Der Professor saß müde in seinem Büro. Der Tag war schrecklich! Bei dem heutigen Experiment ist alles schiefgelaufen, was nur schieflaufen konnte. Irgendwas hatte den Dämon bis auf das Blut gereizt. Er hatte vor Wut fast alle Probanden angegriffen und sogar schwer verletzt. Einer der Vier hätte heute sterben können! Eduard hatte einen Finger verloren und Tom hatte mehrere tiefe, stark blutende Wunden. Bei Mark war es sogar noch schlimmer. Der Dämon hatte ihn mit voller Kraft in den Hals gebissen. Eisenhart hatte große Probleme die Blutung zu stoppen. Den ganzen Tag durch hatte er Erste Hilfe leisten müssen. Die einzelnen Tests haben sich deshalb um mehrere Stunden verzögert. Das schien den Dämon nur noch mehr gereizt zu haben. Bei Mark dauerte das Experiment und die Nachbearbeitung am längsten. Ganze zwei Stunden hatte es gedauert um ihn zu verarzten und zu beruhigen. Die Befragung danach hatte auch noch einmal eine Stunde gedauert. Mark war ganz verängstigt und wollte nie still sitzen bleiben. Zum Glück war Anna unverletzt geblieben. Sie hatte es zudem auch geschafft den Dämon zu beruhigen. Eisenhart hatte vor Erschöpfung total vergessen sie nach ihrem Experiment zu befragen. Er war auch sehr erleichtert, dass ihr nichts wiederfahren war. Nachdem er die drei Jungs provisorisch verarztet hatte, brachte er sie in die Krankenstation, wo geschultes Personal stationiert war. Diese konnten sich nun richtig um die drei kümmern. Eine der Krankenschwestern hatte zu ihm gemeint, dass die Jungs einen Tag dort bleiben müssten, damit sie sich erholen konnten. Der Professor seufzte. Das bedeutete, dass auch morgen keine Experimente stattfinden würden. Aber die drei sollten sich erst einmal richtig ausruhen, zudem wollte Eisenhart auch Anna entlasten.
Der Professor schrieb gerade den heutigen Bericht, als es leise an der Tür klopfte. Eisenhart sah von seinem Computer auf. „Herein!“ Die Tür wurde geöffnet und Anna trat in den Raum. Sie sah sehr beunruhigt aus. „Professor, wo sind die anderen drei?“, fragte sie nervös mit ihren Fingern spielend. „Ich habe sie seit Stunden nicht gesehen. Sie sind nicht in ihren Zellen und ich kann sie weder in der Kantine noch im Freizeitbereich finden.“ Anna sah besorgt aus. Eisenhart hatte ganz vergessen ihr von den heutigen Vorkommnissen zu erzählen.
Sie musste sich den restlichen Tag große Sorgen gemacht haben. Eisenhart seufzte. „Die Drei sind auf der Krankenstation!“, meinte der Professor dann zu ihr. Anna sah ihn geschockt an. Ihr Gesicht wurde bleich. „Ihnen geht es gut. Sie schweben nicht in Lebensgefahr. Der Dämon war heute sehr gereizt und hat seine Wut an ihnen ausgelassen.“ Der Professor kratzte sich am Bart. Seine Worte beruhigten Anna kein bisschen. Sie wurde nur noch nervöser und besorgter. Eisenhart fuhr sich verzweifelnd mit der Hand durchs Haar. „Beruhige dich Anna! Den Jungs geht es gut. Sie müssen nur zur Vorsorge für heute Nacht auf der Krankenstation bleiben.“ Anna sah ihn nun skeptisch an. Das hatte sich auch nicht beruhigt. Nun schien sie dem Professor gar nicht mehr zu glauben. „Kann ich sie sehen?“, fragte Anna. „Du kannst sie morgen früh besuchen gehen! Heute müssen sie sich ausruhen. Nicht einmal ich durfte sie besuchen. Die Krankenschwestern haben es mir strengstens verboten. Sie dürfen sich nicht unnötig aufregen, weißt du. Morgen habt ihr alle einen Tag Pause. Ich setzte die Experimente erst fort, wenn es allen besser geht!“ Anna hatte sich nun etwas gefasst. Ihre Nervosität war schon fast verschwunden. Besorgt war sie aber anscheinend immer noch. Anna nickte und atmete tief durch. „Okay, dann gehe ich sie morgen früh besuchen! Wollen sie dann mitkommen Professor?“ Eisenhart nickte. „Ja, ich komme gerne mit.“
Der Professor dachte nach. Er hatte Anna immer noch nicht danach gefragt, wie sie es geschafft hatte den Dämon unter Kontrolle zu bekommen. Eisenhart sah von seinem Bericht auf und Anna tief in die Augen. Das verwirrte sie ein wenig. „Ist etwas?“, fragte Anna. „Anna, wie hast du es eigentlich geschafft den Dämon zu beruhigen?“ Anna sah den Professor überrascht an. Sie hatte die Frage anscheinend nicht erwartet. „Wie ich ihn beruhigen konnte?“, wiederholte Anna die Frage nachdenklich. Sie sprach dabei mehr zu sich selbst. Es herrschte einige Zeit Stille. Anna sah nachdenklich den Professor an. Schließlich sagte sie: „Ich weiß es nicht genau. Er hat mich die ganze Zeit angeschrien und dass auch noch aus so einem dämlichen Grund. Das konnte ich nicht nachvollziehen. Je mehr er mit mir schrie, desto unheimlicher wurde seine Erscheinung und auch die Umgebung. Das hat mich wütend gemacht! Ich konnte nicht für seine Wut, aber er wollte sie an mir auslassen. Da ist mir anscheinend der Kragen geplatzt. Ich habe den Dämon zurück angeschrien, was das soll. Das hat ihn sehr überrascht und er hat seine ganze Wut vergessen.“ Eisenhart sah sie ungläubig an. Sein Mund stand weit offen. „Du hast ihn angeschrien?“, fragte er Anna. „Ja!“, antwortete Anna während sie verlegen zu Boden schaute. „Das hatte ich jetzt nicht erwartet! Der Dämon anscheinend auch nicht. Du bist der Wahnsinn Anna. Du hast dem Dämon gezeigt, dass du keine Angst vor ihm hast.
