„Hmm …“ Ifrit legt den Kopf schief, nachdem ich ihr mein Leid geklagt habe. Im Schein des Feuers glitzern ihre gelben Augen gefährlich. Sie hat das Feuer jedoch mehr oder weniger meinetwegen angemacht, nachdem meine Zähne zu sehr geklappert haben, als dass sie noch ein Wort verstanden hätte. Während sie keine Kälte zu spüren scheint, habe ich nämlich noch etwas Blut in den Adern, das gefrieren kann. Der Feuerdämon hat uns daraufhin mit einem sehr offenen Kamin versorgt. Insofern will ich mich mal nicht beschweren …
„Dieser Sir Prise ist wohl ein wieseliger Kerl. Klingt, als hätte er ordentlich Ärger mit verschiedenen Institutionen – deshalb muss er ständig eine neue Identität annehmen.“
„Ich dachte, vielleicht ist ihm … oder ihr … einfach langweilig?“
Ifrit schüttelt den Kopf. „Guck mal, ich habe auch mehr Gestalten als den Tiger und die Frau, die ich annehmen kann, ja?“
„Ja.“ Ich nicke ernst.
„Und nutze ich die? Nein! Weil ich mich mit den Formen wohl fühle und man nun mal faul ist und bei seinen liebsten Gestalten bleibt. Sonst muss man sich so viel umgewöhnen. Manchmal passiert es mir, dass ich Dinge greifen will, weil ich vergesse, dass Tiger keine Daumen haben. Oder umgekehrt, ich nehme einen Bissen von meinem Fleisch und erinnere mich, dass ich viel kleinere Kiefer habe als sonst. Verwandlungen klingen auf dem Papier ja super, aber sobald man ein wenig unkonzentriert ist, wird es nervig.“
„Verstehe.“ Ich seufze.
„Deshalb nutze ich die nur im Kampf“, fährt der Tiger fort. „Aber auch das muss man trainieren. Nein, dein Dämon ist auf der Flucht. Zuletzt hast du offenbar die Götter auf die Gestalt von Miss Fortune aufmerksam gemacht, worauf er sich wieder verkleiden musste.“
„Wie auch immer.“ Eigentlich interessiert es mich gar nicht, was mein Auftraggeber für Dreck am Stecken hat. „Jetzt muss ich irgendwie an einen Becher voll Angst kommen!“
Ifrit schnaubt. „Ich könnte wetten, das ist richtig einfach.“
„Einfach?“, empöre ich mich. „Das ist ganz sicher alles andere als einfach!“
„Natürlich ist das leicht.“
„Alles andere als das. Oder gibt es die Becher vielleicht irgendwo zu kaufen?“
„Das vielleicht nicht, aber ich weiß, wo man einen herbekommt.“ Sie grinst.
„Woher?“
„Zuerst musst du deine Wettschulden abarbeiten.“
„Häh?“ Rasch gehe ich unser Gespräch nochmal durch. Wann habe ich mit ihr …? „Oh. Du hast ‚Ich könnte wetten …‘ gesagt, und ich bin darauf hereingefallen.“
Ifrit nickt mit geschlossenen Augen und zufriedenem Grinsen. „Auch nach all den Jahren noch!“
„Ich habe gerade auch wirklich andere Probleme“, meckere ich. „Können wir die Schulden auf später verschieben?“
Ifrit grinst noch breiter. „Was denkst du?“
Der Vorteil davon, mit einem Dämon befreundet zu sein, besteht darin, dass er meine Seele niemals auffressen würde. Der Nachteil ist, dass es immer noch ein Dämon ist. Und Dämonen neigen dazu, Ärger zu machen.
Ich stöhne auf. „Ifrit! Ich habe nur sechs Tage …“
„Dann beeilst du dich besser damit, der Zahnfee ein paar Zähne abzuluchsen!“
Ich starre den Feuerdämon an und blinzele ein paar Mal, ehe ich antworte: „Erstens: Ich bin kein Luchs. Zweitens: Ernsthaft? Zähne?!“
„Die sind für meine Sammlung.“ Der Tiger leckt unbeteiligt über eine große Pranke.
„Ich habe wirklich keine Zeit für einen Diebstahl-Nebenplot!“
„Dann mach keinen riesigen Plot daraus – ein Kapitel würde sicher reichen. Dann hast du noch … wie viel? Über zwanzig Kapitel sicher!“
„Ja, schon … Aber ich habe auch eine Tagesdeadline. Und ich muss einen Becher voll Angst kriegen!“
„Wie gesagt, das wird nicht so schwierig. Ich kann dir sagen, wie du an einen geeigneten Becher kommst, der Angst aufnehmen kann. Und dann musst du nur noch Angst da rein kriegen. Kein Problem, ehrlich!“
„Na, wenn du das sagst …“ So ganz bin ich noch nicht überzeugt.
Ifrit hebt den Kopf von ihrer Pranke. „Ich verspreche es dir, Wolf.“
Das ist mal etwas! „In Ordnung. Und die Zähne werden mich nicht viel Zeit kosten?“
„Du musst nur ein paar Zähne klauen. Das sollte nicht lange dauern.“
„Klar. Alltäglicher, kleiner Zahndiebstahl.“ Ich schüttele mich. „Menschenzähne?“
„Natürlich Menschenzähne. Es gibt keine Zahnfee für Katzen. Oder Haie. Die käme ja nie hinterher!“
„Und dafür“, hake ich sicherheitshalber nach, „hilfst du mir, den Becher zu kriegen?“
„Ich werde nicht für dich bezahlen.“ Der Tiger grinst. „Aber ich zeige dir ein Wurmloch zu der Frau, die dir den Becher geben wird.“
„Na gut.“ Das klingt so weit alles sehr solide. Begeistert bin ich trotzdem nicht, aber ich bin ja hergekommen, um mehr zu erfahren. Und jetzt weiß ich mehr und muss nicht weiter sinnlos durch die Welten rennen. Im Endeffekt spare ich also Zeit!
Während ich mir das alles einrede, streckt sich der Tiger gemütlich und rollt sich auf den Rücken. „Du hast noch etwas Zeit, bis es dunkel wird. Dann solltest du im nächsten Dorf sein. Das Kind, dessen Zähne du klauen sollst, wohnt im großen Rathaus.“
„Ich habe auch noch ein spezielles Ziel?!“
„Klar. Ich will die Zähne ja, um die Tochter des Bürgermeisters zu manipulieren.“
„Ich dachte, für deine Sammlung!“
„Ja – für meine Sammlung an magischen Voodoo-Items verschiedener Menschen, damit ich durch deren Augen beobachten kann, was das Dorf wieder mal an Angriffen gegen die Dämonen und Vampire plant.“ Der Tiger räkelt sich. „Eine Qualitätsfaulheit wie die meine will durch die richtigen Vorsichtsmaßnahmen erkauft werden! Ich muss die Leute im Blick behalten.“
„Aber du tust dem Kind nichts?“, frage ich besorgt.
„Nichts, Ehrenwort. Das würde die Priester nur auf meine Spur bringen.“
„Na gut.“ Wenn es einen logischen Grund wie diesen gibt, wird Ifrit sich wohl auch an das Versprechen halten. Außerdem bedeutet ihr Ehrenwort viel. Dämonen haben erstaunlich oft einen starken Moralkodex. Darauf tauchen nur so Dinge wie Nächstenliebe nicht auf.
Jedenfalls scheint es nicht, als könnte ich hier viel Schaden anrichten. Also muss ich wohl diese Sidequest abschließen, und kriege danach den Becher.
Und dann sollte es einfacher werden!