Wir verließen das Heilungszimmer wieder.
„Hey, Kopf hoch, Prinzessin. Althea findet bestimmt heraus, was deine Magie sein wird und wenn nicht, wirst du es ja sowieso früher oder später erfahren", versuchte Elio mich aufzumuntern. Mom stimmte ihm zu.
„So ihr zwei. Ich muss jetzt noch ein paar Dinge erledigen. Bis später", sagte Mom und machte sich auf den Weg.
„Was sollen wir noch machen?“, fragte ich an Elio gewandt.
„Es dauert sicher noch ein paar Stunden bis zum Abendessen."
Elio überlegte.
„Wir könnten gemeinsam einen kurzen Ausflug in den Wald machen", schlug Elio vor.
„Du bist schließlich die Prinzessin dieses Waldes und hast noch beinahe gar nichts von seiner Pracht gesehen."
„Aber was ist mit diesen komischen Typen von gestern? Greifen die uns nicht wieder an?", fragte ich verunsichert.
„Keine Sorge, ich werde dich auf alle Fälle beschützen. Aber wir würden nicht in den Teil des Waldes gehen, wo sie gesichtet wurden, sondern in einen anderen", erklärte Elio mir. Damit hatte er mich überzeugt.
„Na gut", murmelte ich.
„Aber sollten wir nicht noch Falk Bescheid sagen?"
„Um das kümmere ich mich, keine Sorge", sagte Elio mit einem Zwinkern.
Eine Viertelstunde später standen wir gemeinsam vor dem Schloss. Elio saß schon auf Ajuga und hielt mir seine Hand hin. Ich nahm sie und Elio zog mich zu ihm hinauf. Ich schlang meine Arme um Elio und Ajuga sprintete los. Dieses Mal aber in die entgegengesetzte Richtung, wie wir sonst immer geritten waren. Der Wind peitschte mir in mein Gesicht und blies meine Haar nach hinten. Die Bäume und Büsche rauschten an uns vorbei. Ich lehnte mich wieder an Elio und genoss den Ritt. Nach einer Weile hielt Ajuga an. Vor uns hatte sich eine wunderschöne Lichtung aufgetan. Überall waren Blumen in den schönsten Farben und durch die Mitte der Lichtung plätscherte ein Bächlein.
„Wow", hauchte ich.
„Ich wusste, dass es dir hier gefallen würde", murmelte Elio grinsend und stieg von Ajuga ab. Ich rutschte ebenfalls von ihrem Rücken herunter. Gebannt von der Schönheit dieser Lichtung stand ich da und rührte mich nicht. Über uns flogen Schmetterlinge und Vögel. Diese Lichtung war etwas ganz Besonderes, das spürte ich. Dann lief ich zu dem Bächlein hinüber, setzte mich ans Ufer und ließ meine Beine ins Wasser baumeln. Das Wasser war eiskalt. Elio setzte sich zu mir und tat es mir gleich.
„Sind alle Lichtungen dieses Waldes so schön?“, fragte ich und starrte auf das klare Wasser.
„Jede Lichtung ist auf ihre eigene Art und Weise wunderschön“, antwortete er. Langsam wurden meine Beine taub vor Kälte und ich zog sie aus dem kalten Bächlein. Dann legte ich mich in das Gras und starrte in den Himmel. Hier war es wundervoll still. Nach kurzer Zeit legte sich Elio neben mich und wir sahen beide in den Himmel.
„Siehst du diese Wolke? Die sieht ein bisschen wie ein Hase aus", murmelte er plötzlich und deutete auf eine Wolke. Er hatte recht! Doch sie veränderte sich sehr schnell.
„Jetzt sieht sie eher wie ein Fuchs mit zu lang geratenen Ohren aus", sagte ich und wir brachen in Gelächter aus. Ajuga hob den Kopf und sah uns schief an.
„Alles gut, Ajuga", presste Elio zwischen zwei Lachern heraus. Als wir uns wieder ein wenig beruhigt hatten, suchten wir nach mehr Formen in den Wolken. Ich fand eine, die wie ein Vogel aussah, und Elio sah eine, die Ähnlichkeit mit einer Ratte hatte. Es machte riesigen Spaß, Figuren in den Wolken zu finden! Irgendwann stand Elio auf und ging zu Ajuga hinüber. Ich setzte mich auf. Gleich darauf kam Elio mit einer Tüte zurück.
„Ich habe uns noch ein paar Leckereien aus der Küche stibitzt,“ meinte er grinsend. Er war wirklich frech! Aber das, was er mitgebracht hatte, war köstlich! Es waren kleine braune Bällchen. Wir hatten in Windeseile alle verputzt. Ajuga hatte selbstverständlich auch ein paar bekommen. Langsam neigte sich die Sonne dem Horizont zu und die Lichtung war in goldenes Licht getaucht. Überall flogen plötzlich Glühwürmchen und eine sanfte Brise strich über die Lichtung. Es fühlte sich einfach magisch an! Ajuga lag hinter uns und wir lehnten uns an sie an. Ich schielte zu Elio hinüber. Mein Herz schlug wie verrückt und in meinem Bauch schien ein Schwarm Schmetterlinge herum zu fliegen. Ich rückte näher zu Elio hin und lehnte mich an ihn. Erst saß er ganz steif da, doch bald entspannte sich seine Haltung. Langsam wurde es dunkler.
„Ich denke, wir sollten zurück zum Schloss reiten“, murmelte er. Auf das hatte ich nun gar keine Lust!
„Können wir nicht noch ein wenig hier bleiben?“, fragte ich hoffnungsvoll.
„Dann verpasst du aber das Abendessen und ich bekomme Probleme mit deinem Vater“, sagte Elio. Ich stöhnte. Aber dann stand ich widerwillig auf. Elio sollte nicht wegen mir Probleme mit meinem Vater bekommen. Also stiegen wir wieder auf Ajugas Rücken und ritten zurück zum Schloss. Plötzlich vernahm ich Stimmen in meinem Kopf. Eigentlich klang es mehr wie ein Brummen.
„Bist du Prinzessin von Wald?", grummelte das Brummen in meinem Kopf.
„Ja", sagte ich in meinem Kopf. Da wurde das Brummen lauter. Naja, oder es wurde mehr davon.
„Sie Prinzessin!"
„Sie uns verstehen!"
„Sie helfen!"
„Wie heißen Prinzessin?"
„Ich heiße Saskia", meinte ich nur.
„Und wer bist du, oder wer seid ihr?", fügte ich dann hinzu.
„Ich Tanne!"
„Ich Fichte!"
„Ich Buche!"
Und noch viel mehr Baumarten fluteten meinen Kopf. Dann waren das also die Bäume, die mit mir kommunizierten. Wahrscheinlich war das auch wieder so ein Elfending. Die Bäume fingen uns ja auch auf, wenn wir von ihnen herunterfallen würden. Bald hatten wir den Palast erreicht. Wir stiegen ab und Elio führte mich zum Speisesaal.
„Danke für diesen tollen Ausflug", murmelte ich bevor er die Türe öffnen konnte.
„Gerne Prinzessin", meinte er und zwinkerte mir zu, was mein Herz dazu brachte noch viel schneller zu schlagen, und den Schwarm von Schmetterlingen in meinem Bauch dazu bewegte, extra Runden zu drehen.