Nachdem Michael mit Mirko heimgefahren war, ging er nicht wie üblich mit ins Haus. "Ich komme gleich, Mirko!" Er lief in den Blumenladen und kaufte einen schönen Blumenstrauss und dann noch drei Packungen von Mirkos Zigarettenmarke und kam damit zurück. Stolz überreichte er Mira den Blumenstrauss und Mirko die Zigaretten. "Aber du sollst uns doch nichts kaufen, Michael! Jetzt hast du dir zum ersten Mal richtig Geld verdient und dann gibst du es für uns aus!" - "Ohne euch, hätte ich es nie verdient und ich habe mir immer schon vorgenommen, dass ich euch was schenke von meinem ersten selbstverdienten Geld. Wenn es auch nichts Großes ist, aber es ist ein kleines Dankeschön! Ohne euch wär ich ein Nichts! Das weiß ich und ich bin euch sehr dankbar. Ich weiß genau was ich euch verdanke, auch wenn ich noch nicht erwachsen bin. Wenn aus mir mal was wird, verdanke ich das euch. Ich merke mir das! Und irgendwann, geb ich euch alles zurück!"
Nachdem sie gegessen hatten, ging er heim. Seine Mutter nahm kaum Notiz von ihm. Sie hatte aber wohl heute mal gewaschen und gebügelt, wozu sie sich nur selten aufraffte. Mittlerweile aber lag sie wie immer vor dem Fernseher und schimpfte über das Programm. "Wieso grinst du so blöd?" Michael, der ihr ursprünglich eigentlich alles erzählen wollte, hatte zwar keine Begrüßung erwartet, aber diese Worte schmerzten ihn schon. "Das sag ich dir nicht, denn du würdest es sowieso nicht verstehen!" - "Werd ja nicht frech, Bürschchen, ich bin immer noch deine Mutter!" - "Was bist du? Eine Mutter? Du? Du bist nie eine Mutter gewesen! Meinem größten Feind wünsch ich nicht, so eine Mutter zu haben! Du bist nicht mal eine Witzfigur, denn dann hätte ich wenigstens was zu lachen! Du bist das Allerletzte. Du hast dich mein ganzes Leben nicht um mich gekümmert, also lass mich jetzt gefälligst auch in Ruh! MAMA!" Er verließ das Haus mit einer laut knallenden Tür. Was dachte die sich eigentlich? Den Vater stehen lassen, ihm den Sohn entziehen und diesen Sohn aber gar nicht wollen, geschweige denn lieben! Aber um ihn zu schikanieren, dazu war sie "Mutter" genug. Ein vierzehnjäriger, recht vernünftiger Junge musste raus aus diesem Haus, um nicht auszurasten. Er war noch nie so frech gewesen zu ihr, aber heute hatte sie etwas zerstört! Oder aber heute hatte sie ihm bewusst gemacht, dass sie keines Gefühls für ihn fähig war. Er streifte ein paar Stunden umher und kam schließlich kurz vor Mitternacht heim. "Ah! Der verlorene Sohn kehrt heim! Solange du deine Beine unter meinem Tisch..." - "Weißt du was, Mutter? Du kannst mich mal am Arsch lecken! Du bist nicht nur strunzdumm, du bildest dir offenbar noch was drauf ein! Man kann beim besten Willen nur froh sein, dass sich kein zweites Mal ein Idiot gefunden hat, der blöd genug war, dich zu schwängern! Und jetzt lass mich in Ruhe, ich muss schlafen gehn!
Michael fragte sich im Nachhinein, ob er schon jemals so etwas gemeines gesagt hatte. Wahrscheinlich nicht, aber es hatte raus gemusst. Der absolute Höhepunkt und auch Wendepunkt seiner Jugend, kam am nächsten Tag so unvermittelt, dass er erst sehr viel später realisierte wie nachhaltig sich sein Leben veränderte. Er war in der Früh mit Mirko zur Arbeit gefahren und war gerade damit beschäftigt die Werkstatt zu fegen, als ein Kollege mit dem Stapler eine Gußform hereinfuhr. Er streifte dabei den Schaltkasten einer Kunststoffausformungsmaschine, welcher umstürzte und auf die alte Fräse fiel. An der Fräse hatte Horst Schliermann gerade probiert, ob die Absaugung wirklich schönere Oberflächen bedingte. Der Schaltkasten traf ihn Gottlob nicht, aber aus dem Schaltkasten hatte sich ein stromführendes Kabel soweit gelöst, dass derselbe nun samt der Fräse unter Strom stand und damit auch Schliermann. Alle waren geschockt, keiner traute sich, ihn anzufassen, bis Michael blitzschnell seinen Besen umdrehte und versuchte, ihn weg zu stoßen. Aber Schliermann konnte die stromführende Fräse nicht loslassen! Michael fasste sich ein Herz und schlug voll mit dem Besen auf seinen Unterarm! Schliermann fiel um wie ein leerer Sack. "Wo sind die Sicherungen? Schaltet den Stom ab!" rief Michael, der immer noch den Besen umklammert hielt. All das hatte sich in wenigen Sekunden abgespielt. Frau Stöckl rief indessen den Notarzt, Mirko nahm die Sicherungen raus und Michael kniete sich zu Schliermann nieder um seinen Puls zu fühlen. Allerdings an der gesunden Hand. Die andere wies nicht nur Verbrennungen auf, sie stand auch in einem ungesunden Winkel vom Ellenbogen ab. Tatsächlich schlug das Herz des armen Mannes noch und als der Notarzt eingetroffen war, war der Ingeneur auch wieder bei Sinnen, wenn auch schwach. Er wurde erstversorgt und in die Rettung verbracht. Michael lief neben der Trage her und versuchte sich für den brutalen Einsatz des Besens zu entschuldigen. "Es tut mir leid!" rief er. "Mir nicht, Micha! Das hast du gut gemacht!" Am folgenden Tag lautete eine der Schlagzeilen: "Praktikant bricht seinem Chef den Arm... und rettet ihm damit das Leben!"