„Ha, ich habe gewonnen!“, meinte Elio schelmisch, als wir vor einer großen Türe zum Stehen kamen. „Du hattest ja auch Jahrelange Übung“, sagte ich. Elio stieß die Türe auf und deutete mit einem Blick, dass ich den Raum betreten sollte. Ich betrat so anmutig, wie es mir gelang, den Speisesaal. Falk saß schon an einer großen Tafel. Ich sah mich um und entdeckte am anderen Ende der Tafel einen goldenen Teller. Ich vermutete, dass das für mich gedeckt war. Falk stand auf. „Guten Abend, Saskia. Setz dich bitte“, meinte er und deutete an den Platz, den ich schon vermutet hatte. Ich lief hinüber und setzte mich. Auch Falk setzte sich wieder. Da kamen plötzlich ein paar Elfen herein und füllten meinen und Falks Teller. „Guten Appetit!“, meinte Falk und nickte mir zu. Ich nickte zurück und betrachtete mit gemischten Gefühlen mein Essen. Es sah aus wie ein Salat, aber es sah so aus, als hätte man Rinde darüber gestreut. Mit einem mulmigen Gefühl probierte ich den Salat und war überrascht. Der Salat schmeckte nicht schlecht! Es schmeckte zwar ein wenig nach Erde, aber ansonsten war es ganz gut. Ich merkte, dass Falk mich beobachtete. Ich nahm schnell noch ein Blatt in den Mund und zerkaute es. „Dir scheint es zu schmecken“, stellte Falk fest. Ich nickte nur, da ich noch Salat im Mund hatte. „Nach dem Abendessen gehst du bitte in dein Zimmer. Morgen kommt Rosie zu dir und kleidet dich wieder ein. Danach hast du Unterricht“, erklärte mir Falk. Ich schluckte das Salatblatt hinunter. „Aber in Chemie bin ich echt schlecht!“, sagte ich. Ich wollte ihm gleich klar machen, dass ich mich für ihn nicht anstrengen würde. Zuhause war das anders gewesen. Ich mochte die Schule eigentlich auch und ich war auch nicht schlecht in der Schule aber in Chemie war ich einfach eine Niete. Falk sah mich komisch an. „Also haben ich kein Chemie?“, fragte ich hoffnungsvoll. „Ich weiß nicht was Chemie ist, aber nein das hast du nicht. Du bekommst Unterricht im Bogenschießen, Tanzen, Klettern und noch ein paar anderen wichtigen Sachen“, meinte er, „Elio wird immer bei dir sein, da wir uns nie sicher sein können, ob König Iratus angreift!“ Wer war dieser König Iratus? Der Elf, der mich und Mum entführt hatte, sprach auch schon von ihm. Nachdenklich schob ich mir das letzte Salatblatt in den Mund. Wahrscheinlich waren das die Feinde von Falk. Plötzlich leuchtete sein Geweih auf. Vor schreck ließ ich meine Gabel fallen. „Was ist mit deinem Geweih los?“, wollte ich wissen. Das Leuchten hatte schon wieder aufgehört. „Ach ja, das habe ich dir noch gar nicht erklärt“, stellte Falk fest und tupfte sich mit einem Blatt über den Mund. Das Blatt sollte anscheinend so etwas wie eine Serviette sein. „Jeder Thronerbe oder jede Thronerbin hat eine Kraft, die man durch das Geweih einsetzen kann. Deshalb hat mein Geweih eben aufgeleuchtet“, erklärte Falk. Mir klappte der Mund auf. Was! Das Geweih verleite magische Kräfte! Ich tastete nach meinem Geweih Ansatz. Falk beobachtete mich und fing an zu schmunzeln: „Ja, du hast auch ein Geweih, das heißt, dass du auch eine magische kraft hast.“ Ich traute meinen Ohren nicht. Ich, Saskia Greene, hatte magische Fähigkeiten. „Woher weiß ich, was ich für eine magische Kraft besitze? Und was ist deine Kraft?“, wollte ich aufgeregt von Falk wissen, „und kann ich meine Kraft ausüben, auch wenn mein Geweih noch nicht komplett ausgewachsen ist?“ „Immer mit der Ruhe, Saskia“, sagte Falk beschwichtigend, fing aber trotzdem an, meine Fragen zu beantworten, „wir wissen momentan noch nicht, welche Kraft dir beschert ist, aber das wird unsere Heilerin noch heraus finden. Meine Kraft ist es, dass ich besser als ein Adler sehen kann. Ob du deine Kraft auch mit einem noch nicht ausgewachsenen Geweih ausüben kann weiß ich nicht. Diese Frage kann dir auch nur unsere Heilerin beantworten.“ „Können wir nicht bitte zu dieser Heilerin gehen?