Vom 21.03.2021
Nachgeschrieben am 22.03.2021
»Daniel, du liegst jetzt zwei Sekunden zurück.« Die Stimme kommt aus dem Ohrstöpsel. Sie ist gut zu hören, obwohl der Motor des Wagens kreischend die Umgebung erfüllt. Die Anzeige am Lenkrad, die LED´s zeigen die Drehzahl des Motors an, sobald sie rot sind, schaltet Daniel in den nächsten Gang.
290 Kilometer pro Stunde. Tendenz steigend, er befindet sich auf der Geraden. Hier kann man völlig ausfahren, bis zu Schmerzgrenze. Daniel muss aber aufpassen, am Ende wartet eine Schikane und er muss in den zweiten Gang.
»Verstanden«, erwidert der junge Fahrer. Er ist noch nicht lange dabei, aber Talent hat er, keine Frage und er lernt schnell. Er ist schon jetzt ein Wunderkind. Im laufe der Saison hat er diesen Zirkus gehörig auf den Kopf gestellt und wurde somit zum Favoriten. »Könnt ihr noch etwas an den Einstellungen basteln?«, fragt er, während er mit etwa siebzig die Haarnadelkurve entlang fährt. »Nein, du musst jetzt so auskommen. Bleibt einfach dran und fahr die Gänge aus.Vermeide die Curbs, die machen dich nur langsam.«
Die langgezogene Kurve kurz darauf, erlaubt es ihm in den vorletzten Gang zu fahren. Wie so oft verliert er den Blick für die Umgebung. Sie existiert gar nicht, oder kaum, sie ist ein verschwommener Streifen. Manchmal ist er so in der Strecke gefangen, dass er er kaum noch selbständig lenkt, sein Unterbewusstsein hat dann die Kontrolle übernommen. Dort ist jede Unebenheit gespeichert. In welchem Gang er die Kurve nehmen muss. So kann es auch mal passieren, das er seine Teammitglieder über Funk gar nicht mehr wahr nimmt.
»Was sagt der Motor und die Reifen?« Kurze Pause, statisches Rauschen. »Alles im grünen Bereich.« In der Leitung räuspert sich jemand. »Daniel?« Er antwortet nicht. »Mach das nicht. Das Risiko ist zu hoch. Ja, die Reifen sind im grünen Bereich, aber du hast sie seit 15 Runden drauf.« In "Tage des Donners"hat der Hauptcharakter ein Problem. Er kann fahren, ja, aber die Reifen leiden unter seinem Stil. So ähnlich ist es mit Daniel. Manchmal brauch er die Erlaubnis dafür. Dann holt er aber auch alles aus der Maschine heraus. Dafür leiden die Reifen, enorm. Es sind aber nur noch drei Runden zu fahren. Wenn er gewinnt, dann es durch, als sogenannter Grünschnabel, wie noch gern bezeichnet wird, geht er in die Geschichte ein.
Erneut räuspert sich jemand am anderen Ende. »Okay. Gib alles, selbst wenn der Motor explodiert.« Kein schöner Gedanke. Er befindet sich nur wenige Zentimeter hinter der Fahrerkabine. Für Daniel ist es, als würde man ihm die Erlaubnis erteilen, etwas sehr kostbares zu Schrott zu fahren. »Alles klar«, antwortet er und er legt einen Schalter in seinem Kopf um. Es entfesselt ihn. Die Strecke ist anspruchsvoll und der Fahrer vor ihm ist kein Anfänger. Es hat sich sogar eine regelrechte Rivalität entwickelt. Sie sind mit den Punkten gleich. Wer gewinnt, darf auf das Podium. Das in der Mitte. Auf dem die EINS steht.
Er steuert nach rechts. Das Lenkrad des Formel 1 Boliden hat am oberen Rand eine Aussparung. So groß wie eine Murmel. In einem speziellen Winkel kann er auf eine kleine Schildkröte blicken, die aus Glas ist. Es ist ein Geschenk seiner Freundin. Ein Souvenir aus Spanien. Sie hat es auf einem Markt gekauft. Es gibt auch noch ein Video dazu. Dies zeigt wie sie gemacht wurde.
Es ist sein Glücksbringer
Er und der andere Fahrer geben Stoff. Treiben ihre Maschinen zu Höchstleistungen an. Im Windschatten zieht sich Daniel nach vorne, verkürzt die Distanz, dann verlässt er ihn und rast auf die gleiche Höhe. Das Ziel ist nicht mehr weit entfernt.