Sophie suchte sich noch einige Dokumente zusammen, die sie sie für morgen brauchte. Ein kurzer Blick auf ihre Armbanduhr sagte ihr,
das Frau Gerke gleich da sein würde. Deshalb war sie heute erst
gar nicht nach Hause gefahren. Über das Treffen mit der Mutter
eines ihrer Schützlinge freute sie sich wirklich, sie war sehr nett.
Der Anlass war nur leider genau das Gegenteil. Jonas war ein
richtiger Wirbelwind und eigentlich hatte Sophie nichts dagegen einzuwenden, ihr waren aufgeweckte Kinder lieber, als ein
sogenannter Trauerklos, doch mit diesem Verhalten, störte
er oft den Unterricht. Sie öffnete im Buch die passende Seite
und verglich sie mit den Arbeitsblätter, die sie auf das Pult
legte. Die Blätter für die Klassenarbeit am Freitag verstaute
sie in der Schublade, kurz überlegte sie, ob sie etwas
vergessen hatte, da klopfte es an die Tür.
"Herein", sagte sie und eben diese öffnete sich. Eine junge
Frau trat hinein. Die schulterlange Frisur bestand aus
brünetten Locken, auf den Lippen ein freundliches Lächeln.
Blau-grüne Augen sahen Sophie an.
"Frau Gerke, schön das Sie es einrichten konnten."
Sophie streckte ihr die Hand entgegen, die ihr
Gegenüber schüttelte.
"Kein Problem", erwidete die brünette. "Bitte, setzen
Sie sich doch", zeigte Sophie auf einen Stuhl, den sie
vorhin aus dem Lehrerzimmer geholt hatte, ihren
Stuhl schob sie gegenüber und wartete, bis der Gast
platz nahm.
"Aber sagen Sie mir doch, was hat Jonas diesmal angestellt?"
Auf der Stirn von Frau Gerke entstanden Sorgenfalten.
"Na ja, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber ist ein
Traumtänzer und ein Wirbelwind. In der einen Minute ist er
abwesend und in der anderen ist er kaum zu bändigen."
Während Sophie berichtete, hörte Hannah aufmerksam zu.
"Können Sie sich das Verhalten irgendwie erklären?"
"Seine Großmutter ist vor einer Woche gestorben. Es hat
ihn getroffen, er hat sie wirklich geliebt." Sophie nickte
verständnisvoll und bemerkte die feuchten Augen.
"Ich verstehe", sagte sie, bückte sich nach ihrer Tasche
und brachte Taschentücher zum Vorschein.
"Danke." Hannah trocknete sich die Wangen. "Es hat uns
alle so überraschend getroffen, es hatte keinerlei Anzeichen
dafür gegeben, sie war Fit wie ein Turnschuh, für ihr alter."
Sophie nickte erneut und sagte: "Mein herzliches Beileid."
Diesmal war es Hannah die nickte. "Ich schlage vor,
Sie lassen Jonas noch für eine Woche zu Hause, damit
er es verarbeiten kann. Die Hausaufgaben kann ich Ihnen
per E-Mail schicken."
"Meinen Sie das es helfen könnte?" Ein warmes Lächeln
zierte Sophies Lippen. "Davon bin ichfest überzeugt."
Die beiden Frauen sprachen noch eine Weile miteinander
und hielten dann fest, Jonas die Zeit zu geben. Sie
verabschiedeten sich voneinander. Die Tür war gerade
in den Rahmen gefallen, da sank Sophie in ihren Stuhl und
diesmal wurden ihre Augen feucht. Sie vermisste Hannah
schon jetzt. Ihr ihre Liebe zu gestehen war kein guter
Zeitpunkt. Sie würde warten, aber es schmerzte. Sie wollte
Hannah lachen sehen.