“, fragte ich und sah ihn bettelnd an. „Da es mich auch brennend interessiert was du für eine Magie besitzt, können wir nach dem Essen noch zu ihr gehen“, willigte Falk ein. Vor Freude hätte ich beinahe dem Elf, der mir das nächste Gericht brachte, das Tablett aus den Händen geschlagen. „Oh, tut mir leid“, entschuldigte ich mich bei dem Elf. Falk sah mich belustigt an. Der hatte auch immer etwas zu lachen! Aber ich versuchte, nicht genervt zu wirken, da ich unbedingt zu dieser Heilerin gehen wollte! Ich beäugte argwöhnisch meinen Teller. Was nun drauf lag, sah nicht halb so genüsslich wie der Salat aus! Trotzdem probierte ich etwas von der grünen Pampe. Ich war überrascht, dass es doch so gut schmeckte. Ich kannte den Geschmack von irgendwo, aber ich konnte ihn gerade nicht zuordnen. „Brenneselpüree, ich hoffe es schmeckt“, sagte Falk und fing an zu essen. Jetzt wusste ich, woher ich den Geschmack kannte! Mum hatte mir früher manchmal Bernnesseltee gekocht. Ich erinnerte mich noch sehr gut an die Zeit. Wir hatten die Brennnesseln erst selbst im Wald gepflückt, und danach verarbeitet. Das waren immer wundervolle Tage. Einmal hatte ich versehentlich in die Brennnesseln gefasst und es hatte furchtbar gebrannt! Mum hatte mich dann auf den Arm genommen und zu einem kleinen Bächlein getragen. Dort hatte ich dann meinen Arm abgekühlt. Seitdem zog ich immer erst Handschuhe an, wenn wir so etwas gemacht haben. Nachdenklich schob ich mir einen vollen Löffel in den Mund. Was Mum wohl gerade tat? Vielleicht sah sie einen Film an, den wir oft gemeinsam angesehen hatten. Oder sie backte etwas. Vielleicht kümmerte sie sich auch gerade um ihren Kräutergarten auf unserem Balkon. Ich wünschte mir, dass ich wenigstens mein Handy bei mir gehabt hätte, dann hätte ich sie anrufen können. Doch dann fiel mir wieder ein, dass ich in einem Elfenpalast saß, der vermutlich kein Netz besaß. Gedankenverloren stocherte ich in meinem Essen herum. Ich hatte mich noch nicht getraut, die braune Pampe neben dem Brennnesselpüree zu probieren. Aber plötzlich bemerkte ich, dass mich Falk wieder beobachtete. Also riss ich mich zusammen und nahm einen Bissen von der braunen Pampe. Überwältigt von dem Geschmack nahm ich nochmal einen großen Biss davon und danach noch einen. „Was ist das braune?“, wollte ich von Falk wissen. „Das, Saskia, ist Trüffelkompott. Eine sehr beliebte Delikatesse“, erklärte er mir. Ich senkte meinen Blick wieder und aß auch noch den letzten Rest, des Brennnesselpüree auf. Als ich den letzten Bissen fertig gegessen hatte fragte ich ungeduldig: „Können wir jetzt endlich zu dieser Heilerin gehen?“ Falk sah mich kopfschüttelnd an: „Das beste des Essens kommt erst noch. Das Dessert. Das solltest du dir unter keinen Umständen entgehen lassen!“ Ich verdrehte genervt die Augen. Falk grinste als er das sah: „Du bist sehr temperamentvoll!“ Das ich nicht lache. Ich und temperamentvoll! Alles was ich war, war genervt und wütend darüber, dass sie mich von Mum getrennt hatten. Außerdem hatte ich jeden Grund dazu, auf alle, vor allem auf Falk, wütend zu sein! Sie hatten mein Leben einfach komplett zerstört und hatten mich noch nicht einmal gefragt, ob ich überhaupt eine Prinzessin sein wollte. Ich hätte darauf auch sehr gut verzichten können! „Möchtest du denn gar nicht von dem Beerenkompott probieren?“, fragte Falk und holte mich somit wieder in die Gegenwart zurück. Überrascht stellte ich fest, dass mir jemand eine Schüssel voll beeren Kompott hingestellt hatte. Da mir nichts anderes übrig blieb, tauchte ich meinen Löffel in das rote Mus und steckte ihn mir in den Mund. Dieses Mus schmeckte genauso, wie es Mum oft gemacht hatte. Falk sah mir meine Überraschung anscheinend an: „Schmeckt es dir etwa nicht?“ Perplex starrte ich auf die Schüssel vor mir und antwortete dann: „Wurde dieses Mus aus Himbeeren, Erdbeeren und Johannisbeeren gemacht? Und mit Datteln und Ahornsirup gesüßt?“ Nun sah mich Falk Überrascht an und fragte: „Hast du gerade jede einzelne Zutat heraus geschmeckt?