Es war bereits still in der Burg. Die Dienstboten schliefen, nur der tapfere Ritter Sewolt war noch wach. Vorsichtig schaute er aus seiner Kammer und spähte den langen Gang hinunter. Er war aufgeregt, wie ein Knabe, der ein Spielzeug geschenkt bekommen hatte. Noch einmal kontrollierte Sewolt den Sitz seiner Tunika und Beinlinge. Er war ein eitler Geck, der sehr auf sein Aussehen achtete. Noch stolzer war er darauf, dass die Burgherrin, die schöne Mathilde, sein Flehen endlich erhört hatte. Erst am Nachmittag hatte er sie heimlich im Burggarten getroffen, wo sie mit ihren Hofdamen spazieren ging.
„Oh Sewolt, Geliebter“, seufzte Mathilde, als diese ihm wenig später in die Arme fiel und sich selig an ihn schmiegte. Er spürte, wie ihr Herz vor Aufregung hart schlug. Dem seinen erging es nicht anders.
„Mathilde, wie sehr ich Euch begehre“, keuchte Sewolt voller Vorfreude auf den drallen Leib. „Kommt, legt Euch nieder. Aber erst lasst uns dieses lästige Kleid ausziehen.“ Schon begann er an den Schnüren zu nesteln, die Mathildes Oberkleid zusammenhielten. Schnell stand die Schöne bloßen Leibes vor ihm.
Aber was war das? Sewolt riss entsetzt die Augen auf. „Liebste!“, stieß er aus und zeigte fassungslos auf den Keuschheitsgürtel, den Mathilde um ihre Hüften trug.
Voller Sehnsucht blickte die Burgherrin den wackeren Ritter an. „Mein Gemahl ist auf Reisen“, berichtete sie traurig. „Ständig muss ich dieses lästige Gestell tragen, wenn er nicht am Hofe weilen kann.“
„Und er hat den Schlüssel?“, fragte der Ritter ängstlich. Darauf konnte die schöne Mathilde nur nicken.
© Brida Baardwijk / 19.04.2018