Anna wurde von einem Klopfen an ihrer Tür aus einem unruhigen Schlaf gerissen. „Nummer 10… ähm… Anna bist du wach?“ Es war der Professor. Anna setzte sich auf und antwortete verschlafen: „Ja, ich bin wach.“ „Okay gut, ich schließe deine Zelle auf. Wir treffen uns in fünf Minuten bei mir im Büro. Ich habe Frühstück für euch besorgt. Ihr müsst doch bestimmt am Verhungern sein. Also bis gleich.“ Anna hörte, wie der Professor das Zellenschloss öffnete und mit schnellen Schritten davoneilte.
Anna blieb noch kurz auf dem Feldbett sitzen bis sie komplett wach war. Dann stand sie auf wusch ihr Gesicht, putze die Zähne und machte schnell ihre Haare neu zu einem seitlichen Zopf zusammen. Als sie in einen kleinen Spiegel, welcher über dem Waschbecken hing sah, bemerkte sie dicke Ringe unter ihren Augen. Sie war gestern zwar recht schnell eingeschlafen, aber ihr Traum war sehr unruhig und beängstigend gewesen. Sie wendete sich von ihrem Spiegelbild ab und ging zur Zellentür. Als sie aus der Tür trat und gerade in Richtung Büro des Professors laufen wollte, wurde die Tür der Nachbarzelle mit einem Satz aufgerissen und der Zellenbewohner rannte heraus und direkt gegen sie. Beide vielen um. Anna lag nun unter ihrem Zellennachbar begraben. Ihr tat alles weh. „Tu-tut mir leid.“ Stammelte eine jungenhafte Stimme. Anna sah nun zu der stammelnden Gestalt, die auf ihr lag auf. Es war Nummer 40. Er bemerkte nun, dass er auf Anna lag und wurde knall rot im Gesicht. Dann sprang er schnell auf seine Beine. „E-es tut mir so leid. Ich hatte Angst aus der Zelle zu gehen. Ich stand schon ca. fünf Minuten davor und konnte nicht heraustreten. Dann nahm ich all meinen Mut zusammen riss die Tür auf und stürmte heraus. Dabei habe ich dich in meinem Elan umgerissen.“ Während Tom, das sagte, sah er verlegen auf den Boden. Anna sah ihn einfach nur an. Sie war nicht wütend auf ihn. So wie er dastand und auf den Boden schaute konnte man auch nicht wütend auf ihn sein. „Es ist alles okay“, meinte Anna. „Jetzt bin ich wenigstens komplett wach.“ Anna lächelte ihn dabei an. Tom schien sich durch das lächeln etwas zu beruhigen und half ihr dann auf die Beine. Zusammen gingen sie dann zum Büro des Professors.
Im Büro wurden sie bereits erwartet. Die anderen Beiden und der Professor saßen schon um einen Klapptisch herum. Darauf war das üppige Frühstück ausgebreitet worden. Nummer drei schaufelte sich schon gierig essen in den Mund. Die Nummer fünfundzwanzig schaute ihm dabei angewidert zu. Eisenhardt trank in aller Ruhe einen Kaffee. Er hatte von irgendwo her noch einen zweiten Klappstuhl auftreiben können. Der Gymnastikball hatte seinem Zweck also ausgedient. Tom seufzte vor Erleichterung als er den Stuhl sah. Als der Professor die beiden bemerkte, deutete er auf die zwei freien Plätze und sagte: „Guten Morgen ihr beiden. Setzt euch doch und greift zu. Es ist noch reichlich da und der Kaffee ist auch noch warm.“ Anna und Tom setzten sich und nahmen sich etwas von dem Frühstück. Es gab Brötchen, Butter, Wurst, Marmelade, Käse, sowie Kaffee, Orangensaft und gekochte Eier. Anna war zwar kein Mensch der morgens frühstückte, aber heute Morgen hatte sie einen riesen Hunger.