“ Ich überlegte ob ich einfach nicken sollte, entschied mich dann allerdings dagegen, da er mich sonst vielleicht noch andere Gerichte probieren ließ, um herauszufinden, ob ich überall alle zutaten herausschmecken würde. Und auf noch mehr grüne und braune Pampe hatte ich wirklich keine Lust. „Woher wusstest du dann das Rezept?“, fragte er und beobachtete mich aus zusammengekniffenen Augen. Am liebsten wäre ich einfach im Boden versunken, da ich nicht zugeben wollte, dass Mum das oft gemacht hatte, aber unter seinem Blick traute ich mich nicht, zu lügen. „Mum hat das oft mit mir gemacht“, murmelte ich leise. Nun sah Falk noch überraschter aus. „Das hätte ich May wirklich nicht zugetraut“, sagte er und starrte Löcher in die Luft. Tja, man sollte meine Mum eben nicht unterschätzen. Dasselbe galt für mich. Ich würde ihnen schon noch zeigen, dass ich wieder zurück zu meiner Mum gehen würde. Ob mit oder ohne Geweih und spitzen Ohren. Wir würden sicher noch einen anderen Weg finden diese blöden Merkmale wieder loszuwerden. Und bis es soweit war, dass ich ausbrechen konnte, würde ich mir das Schloss genau unter die Lupe nehmen, um heraus zu finden, wie ich am besten von hier wegkommen würde. „Wie dem auch sei. Sobald du fertig gegessen hast, können wir zur Heilerin gehen“, sagte Falk und nahm einen großen Löffel des Beerenmuses. Ich tat es ihm gleich und hatte in Windeseile meine Schale geleert. „Können wir nun endlich gehen?“, fragte ich zum gefühlt hundertsten Mal. Zu meinem Glück nickte Falk und erhob sich von seinem pompösen Thorn. Ich hatte ebenfalls auf einem Thron gesessen, der war aber niemals so groß wie der von Falk. Hinter ihm verließ ich den Saal. Elio lief auch hinter uns her. Der würde noch Augen machen, wenn er erfahren würde, dass ich magische Kräfte habe. Dann konnte er sich seine Angeberei für andere Mädels aufsparen. Falk führte mich in einen Turm, den ich noch nicht kannte. Elio schien aber genau zu wissen, wo wir waren. Er hatte wieder sein selbstgefälliges Grinsen im Gesicht. Er fand es wohl sehr komisch, dass ich zur Heilerin wollte. Oder wusste er etwas, was ich nicht wusste. „Achtung!“, rief er plötzlich aus und zog mich zurück. Was hatte er den? Aber plötzlich wurde mir bewusst, dass ich beinahe in Falk gerannt wäre, da er stehen geblieben war. Man war das peinlich! Doch Elio grinste nur umso breiter. Der hatte seinen Spaß, aber ihm würde der Spaß schon noch vergehen! Falk klopfte an die Türe. Eine freundlich wirkende Elfe mit roten Wangen und einer Halbmondbrille öffnete uns die Türe. „Saskia, das ist Althea, unsere Heilerin. Althea, das ist meine Tochter, Saskia. Wir hätten ein paar Fragen, die du uns hoffentlich beantworten kannst“, sagte Falk zu der Elfe. Ich fand, dass sie viel netter als unsere Ärzte zu Hause wirkte. „Lass dich von ihrem Schein nicht trügen“, wisperte Elio mir ins Ohr und ich bemerkte, wie nah er mir plötzlich war, „Sie zögert nicht, dir bittere oder einfach ekelhafte Elixiere zu verabreichen.“ Ich verdrehte genervt die Augen. Das hätte ich auch ohne seine Warnung gewusst. Aber er war immer noch sehr nah bei mir. Ich ging einen Schritt auf Althea zu. „Guten Tag, mein Kind. Dann komm einmal mit, vielleicht kann ich dir ein paar deiner Fragen beantworten“, sagte Althea und lächelte mich warmherzig an. Ich mochte sie sofort. Hoffentlich würde ich ein paar Antworten bekommen! Ich betrat hinter Falk der gemütlich eingerichtete Arztzimmer. Althea machte die Türe vor Elios Nase zu. „Leibwächter bleiben draußen. Ich glaube kaum, dass unsere liebe Prinzessin möchte, dass du bei ihrer Untersuchung alles mit sehen kannst. Und bevor du protestierst, das ist die einzige Türe, die in diesen Raum führt, also kannst du dir auch sicher sein, dass niemand irgendwie hier herein kommen kann“, sagte Althea zu Elio und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich Elios unzufriedenes murmeln von draußen hörte. Dann wandte sich Althea zu mir: „Du musst wissen, dass Elio Stammgast bei mir ist, da er sich bei seinem Training schon einige Verletzungen zugezogen hat. Aber natürlich nichts, was ich nicht mit ein paar Elixieren wieder hinbekommen hätte.