Das ist wunderbar!“ Anna wurde rot. „Wenn Sie das meinen!“, sagte sie leise. Eisenhart konnte nicht anders. Er musste einfach lachen. Anna sah ihn erst total verunsichert an. Als sie dann aber sein breites Grinsen bemerkte, musste sie auch anfangen zu lachen. Der Professor hatte es geschafft. Er hatte Anna aufgemuntert!
***
Es war schon spät in der Nacht. Eisenhart saß immer noch an seinem Schreibtisch und dachte über den heutigen Tag nach. Der Bericht an den Vorstand war schon längst fertig und versendet. Der Professor konnte nicht schlafen. Er musste zuerst alle wirren Gedanken ordnen. Anna hatte es geschafft den Dämon zu beruhigen und die Jungs lagen auf der Krankenstation. Der Tag war wirklich nicht sehr schön. Eisenhart hatte eine Zigarette in der Hand. Er wollte sie gerade anzünden, als der Schreibtisch anfing sehr stark zu wackeln. Ein Erdbeben? Dass kann nicht sein! Eisenhart sah sich gehetzt in seinem Büro um. Außer seinem Schreibtisch bewegte sich in dem Raum nichts! Was konnte nur der Auslöser dieses Wackelns sein? Eine Erkenntnis traf den Professor wie ein Blitz. Er rutschte abrupt mit seinem Schreibtischstuhl einen Meter nach hinten, lies die Zigarette und sein Feuerzeug fallen, riss die unterste Schublade des Tisches auf und fand dann den Auslöser des Bebens vor. Das Fragment! Es wackelte bei weitem stärker als beim letzten Mal. Eisenhart versuchte die Box aus der Schublade heraus zu holen. Er benötigte einige Zeit dafür, da er sehr viel Mühe hatte es richtig fest zu halten. Der Professor stellte die wackelnde Box auf seinen Schreibtisch ab. Als er den Deckel öffnete hörte das Beben plötzlich auf. „Na sowas, wolltest du an die frische Luft?“, sagte der Professor schelmisch grinsend. Er hatte es schon längst aufgegeben mit dem Fragment zu sprechen, aber unbewusst tat er es dieses Mal wieder. Eisenhart schüttelte den Kopf. „Was willst du? Warum wackelst du immer in den unpassendsten Momenten?“ Der Professor war genervt. „Naja, egal! Das Beben ist weg, also kann ich dich auch wieder wegpacken!“ Eisenhart wollte gerade das Kästchen schließen und hochheben, als ein tiefes Lachen ertönte. Der Professor sah sich erschrocken in seinem Raum um. Wo kam das Lachen her? Hier in dem Raum war nur er, sonst niemand.
