Endlich war es soweit! Wir würden uns auf den Weg zur magischen Lichtung machen. Ich stand aufgeregt in der Eingangshalle. Nun würde ich endlich Mom wieder sehen! Es war zwar nicht unbedingt lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten, aber trotzdem fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Vor Aufregung wippte ich von einem Fuß auf den anderen.
„Ist alles gut bei dir?“, fragte mich Elio schief grinsend.
„Ja, ich freue mich nur so sehr darauf, Mom wieder zu sehen", antwortete ich ihm lächelnd. Da kam Dad endlich. Er hatte sich sehr herausgeputzt.
„Bereit?“, fragte er mich. Ich nickte überglücklich. Wir gingen nach draußen, wo Ajuga und zwei weitere Füchse auf uns warteten. Dad schwang sich auf den größten der drei Füchse. Ein weiterer Elf schwang sich auf den anderen Fuchs. Elio saß schon auf Ajuga und streckte mir seine Hand zu. Grinsend griff ich danach und Elio zog mich hoch. Ich schlang wieder meine Arme um Elio, damit ich nicht hinunter fiel. Falk musterte uns mit einem verwirrten Grinsen. Elio schien das nicht zu bemerken, da er nochmal seinen Bogen überprüfte.
„Seid ihr soweit?“, fragte Falk. Elio und der andere Elf nickten und dann setzten sich die drei Füchse in Bewegung. Falk an der Spitze, dann kamen Elio und ich und hinter uns war noch der andere Elf. Ich schloss die Augen und lehnte mich an Elio. Ich atmete tief ein. Elio duftete nach Wald. Dann öffnete ich die Augen wieder, um die Umgebung genießen zu können. Schon hatten wir das Elfendorf verlassen und waren im Wald. Die Bäume rauschten an uns vorbei. Hin und wieder hörte ich einen Raubtierschrei, aber das jagte mir keine Angst ein. Elio, Dad und der Elf waren bei mir. Die Füchse schienen noch schneller zu werden. Der Wind peitschte mir ins Gesicht und blies meine Haare nach hinten. Ich lächelte. Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis ich Mom endlich wieder sehen konnte. Eine Weile später verlangsamten die Füchse ihr Tempo ein wenig und blieben dann endlich stehen. Ich sah mich um. Ja, diesen Ort kannte ich. Hier hatten uns die Elfen gefangen genommen. Plötzlich vernahm ich Gesang. Ich schnappte nach Luft. Ich kannte diese Stimme nur zu gut. Ich spürte, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten. Ich sah zu Dad hinüber. Auch er musste es gehört haben. Langsam lenkte er seinen Fuchs Richtung Elfenschrein. Dann heulte sein Fuchs auf und der Gesang verstummte. Ich hörte ein Rascheln. Dann sah ich sie. Mom. Sie war da! Ich rutschte von Ajuga herunter und rannte auf sie zu. Mit Tränen in den Augen warf ich mich in ihre Arme. „Mom", flüsterte ich.
„Saski“, wisperte sie. Wir standen für eine kleine Ewigkeit so da. Dann löste ich mich aus ihrer Umarmung. Mom hatte auch Tränen in den Augen. Sie musterte mich von oben bis unten.
„Du siehst wunderschön aus, Liebling. Wie meine kleine Elfenprinzessin", murmelte sie und wischte sich eine Träne weg.
„Und du siehst wie eine Elfenkönigin aus, Mom. Und weißt du was? Du musst dir keinen Elfenkönig mehr für dich ausdenken. Ich habe dir einen echten Elfenkönig mitgebracht", sagte ich und sah zu Dad hinüber.
„Saski, das geht nicht", murmelte Mom traurig.
„Warum sollte das denn nicht gehen?", fragte Falk sanft und stieg ebenfalls von seinem Fuchs ab.
„Du hast doch selbst gesagt, dass das nicht geht", sagte Mom niedergeschlagen. Dad kam zu uns herüber.
„May. Ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe meine große Liebe weggeschickt, als sie bei mir war. Ich habe sechzehn Jahre lang damit verbracht, meine wahren Gefühle zu verbergen und mir einzureden, dass ich niemanden liebe. Aber eine ganz besondere Elfe hat mich wach gerüttelt und mir gezeigt, was für ein Dummkopf ich war. Diese ganz besondere Elfe ist unsere Tochter. Sie hat mir die Augen geöffnet, May!"
Ich ging leise zu Elio zurück.