“ Mein Grinsen wurde immer breiter. Nun war mir klar, warum mich Elio vor Althea gewarnt hatte! „So, aber nun zu dir, Saskia“, sagte sie und kam ein paar Schritte auf mich zu. Falk hatte sich derweilen schon in einen Sessel gesetzt, während ich noch immer ahnungslos in der Mitte, des runden Arztzimmers stand. „Wie ich gehört habe, ist deine Mutter ein Mensch, habe ich recht?“, fragte sie und schielte zu Falk hinüber. Ich nickte. „Interessant“, murmelte Althea, „aber nun gut. Was habt ihr denn für Fragen?“ Mir kamen da hunderte auf einmal. Aber ich entschied mich dann, die Frage zu stellen, die mich am meisten interessiert. „Kann ich meine Magie trotz meines noch nicht ausgewachsenen Geweihs anwenden?“, wollte ich wissen. Althea betrachtete mich nochmals. „Darf ich mir einmal dein Geweihansatz ansehen?“, fragte sie mich und ich nickte. Sie nahm mich an der Hand und führte mich zu einer Liege, auf die ich mich setzen konnte. Dann forderte Althea mich auf, ihr den Kopf entgegen zu beugen. Ich tat was sie von mir verlangte, obwohl es ein sehr komisches Gefühl war! Aber als sie mir über den Geweihansatz strich, war es ein noch komischeres Gefühl, da ich ihre Hände nicht spürte, das Geräusch aber trotzdem hörte. Zum Glück war Elio gerade nicht da, um das zu sehen. Das hätte er mir sonst sicher noch ewig nachgetragen! „Also, das Geweih scheint gut zu wachsen. In ein paar Wochen können wir sicher heraus finden, was deine magische Fähigkeit ist. Aber momentan ist dein Geweih dafür einfach noch zu klein“, sagte Althea und ich richtete mich wieder auf. Es hätte mich wirklich brennend interessiert, was ich für eine Magische Fähigkeit habe, aber das würde ich wahrscheinlich nie erfahren, da ich keine Lust hatte, noch ewig hier zu sein. Ich würde gerade so lange hier bleiben, bis ich eine günstige Gelegenheit haben würde, um mich fort zu schleichen. „Gibt es denn gar keine andere Möglichkeit, es doch herauszufinden? Die meisten Königlichen Familien, wissen gleich nach der Geburt, was ihr Kind für eine Magische Fähigkeit ausbilden wird“, sagte Falk zu Althea. Hoffnungsvoll sah ich Althea an. Vielleicht würde ich ja doch noch erfahren, was ich für eine magische Fähigkeit ausbilden würde! „Dazu müsste ich aber dein genaues Geburtsdatum und die genaue Uhrzeit deiner Geburt wissen“, sagte Althea. „Ich wurde am heute vor sechzehn Jahren geboren“, sagte ich stolz. Althea sah mich mit durchdringlichem Blick an. Dann wandte sie sich an Falk. „Sie wurde im Zeichen des Schwans geboren!“, hauchte Althea ungläubig. Was war das den jetzt wieder für komisches Gefasel? War es denn so weltbewegend, dass ich am einundzwanzigsten April geboren wurde? Und was hatte das mit dem „Zeichen des Schwans“ zu tun? Falk starrte mich ebenso ungläubig an wie Althea. Hatte ich mich etwa gerad in ein schleimiges grünes Ungeheuer verwandelt? „Was ist denn so schlimm daran, dass ich am einundzwanzigsten April geboren wurde?“, fragte ich deswegen. Althea löste sich langsam aus ihrer Schockstarre. „Du wurdest im Zeichen des Schwans geboren. Und das noch am ersten Tag des Schwans. Der Schwan ist ein Sternzeichen, es wird auch Cygnus genannt“, erklärte Althea mir. Doch ich verstand immer noch nicht, was nun so schlimm daran war. „Das Sternzeichen hat etwas mit deiner magischen Begabung zu tun. Der Schwan ist das Sternzeichen, dass die stärksten Fähigkeiten ausbildet. Und du wurdest noch am ersten Tag davon geboren“, sagte Falk schüttelte ungläubig den Kopf. „Aber das kommt doch sicher öfter for, oder?“, fragte ich, da ich noch immer nicht kapiert hatte, weshalb sie jetzt so ein Drama daraus machten. „Nein, Saskia. Du bist die erste Prinzessin, die jemals im Zeichen des Schwans geboren wurde.“