Galileo ging mit mieser Laune den gewundenen Bergpfad nach unten. Unten konnte er bereits Lucy sehen, die den Platz von Scaramouche und Oskar freigeräumt hatte.
„Bereit?“, fragte er sie, als er angekommen war. Lucy sah zu ihm auf: „Können wir Oskar mitnehmen?“
„Natürlich nicht!“, entfuhr es Galileo: „Warum sollten wir? Scaramouche nehmen wir doch auch nicht mit!“
Den letzten Satz sagte er nur, um zu sehen, wie sich Lucys Miene verdüsterte: „Sie heißt Diana!“
„Diana ist ein langweiliger Name!“, sagte Galileo und sah das Dreihorn an, das den Streit desinteressiert beobachtete. Scaramouche konnte sich nicht weniger darum kümmern, wie man sie im Endeffekt nannte.
Galileo streichelte sie und gab ihr eine handvoll Gras, weil er wusste, wie sehr Lucy ihn dafür hassen würde. Das Dreihorn mochte das Mädchen nicht und weigerte sich, ihr aus der Hand zu fressen. Vermutlich einfach, weil Lucy mehr Zeit mit Oskar verbrachte und nach Raubsaurier roch.
„Gehen wir“, fauchte sie, und drehte sich um, ohne auf Galileo zu warten.
Er mochte es, das kleine Mädchen auf die Palme zu bringen.
Sie vergaß den Ärger bald, während sie durch die Wälder um den Fuß des Berges streiften und nach einem möglichen Mittagessen Ausschau hielten. Die Jäger brauchten ihre Konzentration, denn hier draußen lauerten Gefahren.
Seite an Seite arbeiteten sie sich durch hohes Farbgestrüpp und zwischen den breiten Stämmen der bulkigen Bäume hindurch. In einiger Entfernung hörten sie das Hämmern provisorischer Steinäxte. Dort arbeiteten Kassia, Foxy und Ashley daran, Holz zu beschaffen.
Galileo und Lucy hielten sich fern von den Geräuschen. Sie wollten die Tiere jagen, die von dem Lärm verschreckt wurden. Thanatos und Nokori würden sich um die Monster kümmern, die von dem Lärm angelockt wurden.
Sie brauchten nicht lange, um eine Gruppe Parasaurier zu finden. Die Tiere waren doppelt so hoch wie ein Mensch und hatten ein, dafür, dass sie vollkommen harmlos waren, erschreckend drachenähnliches Aussehen. Ihr Rücken war geriffelt wie von einem sehr flachen Rückensegel, sie hatten ein langes Horn, das ihren Hinterkopf verlängerte und kleine Hautlappen wie Schnurrhaare um das breite Maul.
Eine Gruppe von dreien dieser Wesen lief Galileo und Lucy beinahe in die Arme, als die Tiere vor dem seltsamen Lärm im Wald flohen. Sie richteten bei der Flucht den Blick nach hinten, indem sie den Kopf schief stellten, und bemerkten die Jäger nicht. Diese tauschten einen kurzen Blick und wählten stumm ein Tier der Herde aus. Mit ihren Zwillen brachten Lucy und Galileo das Opfer zu Fall.
Der Parasaurus stolperte und fiel bewusstlos auf den Boden, die beiden anderen stürmten an den Jägern vorbei, ohne auf den Vorfall zu reagieren.
Der gefällte Pflanzenfresser tat Galileo fast leid. Er zuckt noch ein wenig mit eine kurzen, niedlichen Vorderpfote.
„Erledige du ihn“, befahl er Lucy: „Ich halte Wache.“
Er delegierte die unangenehme Aufgabe nur zu gerne. Lucy schien das nichts auszumachen.
Während sie sich neben das Tier kniete, wandte Galileo den Blick demonstrativ dem Wald zu. Vielleicht waren ja irgendwelche gefährlichen Saurier in der Nähe.
Er wurde misstrauisch, als Lucy seiner Meinung nach zu lange brauchte.
„Was tust du da?“, fragte er und drehe sich um, nur um zu sehen, wie sie dem Parasaurus verstohlen ein paar Beeren ins Maul stopfte.
„Was tust du da!“, schrie Galileo nochmals und explodierte: „Bist du von allen guten Geistern verlassen?“
Er zerrte Lucy von dem Saurier weg und schnappte sich mit einem Griff so viele Beeren, wie er zu fassen bekam.
„Hey!“, beschwerte sich das Mädchen: „Ich war fast fertig!“
Galileo packte den Speer, den er von Thanatos bekommen hatte, und stieß ihn mitten in den Hals des Dinosauriers, so heftig, dass das Holz splitterte.
Keuchend vor Wut drehte er sich zu Lucy um: „Mach das nie wieder, kapiert? Wir brauchen nicht noch mehr von den Viechern. Wir brauchen Fleisch!“
Lucy taumelte einen Schritt zurück: „Okay, Spaßverderber!“
Galileo fand nicht, dass sie erschrocken genug wirkte, aber das konnte ihm auch egal sein. Er kniete sich hin und nutze eine behelfsmäßige Axt, um den Dino zu zerlegen.
„Hol die Tasche“, knurrte er Lucy an: „Und wenn du das Fleisch zurück bringst, sammelst du so viele Beeren ein, wie du eben vergeudet hast.“
Lucy murrte irgendwas, holte aber den Lederbeutel und ließ Galileo das Fleisch einfüllen. Normalerweise trug er das Fleisch zur Basis und Lucy blieb bei der Beute. Heute war Galileo aus irgendeinem Grund danach, das Mädchen laufen und schleppen zu lassen.
Als sie gegen Mittag beide blutverschmiert zurück gingen und die Basis erreichten, hob Thanatos eine Augenbraue, als er Galileo unbewaffnet und Lucys mürrischen Gesichtsausdruck sah.
„Ich brauche einen neuen Speer“, meldete Galileo knapp an und ließ sich vor das Feuer fallen. Noch hatte Niemand das Fleisch zum Braten fertig gemacht, also machte er sich selbst daran, die Stücke zu waschen und dann auf einem Spieß über das Feuer zu halten.
Wenig später ließ sich Henry neben ihn plumpsen: „Ich habe einen Mordshunger!“
„Und ich erst“, pflichtete Galileo ihm bei. Beim Essen nahm er sich fast doppelt so viel wie alle anderen (Henry ausgeschlossen), aber das ging ihm ziemlich am Hinterteil vorbei, denn im Moment war er einfach nur hungrig und wütend darauf, dass man Lucy keine zwei Sekunden aus den Augen lassen konnte. Die schiefen und fragenden Seitenblicke der anderen ignorierte er gekonnt.