„May, ich liebe dich noch immer. Ich habe nie aufgehört dich zu lieben! Keinen einzigen Tag! Natürlich verstehe ich, wenn du keine Gefühle mehr für mich hast, aber ich möchte dich trotzdem dazu einladen, zu uns in den Elfenpalast zu ziehen. Saskia zuliebe. Wenn du dort nichts mit mir zu tun haben möchtest, verstehe ich das. Wenn du mich dafür hasst, was für ein Dummkopf ich war, verstehe ich das auch. Ich…" Doch weiter kam er nicht, da Mom sich zu ihm lehnte und ihn küsste. Ich sah grinsend zu Elio hinüber. Er grinste ebenfalls. Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten sich Mom und Dad wieder voneinander.
„Heißt das, dass du als meine Elfenkönigin mit auf unser Schloss kommst?“, hörte ich Dad murmeln. Mom lächelte versonnen und nickte. Überglücklich rannte ich zu den beiden hin und es gab eine Gruppenumarmung. Endlich! Ich hatte endlich meine ganze Familie zurück. Nachdem wir uns aus der Gruppenumarmung lösten, stieg Dad wieder auf seinen Fuchs auf und zog Mom zu sich. Ich ging wieder zu Elio hinüber. Er hielt mir seine Hand hin und zog mich zu sich hoch. Ich schlang wieder meine Arme um ihn. Mom warf mir einen fragenden Blick zu und schielte dann zu Elio hinüber. Ich wusste genau, was sie fragte, aber ich schüttelte mit kurzem Zögern den Kopf. Mom grinste nur. Dann ritten wir los. Wir ritten nach Hause. Alle gemeinsam. Ich konnte es nicht glauben! Ich war die Prinzessin dieses Waldes und war gerade mit meiner Mom und mit meinem Dad auf dem Weg nach Hause in unser Schloss. Es war, wie ich es mir damals immer vorgestellt hatte. Der einzige Unterschied dazu war, dass es noch tausendmal besser war! Wir ritten pfeilschnell durch den Wald. Ich lehnte mich an Elio.
„Alles okay bei dir, Prinzessin?“, fragte er leise.
„Es könnte nicht besser sein!“, murmelte ich zurück. Ich wusste genau, dass Elio nun anfing zu grinsen. Da machte sich plötzlich wieder das Kribbeln in meinem Bauch bemerkbar und mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich schloss die Augen. Wie sich Mom wohl gerade fühlte? Sie saß sehr nahe bei Dad. Wahrscheinlich erinnerte sie sich gerade an damals, als sie und Dad sich die ersten Male getroffen hatten. Vielleicht konnte sie es auch nicht glauben, dass sie nun zu uns auf das Schloss zog. Ich lächelte vor mich hin und malte mir aus, wie wir zu dritt am Tisch saßen und gemeinsam frühstückten oder wie Mom und ich gemeinsam in meinem Zimmer auf der Fensterbank saßen und sie mir Geschichten von früher erzählte. Ich sah es förmlich vor mir. Oder wie ich gemeinsam mit Dad Bogenschießen und Klettern übte. Elio würde dann wahrscheinlich daneben stehen und mich wieder ärgern. Dann sah ich auch, wie Mom und Dad gemeinsam im Pavillon saßen. Dieses Bild veränderte sich plötzlich vor meinem inneren Auge und nun waren es nicht mehr Mom und Dad, sondern. Nein! Dieses Bild verdrängte ich sofort wieder. Ich öffnete die Augen. Ich war davon überzeugt, dass die Zukunft einfach grandios werden würde! Bald hatten wir das Elfendorf erreicht. Die Füchse blieben aber nicht stehen, sondern sprinteten zum Eingang des Schlosses. Als Falks Fuchs stehen blieb, sprang er ab und reichte Mom die Hand.
„Willkommen in deinem neuen Zuhause, meine Königin", sagte er.
„Das hätte ich schon viel früher machen sollen“, fügte er dann hinzu. Mom stieg ab und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Mach dir bitte keine Vorwürfe mehr, Falk. Wir können die Vergangenheit nicht ändern. Wir können nur das Beste aus der Zukunft machen", murmelte Mom sanft.
„Woher hast du nur die vielen weisen Worte, May?“, fragte Falk lächelnd. Mom zuckte nur lächelnd mit den Schultern. Auch ich und Elio stiegen ab. Ich ging zu Mom und Dad hinüber.
„Endlich sind wir alle zu Hause“, murmelte ich. Dann drehte ich mich noch zu Elio um. Ich warf ihm einen dankenden Blick zu, denn wenn er gestern nicht gewesen wäre, würde ich nun nicht mit meinen Eltern hier stehen.