Der Professor wartete geduldig bis alle aufgegessen hatten, dann räumte er die restlichen Lebensmittel und das Geschirr weg. Er setzte sich wieder auf seinen Bürostuhl und sah alle vier an. „Ich glaube, ihr wartet auf Instruktionen über die heutige Vorgehensweise“, begann Eisenhardt. „Also hört gut zu. Ich werde mit jedem von euch heute den gleichen Test durchführen. Gestern habe ich noch einige Vorbereitungen für heute getroffen. Der Test wird in etwa so ablaufen, dass ich euch in meinem Labor der Kraft des Dämons aussetzte. Das geschieht, indem ich das Fragment in eine dafür entwickelte Halterung lege und ihr werdet in einem gesonderten Raum dieser Kraft ausgesetzt. Wir werden dann sehen, was es mit euch anstellt bzw. was mit euch passiert.“ Der Professor hörte kurz auf zu sprechen und sah alle nach einander an. Niemand schien etwas beanstanden zu wollen. Dann fuhr er mit seiner Erklärung fort. „Ich werde jeden einzeln in mein Labor, welches direkt neben dem Büro hier ist, holen. Die Reihenfolge ist, dass wir mit Nummer drei beginnen danach kommen fünfundzwanzig, vierzig und zum Schluss die zehn. Der erste Test wird um Punkt zehn Uhr morgens stattfinden. Nach jedem Experiment werde ich mit der Testperson eine kleine Auswertung der Ergebnisse machen. Ich werde eure Werte, ganz genau im Auge behalten und dokumentieren. Mit Werten meine ich die psychische und physische Lage und eure Erfahrungsberichte. Die Auswertungen werde ich dann zusammengefasst dem Vorstand der Organisation zusenden. Ich bitte euch mir immer genau zu schildern wie es euch geht und was ihr erlebt habt. Es ist jedes auch noch so kleinste Detail wichtig. Bitte beantwortet meine Fragen auch wahrheitsgemäß!“ Nach dem Satz sah er alle noch mal an und wartete bis jeder von ihnen kurz al Zustimmung genickt hatten.
„Wer weiß vielleicht schaffen wir es schon heute, den Dämon aus dem Fragment an einen von euch zu binden. Das wäre glaube ich das Beste für uns alle. Aber wir werden erst herausfinden was und wie es geschehen wird, wenn wir das heutige Experiment abgeschlossen haben. Nun bitte ich euch in eure Zellen zurück zu gehen und zu warten bis ich jeden einzelnen von euch hole.“ Die vier Testpersonen standen dann auf und gingen gemeinsam zu ihren benachbarten Zellen zurück.
***
Anna saß nun wieder in ihrer Zelle auf dem Feldbett und wartete. Sie wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis sie mit dem Experiment an der Reihe war. Was sollte sie jetzt so lange machen? Nur warten war zu langweilig. Sie sah zu dem kleinen Schreibtisch. Dort lagen immer noch Stifte und ein Block. Anna stand auf ging zum Schreibtisch und setzte sich auf den Holzhocker. Dann begann sie zu zeichnen. Es war sehr lange her, als sie das letzte Mal gezeichnet hatte. Früher hatte sie fast täglich gezeichnet. Das Studium hatte sie aber so in Anspruch genommen, dass sie fast keine Freizeit mehr hatte. Aufstehen, Uni, heimgehen, essen, lernen und schlafen, das war ihr Alltag gewesen. Nun konnte sie sich, zu ihrer eigenen Überraschung, mal wieder vom Lernen erholen. Das war schon etwas verstörend. Sie war hier ja eine Gefangene.
Langsam konnte man erkennen, was Anna zeichnete. Es war eine Pflanze, genau genommen ein Kleeblatt. Ganz unbewusst hatte es Anna gezeichnet. Nun zeichnete sie um das Kleeblatt herum einen Kreis. So sah es aus wie ein Symbol. Anna kannte das Symbol zu gut. Es war ein sehr altes japanisches Hauswappen. Anna liebte die japanische Geschichte und ihre Kultur. Schon als kleines Mädchen liebte sie Ninja und Samurai Filme. Als sie dann älter war begann sie Animes zu schauen und Mangas zu lesen. Es gab sogar eine Zeit wo sie die japanische Musik in ihrem Zimmer hoch und runter gehört hatte. Eines Tages wollte sie nach Japan reisen. Das war ihr Traum gewesen. Doch nun saß sie eingesperrt in dieser Zelle. Anna wurde wieder traurig. Das wars wohl mit ihrem Traum dachte sie. Eine einzelne Träne tropfte auf die Zeichnung. Dort wo nun der nasse Fleck war, verschwammen die Linien.
Anna durfte jetzt nicht weinen! Nicht jetzt! Sie beruhigte sich wieder und sah nun das Bild auf dem Block genauer an. Ihre Gedanken wanderten plötzlich zu dem Dämonen-Fragment. Der Holz-Chip hatte auch ein Symbol eingeritzt. Man konnte es aber nicht mehr richtig erkennen. Aber irgendwie hatte es Ähnlichkeit mit dem Wappen, dass sie gezeichnet hatte. Sie versuchte ihre Gedanken auf das eingeritzte Zeichen zu lenken. Wie sah es nochmal genau aus. Das Symbol könnte eine Art Blume darstellen. Das Problem war aber, dass es in der Geschichte sehr viele Zeichen mit Blumen als Vorbild gab. Vom vielen Denken brummte Anna wieder der Kopf. Sie legte den Block mit der Zeichnung und die Stifte bei Seite stand auf und legte sich auf das Feldbett. Sie schloss kurz ihre Augen, um sie auszuruhen, dann schlief sie ein.