„Du wolltest doch die ganze Zeit, dass ich mit dir rede! Und nun, wenn ich mit dir Reden möchte, schaust du dich verwirrt im Raum um und fragst dich wer lacht? Was für ein dummer kleiner Mensch du bist!“, sprach eine tiefe Stimme zum Professor. Eisenhart blinzelte ein zwei Mal. Träumte er? Er schaute zum Fragment, welches in der Box lag. Es verströmte bei genauerem Hinsehen eine dunkle Aura. Es lag auf dem Fragment wie ein dichter Nebel. „Du bist der Dämon aus dem Fragment?“, fragte der Professor vorsichtig. „Aber ja doch! Wer sollte ich sonst sein. Du bist wahrlich einer der dummen Sorte von Mensch!“, antwortete der Dämon ihm genervt. „Warum möchtest du gerade jetzt mit mir reden? Willst du mit deinen Taten von heute bei mir angeben? Wenn das so ist, habe ich kein Interesse mit dir zu sprechen!“, sagte der Professor nun auch genervt. „Warum ich mit dir spreche? Du wolltest doch die ganze Zeit, dass ich zu dir ein Wort sage und nun habe ich Lust dazu!“ Man konnte die Belustigung aus der Stimme des Dämons sehr gut heraushören. „Ich möchte nicht mit meinen heutigen Taten angeben! So einer bin ich nicht. Ich möchte mich eher mit dir über dein Verhalten gegenüber einigen deiner… wie nennst du sie? Testpersonen?... Nein, eher Probanden... Ja, das war das Wort, das du verwendest! Ich möchte mich mit dir über dein Verhalten gegenüber einigen deiner Probanden unterhalten!“ Der Dämon begann nun wieder hämisch zu lachen. Eisenhart wurde wütend. Was wollte der Dämon nur mit seinen Worten bezwecken? Er ging immer sehr höflich und zuvorkommend mit seinen Testpersonen um. „Was meinst du damit, wie ich mich gegenüber meinen Probanden verhalte?“, fragte er dann den Dämon gereizt. „Was ich damit meine? Tust du nur so oder bist du wirklich so blind? Naja, ich sag es dir jetzt einfach! Du schätzt deine Probanden, welche du immer zu mir schickst, psychisch total falsch ein! Das hast du schon von Anfang an gemacht!“ Der Professor schüttelte fassungslos den Kopf. Der Dämon hatte anscheinend den Verstand verloren. Er wusste ganz genau, wie es seinen Probanden ging! Der Dämon schien seine Zweifel zu spüren, denn er fuhr gleich mit seiner Erklärung fort. „Das Beste Beispiel ist die kleine Anna! Du schätzt sie komplett falsch ein. Noch schlimmer du unterschätzt sie die ganze Zeit! Du behandelst sie nicht, wie die anderen Drei!“ Der Professor sah das Fragment nun mit großen Augen an. „Wie meinst du das?“, fragte er geschockt den Dämon. Dieser lachte wieder laut. „Du hattest von Anfang an viel mehr Angst, dass ich sie nicht akzeptieren oder töten würde, als bei den Anderen. Aber, wenn ich mir all deine Probanden so ansehe, ist sie diejenige mit dem meisten Rückgrat. Von der ersten Begegnung an, hatte sie keine Angst vor mir. Sie hat mich so genommen wie ich bin. Sie war zudem sehr höflich und zuvorkommend zu mir. Ich dachte, dass Anna total langweilig wäre, aber da habe ich mich getäuscht. Ich dachte, wenn ich ihr Angst einjage, rennt sie wie jeder schreiend und weinend vor mir davon. Aber das tat sie nicht! Heute musste ich feststellen, dass sie noch nie vor mir Angst hatte und es nie haben wird. Sie ist erstaunlich! Die Kleine besitzt einen interessanten Charakter. Die anderen drei sind auch vom Charakter her sehr interessant. Jeder von ihnen ist verschieden. Es gibt keinen, der wie der andere ist. Aber sie haben sehr große Angst vor mir. Auch ihr Psyche ist nicht die beste. Wahrscheinlich hat sie jetzt einen noch größeren Knacks nach dem heutigen Tag, als vorher. Du musst dich deswegen mehr um sie bemühen! Wenn sie nicht stärker werden, werden sie nie mögliche Kandidaten für mich!“ Eisenhart hatte dem Dämon geduldig zugehört. Auch seine Wut war verflogen. Er musste sich eingestehen, dass der Dämon mit seinen Behauptungen Recht hatte. „Du hast Recht, ich habe sie unterschätzt, aber da bin ich wohl nicht der Einzige! Du scheinst sie heute auch sehr stark unterschätzt zu haben!“, sagte Eisenhart grinsend. Es dauerte einige Zeit bis ihm der Dämon antwortete. „Ja, du hast Recht. Ich muss zugeben, sie hat anders reagiert, wie ich es erwartet habe!“ „Gib es zu, du hast die in Wirklichkeit schon entschieden, wer dein neuer Wirt wird!“, sagte der Professor entschlossen zu dem Fragment. „Nein! Ich habe mich noch nicht entschieden! Wie gesagt, alle der vier Menschlein sind sehr interessant. Die einen etwas mehr und die anderen etwas weniger. Wenn ich mich für einen entschieden habe, dann wirst du es merken!“, antwortete der Dämon entschlossen. Der Professor nickte nachdenklich. „Welche Anforderungen muss der perfekte Wirt für dich mitbringen?“, fragte der Professor. Doch er bekam keine Antwort mehr von dem Dämon.
Eisenhart wartete noch kurz, ob eine Antwort von dem Fragment kommen würde, aber es kam nichts. „Na sowas, jetzt hat er keine Lust mehr mit mir zu sprechen“, sagte der Professor kopfschüttelnd zu sich selbst.