Die Nacht senkte sich kalt über das Land. Foxy war erleichtert, als es endlich dunkel wurde, denn das markierte das Ende ihrer Arbeit. Selbst Thanatos musste anerkennen, dass man in stockdunkler Nacht keine Beeren sammeln konnte.
Außerdem war mit Kassia heute nichts anzufangen gewesen. Die andere Sammlerin war abgelenkt und übermüdet. Das hatte ihre monotone Arbeit noch langweiliger und anstrengender gemacht.
„Wir können zurück“, sagte Foxy.
„Hm?“, fragte Kassia und sah auf.
„Es wird dunkel. Wir können zurück“, wiederholte Foxy.
„Oh. Ja. Endlich!“ Kassia rieb sich über die Stirn. Foxy schüttelte leicht den Kopf und schulterte ihren Korb.
Es war eine magere Ausbeute, die kaum für den nächsten Tag reichen konnte. Beide Körbe waren nur zu zwei Dritteln voll, und das war die ganze Ernte des Tages. Früher hatten sie die Körbe mehrmals am Tag im Lager ausleeren können. Foxys Muskeln protestierten, während sie die Last auf ihren Rücken schob.
„Thanatos wird nicht gerade zufrieden sein“, murmelte sie. Kassia hatte diesmal zugehört und nickte.
„Was hältst du von ihm?“, fragte Kassia unvermittelt. „Von Thanatos.“
„Ich weiß nicht“, antwortete Foxy, von der Frage überrumpelt. „Er ist streng, okay, aber ansonsten würden wir vermutlich nicht genug finden, um zu überleben. Es tut nur, was das Beste für uns ist.“
„Ja, aber weiß er das auch?“, fragte Kassia.
Auf die kryptische Frage wusste Foxy keine Antwort, aber Kassia schien sie auch nicht zu erwarten. Sie trottete weiter.
Plötzlich viel Foxys Blick auf etwas seitlich am Wegesrand.
„Hey, da sind noch Beeren!“
Kassia blieb schwankend stehen, während Foxy den Korb absetzte. Unter einem Busch hatten sich mehrere Beeren vor ihnen versteckt.
Kassia unterdrückte ein Gähnen und wollte sich stöhnend neben Foxy hocken.
„Nein, warte. Ich habe eine bessere Idee“, sagte Foxy. „Wir füllen ein paar Beeren aus meinem Korb in deinen. Dann kannst du Nokori schon mal sagen, dass ich gleich nachkomme.“
Nokori, die ihre Beschützerin geworden war, machte sich jedes Mal Sorgen, wenn sie mit Thanatos trainierte, statt die Umgebung der Sammler zu überwachen. Aber sie konnte auch nicht auf noch mehr Schlaf verzichten, also hatten sie sich darauf geeinigt, dass Nokori sie für die letzten Stunden des Tages verließ.
Kassia nickte. Nokori füllte den Korb der Anderen auf, sodass sie selbst mehr Platz für Beeren hatte. Gähnend schwankte Kassia davon. Foxy hatte ihr auch nicht zumuten können, noch länger auf den Beinen zu bleiben.
Sie fragte sich, was Kassia in der Nacht bloß getan hatte, dass sie jetzt so müde war.
Wachsam ließ sie sich neben dem kleinen Busch nieder und sammelte die Beeren daran hastig auf. Es war ein guter Fund gewesen, bald türmte sich der Inhalt über den Rand des Korbes. Foxy schob die Beeren mit den Fingern so zur Seite, dass möglichst wenige herunter fielen. Es wurde schnell dunkel. Schon war es nicht mehr möglich, die harmlosen Beeren von den Narcobeeren zu unterscheiden. Obwohl es noch einige Beeren gab, musste Foxy zurückkehren. Ächzend lud sie den schweren Korb auf ihren Rücken.
Sie taumelte unter dem neuen Gewicht, schaffte es aber, vorwärts zu gehen. Mit schwerem Atem kämpfte sie sich durch das Gebüsch und riss sich von Dornen und Zweigen los.
Die Bäume waren dunkle Schatten vor dem etwas helleren Waldhintergrund. Foxy wich dem blassen Schimmer von Pfützen aus, hatte aber trotzdem bald nasse Füße. Es war eine verhangene Nacht und sie konnte kaum eine Handbreit sehen. Langsam wurde ihr der Wald unheimlich.
Sie ging grob in die Richtung, in der das Lager sein musste. Nach einer ganzen Weile fand sie, dass sie eigentlich schon längst hätte dort sein müssen.
Sie setzte den Korb ab und wischte sich Schweiß von der Stirn. Dann streckte sie den schmerzenden Rücken.
Sie sah sich um und lauschte. Aber sie sah nur die fremdartigen Formen von Ästen, und hörte nur das Quaken und Quieken der Sumpfbewohner.
Foxy weigerte sich zuerst, sich zu fürchten. Sie begann, ihre Umgebung systematisch abzusuchen und immer größere Kreise zu ziehen. Aber sie fand keine Spur von Leben, sah weder den Feuerschein, noch hörte sie die Stimmen ihrer Freunde.
„Das darf doch jetzt nicht wahr sein! Verdammte Scheiße!“, fluchte sie.
Der Korb wurde immer schwerer. Schließlich musste sie sich eingestehen, dass sie sich verirrt hatte. Der Mond hing schon hoch am Himmel.
Ob die anderen nach ihr suchten? Inzwischen sicherlich. Foxy ließ sich samt Korb auf eine kleine Insel fallen.
Durch ihren Kopf huschte all das, was sie über den Sumpf und die Lebewesen hier wusste – wie groß und gefährlich die Tiere hier waren. Sie kauerte sich enger zusammen, als sie über Schwärme großer Mücken und riesige Krokodile nachdachte, die nur eine Armlänge entfernt sein könnten. Die Bäume rauschten über ihr und es klang wie Spott. So weit waren sie zum Sammeln überhaupt nicht gelaufen, aber sie hatte den Weg zurück trotzdem nicht gefunden.
„Du musst aber auch immer alles alleine machen wollen, du dumme Kuh!“, schimpfte sie mit sich selbst. Dann schlang sie die Arme um die Knie und drückte die Beine vor die Brust. Es wurde kalt. Ihre Atemwolke war ein hellerer Nebel in der Düsternis.
Sie hatte sich vollkommen verirrt.