„Was?“, die Tür hinter mir quietsche wieder, während ich Georg abwartete. Er schien seine Unterwürfigkeit nicht gespielt zu haben. Keinen Angriff aus dem Hinterhalt sah ich kommen und die Einsamkeit über uns in diesem Zellenblock schien Beweis genug. Ich deutete an, sich zu erheben, während ich mich gleichzeitig umdrehte und in Vayas schreckgeweitete Augen starrte. In ihr überkam sicherlich der Wunsch, wieder die hintere Wand im Rücken zu haben. Freilich würde sie diese aufbrechen wollen und als Schutzschild verwenden. Oder sie würde die einzelnen Steine nach mir werfen, während sie sich damit zur Flucht verhalf.
Gelangweilt zog ich die Schultern hoch. „Ist kein großes Ding.“
Vaya keuchte verwirrt, während sie die Situation nicht einzuschätzen wusste. „Jetzt ist eh raus, und Versteckspielen ist nicht mehr. Wir müssen Jamy rausholen.“
Mit hochgezogenen Augenbrauen ruhten meine Augen auf die des Topasnutzers, der schweigend auf Befehle wartete. „Und bitte, C´Tik Ishaar ist doch kein Name. Das steht nur wegen meiner Mutter auf einer Urkunde, die vor Jahren verbrannt ist. Ich bin Chrissie.“
„Aber das klingt nicht so…königlich..“, murrte er, als schien er beleidigt.
„Nein, aber wesentlich weniger als ein Zungenbrecher. Es muss auch nicht jeder wissen, wer ich bin. Es reicht, wenn du es herausgefunden hast. Wahrscheinlich ist jetzt die ganze Meute hinter uns her, weil du, so unauffällig wie du bist, durch diese Versammlung marschiert bist.“
Mein Vorwurf ging ins Leere, denn ruhende Kälte starrte mich an wie Eis. „Schlafen alle.“ Meine Braue wanderte höher. Kommentarlos ließ er meine Grimasse wie sie war und schaute auf das Mädchen, das immer noch auf allen Vieren versuchte, langsam von uns Abstand zu gewinnen. Ich grinste vergnügt. „Sicher, geh ruhig.“
Der Topaselementar schnaubte und rieb sich die Stirn. „Jap, es hat sich nichts geändert.“
Vaya war einige Meter auf der Zelle geschlichen, während ich mit Georg diskutiert hatte. Schlaues Mädchen.
„Wie…?“ Sie stockte und zeigte auf Georg, dann mit einem Finger auf mich. Vorwurfsvoll und mit Zorn in den Augen, aber vielmehr Verwirrung, welches Gefühl nun angebrachter wäre, zeigte sie auf mich und suchte nach Worten. Überhandnahm ihr Wille zu fliehen, doch Georg ging um mich herum und wollte nach ihr greifen. Ich hob nur eine Hand, und er blieb sofort stehen, dennoch bereit, zuzupacken.
„Deine Chancen, lebend aus dieser Ruine herauszukommen, ist durchaus eine Flucht wert. Doch wie willst du bitte weitermachen?“ Ihr zarter Mund öffnete sich, schloss sich wieder und öffnete sich erneut. Dass Vaya mal um Worte verlegen war, während ihr die Röte ins Gesicht stieg, war wirklich amüsant anzusehen.
„Wieso sollte ich dir, meinem ärgsten Feind und deinem Bodyguard, bitte vertrauen?“ Klagend wie auch verletzend schien sie mich angreifen zu wollen.
„Naja, wir sind deine beste Chance.“ Ich hob erneut die Schultern und wandte mich zum Gehen.
„Ich habe Jamy versprochen, dich hier rausbringen. Eine Autofahrt kann ziemlich lang sein.“
Ich stöhnte auf und sah hinauf zur Decke. „Während er stundenlang also von dir gesprochen hat, meinte er, er opfere sich, damit du in Freiheit leben kannst.“ Während mein Rücken nun zu ihr gewandt war und ich gedankenverloren mir die Sekunde nahm, verletzlich zu sein, vergrub ich diese Emotionen tief in mir und lächelte. Es schien wie ein Versprechen, jemanden zu töten und doch eine Sicherheit, an die sich Vaya klammern konnte. Ich konnte ein ziemlicher Dickkopf sein, doch sie konnte sich darauf verlassen.
„Liebe kann so grausam nein, nicht? Vor allem, wenn man denjenigen, den man liebt, gar nicht mehr wiedererkennt.“
Die Hektik wich aus ihren Gesten, während sie an der Wand sich hoch half und Georg stumm, danach mich, grimmig musterte.
„Und nur wegen eines Versprechens willst du ihm helfen? Welcher Eigennutzen steckt dahinter?“
„Das können wir gerne unterwegs klären. Aber sei dir versichert, es muss schon was dran sein, wenn ich jahrelang von diesem Teil der Welt Abstand gehalten habe.“ Dieses Argument schien sie innehalten zu lassen, doch in dem Gold spiegelte sich Skepsis wieder.
„Ich brauche meinen Bernstein.“
Leider war ich dickköpfiger als sie. „Nein, zuerst brauchst du Jamy.“
Ich wünschte, ich könnte heilen. Denn dann wären wir schneller. Georg steuerte zielsicher durch den Wald und schließlich über eine weitere Brücke. Irgendwoher kannte Georg einen Weg und das Lager herum, denn Jamys Gefängnis zur Folge sei müsste.
Vaya hielt sich tapfer, doch fiel irgendwann zu lange zurück. Ich entschloss mich, sie huckepack zu tragen, doch Georg kam mir zuvor. Er drohte ihr klipp und klar, sie schlafen zu stellen und irgendwo im Wald abzulegen, bevor sie weiteren Protesten zufolge still auf seinem Rücken ruhte und mich die ganze Zeit mürrisch betrachtete.
„Wer bist du überhaupt?“, fragte Vaya irgendwann in der Stille und ich drehte mich um. Dabei starrte sie auf Georg, der stumm und konzentriert auf ihre Frage nicht einging.
„Georg ist quasi mein Ziehvater.“ Überrascht starrte Gold mich an. Ich grinste, lief neben Georg her und verlor mich gerne in alten Erinnerungen. Ein bitteres Aroma breitete sich auf der Zunge aus, wenn ich an die Fortsetzung einer Geschichte dachte, wie ein kleiner Junge viele Qualen hatte durchleben müssen.
„Er hat mich großgezogen und war mein Leibwächter. Dass er allerdings hier neben mir läuft, war seine Entscheidung.“ Ich musste lächeln, denn diese Art der Loyalität hatte ich wirklich nicht erwartet. Irgendwie hatte ich gedacht, ich würde es allein schaffen müssen, denn Vaya würde sich nicht mehr freiwillig helfen lassen.
„Und wieso bist du geflohen?“ In ihrer Stimme schwang etwas Vertrautes mit. Doch ich grinste erneut, sah sie an und wusste, dass meine Überheblichkeit einen Selbstschutz darstellte.
„Weil ich es konnte.“