricky runzelte die Stirn. „Und wenn nicht?“ Immerhin wäre er dann derjenige mit dem gebrochenen Herzen und den begrabenen Hoffnungen darauf, nicht mehr alleine sein zu müssen.
Einen Moment überlegte Alex, spürte wohl, dass er hier einen entsprechend hohen Einsatz bieten musste. „Freibier. Lebenslang.“
Da wurde Ricky dann doch hellhörig. Nicht, dass man ein gebrochenes Herz mit reichlich Bier würde heilen können, aber der Einsatz war in der Tat nicht schlecht.
Alex schien zu spüren, dass sein Widerstand bröckelte, denn er hakte noch einmal nach. „Und ich werde dich nie wieder mit meinen Ratschlägen zu irgendwelchen Männern belästigen.“
Da musste Ricky grinsen, denn ‚belästigt‘ hatte er sich davon wie vermutlich jeder andere Gast hier noch nie gefühlt. Im Gegenteil. Nicht wenige der Männer kamen hierher, weil sie sich bei Alex ausheulen und einen gut gemeinten Rat abfassen konnten. Und auch wenn Ricky das nur ungern zugab ... er hatte davon genauso in den letzten Jahren profitieren können. Obwohl der Erfolg sich bisher augenscheinlich noch nicht eingestellt hatte.
„Und wenn du gewinnst?“
„Dann bist du glücklich“, gab Alex lachend zurück.
Ricky verzog das Gesicht. Allerdings wanderte ein Kribbeln durch seinen Bauch bei dem Gedanken, dass Alex bereit war, einen derartig hohen Einsatz zu bringen, auf die vage Vermutung, dass er in einem Jahr ‚glücklich‘ sein würde.
„Das reicht nicht“, meinte er dennoch und sah Alex nun seinerseits herausfordernd an.
„Okay. Ein Kleid.“ Ricky zog die Augenbrauen hoch. „Wenn ich gewinne, entwirfst du für Isa ein Hochzeitskleid. Und nähst es. Kostenfrei.“
„Ihr habt einen Termin?!“
„Sch!“, zischte Alexander und blickte sich nach links und rechts um. „Nein. Aber ... man weiß ja nie.“
„Mann, Alex, du gehst stramm auf die dreißig zu. Wie lange willst du das arme Mädchen noch warten lassen?“, gab Ricky, für einen Augenblick von den eigenen Problemen abgelenkt, zurück.
Von der anderen Seite des Tresens kam jedoch nur ein weiteres Grinsen: „Liegt nicht an mir. Ihre Eltern sind geschieden. Hochzeit ist für sie ein rotes Tuch.“ Ricky schwieg. „Also? Was ist? Schlägst du ein?“
Er überlegte. Im Grunde ging es nur darum, ob er ‚glücklich‘ war oder nicht. Aber wie sollte man das festlegen? Es hieß weder, dass er in einer Beziehung war, noch dass die tatsächlich mit André wäre. Misstrauisch sah er zu Alex, der ihn jedoch nur weiter freundlich anlächelte.
„Die genauen Bedingungen noch einmal“, verlangte Ricky. Denn wenn er bei früheren Wetten mit gerade diesem Mann etwas gelernt hatte, dann war es, dass die richtige Formulierung eine entscheidende Rolle spielte.
Alex überlegte kurz, danach lehnte er sich vor und streckte die rechte Hand über den Tresen. „Du gibst diese fixe Idee auf, Akademiker grundlegend aus deiner Kandidatenliste zu streichen. Und wenn sich mit André noch einmal eine Gelegenheit ergibt, gibst du ihm eine Chance.“
„Nur falls er sich jemals wieder bei mir meldet? Ich werde ihm nicht hinterherrennen und betteln!“
„Okay. Wenn er sich noch einmal bei dir meldet, dann musst du ihm aber eine Chance geben. Falls nicht, ist er außen vor.“
Ricky nickte. Das klang fair. So würde er sich auch nicht der Peinlichkeit gegenübersehen, zunächst zu André zurückzukriechen. Denn dass der sich noch einmal bei ihm meldete, damit rechnete Ricky nach inzwischen fast zwei Wochen Funkstille leider nicht mehr.
„Wer legt fest, ob ich ‚glücklich‘ bin oder nicht?“, fragte er erneut, denn der Punkt war hier immerhin der schwammigste an dieser Wette.
Alex überlegte einen Augenblick, dann zuckte er mit den Schultern. „Du bist der Einzige, der sagen kann, ob du glücklich bist oder nicht. Da muss ich mich wohl auf deine Ehrlichkeit verlassen.“
So wirklich gefiel Ricky diese unklare Formulierung nicht. Aber je länger er darüber nachdachte, desto mehr drängte es ihn danach, zuzusagen. Also nickte er zustimmend.
„Wenn ich gewinne, nähst du Isa das ... keine Ahnung was, das beste Kleid halt überhaupt. Und falls du am Ende doch nicht glücklich sein solltest – was sowieso nicht passieren wird – dann bekommst du Freibier bis ans Lebensende. Top?“
Ricky atmete noch einmal tief durch. Irgendwie klang es nach einer ziemlich dämlichen Idee, aber auch ausgesprochen verlockend. Alexanders Einsatz war hoch und der Gewinn vergleichsweise gering. Dafür hatte Ricky verflucht viel zu verlieren. Allen voran sein Herz. Und zwar – sollte der sich tatsächlich doch noch einmal melden – an diesen unverschämt attraktiven Kerl, der ausgerechnet ein Arzt hatte sein müssen.
„Ich weiß nicht“, zögert er.
Alexanders hochgezogene Augenbrauen reizten Ricky noch mehr. „Willst du etwa kneifen, Feigling?“
Alles, was er daraufhin zusammenkniff, waren aber seine Augen. „Sicher nicht“, zischte Ricky, bevor er sein Temperament zügeln konnte. Und schon lag seine Hand in der von Alex. „Die Wette gilt.“