Direkt am Montag Morgen begann die neue Weckregel.
Zwar war ich mir Sonntag Abend darüber im Klaren gewesen und hatte mir den Wecker auf 6:28 und Vibration gestellt, damit er nicht davon aufwachte, allerdings dauerte es etwas, bis ich die Vibration wirklich als Weckzeichen verstand und schreckte erst von Nathans Wecker auf. Ich sprang hoch und kniete mich sofort auf seine Bettseite. Es war nicht besonders hell, aber er hatte gesehen und gehört, dass ich noch nicht gekniet hatte, als sein Wecker ging. Er machte das Licht an und gähnte. Dann sagte er: "Ich muss daran denken, dir heute Abend eine Decke auf den Boden zu legen. Du wirst auf ihr Schlafen, damit den Weg nicht so lang ist und du auf jeden Fall kniest, wenn mein Wecker klingelt."
Immerhin hatte er was zu mir gesagt.
Ich senkte beschämt den Blick. Nath kam immer gut aus dem Bett. Ich folgte ihm krabbelnd zum Badezimmer. Er ging rein und schloss die Tür, also ging ich vor der Tür in Warteposition.
Ich durfte nicht einschlafen.
Ich kniete also auf dem Boden und hörte wie er Zähne putzte, zur Toilette ging und schließlich kurz unter die Dusche sprang. Als er rauskam trug er nur ein Handtuch um die Hüfte. Ich folgte ihm zu seinem Kleiderschrank, wo er das Handtuch abnahm und das feuchte Tuch in mein Gesicht schmiss, als wäre ich ein Stuhl, über den man sowas ablegen kann. Wenigstens roch es nach seinem Duschgel.
Gedemütigt schloss ich die Augen und versuchte nicht vor Müdigkeit wieder einzuschlafen, bis er das Handtuch wegnahm. Ich folgte ihm wieder auf allen Vieren, mittlerweile taten meine Knie und Handgelenke ein wenig weh. Vor dem Badezimmer legte er es mir um den Hals. "Häng es auf. Komm dann in die Küche."; befahl er.
Ich erinnerte mich an seine Anweisung gestern Abend und bleib artig unten auf dem Boden, während ich das Handtuch ins Badezimmer brachte und dann in die Küche kam.
Er lächelte. Es war furchtbar hell und ich hasste ihn dafür, dass er mir das antat.
Ich hasste es früh aufzustehen.
Er hatte begonnen Frühstück vorzubereiten.
Und ich kniete auf dem Boden und wünschte mir einfach zurück in mein Bett zu gehen. Aber das gehörte eben auch dazu, wenn man in einer Beziehung wie dieser lebte.
Er setzte sich mit seinem Frühstück an den Tisch und ich krabbelte brav neben ihn und nahm wieder die Warteposition ein.
Er beachtete mich gar nicht und begann Zeitung nebenher zu lesen. Er war der einzige Mensch in meinem Alter, den ich kannte, der Zeitung las.
Aber er tat es eben.
Und ich musste neben ihm knien, ich fand es furchtbar langweilig.
In der Zeit hätte ich auch schlafen können oder zumindest in einem gemütlichen Morgenmantel auf dem Sofa sitzen und meinen Kaffee trinken können.
Aber er gab mir keinen Kaffee.
Er stand auf und bereitete mir einen Teller mit Obst und einer Portion Haferflocken vor.
Sein Vater hatte mal, als Nath noch jünger gewesen war, einen Herzinfarkt gehabt, deswegen war er ziemlich penibel was meine Ernährung betraf. Ich war natürlich noch immer brav am Boden. Er ging in den Flur und ich folgte ihm. Seine aufrechte Haltung war selbst am frühen Morgen schon anmutig und es turnte mich ziemlich an. Er zog sich seine Schuhe an und legte sich seinen Mantel um.
Dann nahm er seine Tasche. "Du wirst frühstücken, dich fertig machen, mir ein Bild von deinem Outfit schicken und dann selbst zur Arbeit gehen. Ich erwarte von dir, dass du mich fragst, bevor du zur Toilette gehst. Wenn du nach Hause kommst und vor mir da bist, wirst du Wäsche waschen und danach hast du Freizeit. Ich erlaube dir folgende Aktivitäten: entweder liest du, oder du schreibst selbst ein bisschen was, oder du zeichnest. Wenn du Medien nutzen willst - außer um Kontakt zu mir zu halten - wirst du mich fragen. Hast du das verstanden?" Ich nickte.
"Gutes Mädchen. Heute Abend wirst du mir aber immer auf alle Fragen antworten. Mit deiner Stimme. Ich verzeihe dir, weils so früh ist."
"Danke", sagte ich und gähnte.
Er lachte.
Ich beugte mich und küsste seine Schuhe zur Verabschiedung. "Dein Outfit hängt am Schrank", sagte er und küsste meinen Kopf sanft. Dann ging er.
Und ich blieb zurück mit meinen Haferflocken und meinem Outfit und dem Gefühl, ihn jetzt schon ganz doll zu vermissen.
Ich machte mich also ebenfalls fertig und schickte ihm ein Bild von meinem Outfit. Er antwortete, dass ich ganz bezaubernd aussehen würde.
Ich musste ein bisschen lächeln, wie ich da stand, in einem Outfit, was er mir ausgewählt hatte.
Die von außen definitiv schräg aussehende Kleiderordnung, schließlich bekamen die meisten nicht mehr ihre Kleidung rausgelegt, seit sie fünf waren, hatte bei mir zu extrem viel Sicherheit geführt.
Früher hatte ich mich morgens manchmal drei oder vier Mal umgezogen, bis ich ein Outfit gefunden hatte, in dem ich mich wohl fühlte. Und selbst dann hatte ich in jede spiegelnde Oberfläche geschaut, nur um mich zu fragen, ob ich nicht doch hätte was anderes anziehen sollen.
Unsicher hatte ich meine eigene Wahl bezweifelt.
Nun machte ich mir überhaupt keine Gedanken mehr über mein Outfit, schließlich lag es nicht einmal in meiner Hand, was ich anhatte. Und das war gut so.
Es half mir also, meinen Morgen zu straffen und mich wohler in meiner eigenen Haut zu fühlen.
Die Erinnerung an früher schüttelte ich schnell ab, um mein Morgenritual weiter zu vollziehen und endlich das Haus zu verlassen.
Ich vermisste den ganzen Tag über Kaffee und hatte dementsprechend auch Kopfschmerzen und fühlte mich müde und schlapp.
Es gab immer mal wieder Zeiten, in denen er die Zügel anzog und immer, wenn er das tat und er wieder strenger wurde, war er was Koffein betraf kein Stück nachgiebig.
Normalerweise erlaubte er mir zwischendrin immer eine oder zwei Tassen meines braunen Zaubertrankes, aber immer wenn er den tpe Charakter in den Vordergrund stellte, war das eine der Sachen, die ich schmerzlich vermisste und die mir meinen Platz mit Entzugserscheinungen zeigte.
Von sich aus befahl er mir nie Alkohol oder Kaffee zu trinken, das waren Genussmittel, nach denen ich stets zu fragen hatte. Das gleiche galt natürlich für Süßigkeiten.
Normalerweise ließ er mir zwar keine freie Hand, aber er war doch recht freigiebig.
Heute wurde mir wieder klar, dass er das die nächsten Wochen nicht sein würde und ich bedauerte ein wenig, ihn dazu gereizt zu haben, unsere Beziehung ernster zu nehmen. Andererseits tat es mir auch sehr gut.