Kapitel 4-
Mich weckte der Geruch von Eiern und Speck. Das Brotzeln auf der Pfanne war kaum zu überhören, doch was neben dem fremden Bett auch nicht zu übersehen war, war der nackter Oberkörper, der mir gerade einen Teller vor die Nase hielt.
Das Blut schoss mir in die Wagen, ich drehte meinen Kopf weg und zog die Bettdecke vor mein Gesicht.
„Guten Morgen Ina.“ Gab eine mir bekannte Stimme von sich.
Ich erkannte Kiran und richtete mich auf, sah ihn aber nicht an und fokussierte meine Augen auf das Muster auf der Decke.
„Alles gut?“ Fragte er mich und versuchte mir dabei in die Augen zu sehen. Allerdings senke ich meinen Kopf immer weiter runter und versuchte jeden Blick auf seinen gut gebauten Körper zu vermeiden.
Er schien das bemerkt zu haben und lachte. Kiran stellte den Teller auf den kleinen Beistelltisch ab und verließ den Raum, dachte ich zumindest, denn als ich doch noch einen letzten Blick riskieren wollte, stand er gerade noch im Türrahmen und lachte mich an.
Mein Kopf wurde rot und ich starrte ihn an, schluckte und wendete mich langsam dem Teller zu. „Eier mit Speck, ich wollte mich nur bedanken.“ Sprach ich etwas verlegen.
„Natürlich, dass war es, das du wolltest. Lass es dir schmecken Ina.“
Noch ein letztes Grinsen huschte über sein Gesicht und er verschwand aus dem Zimmer.
Ich sah den Teller an, hungrig war ich. Aber mir war nicht nach Essen zumute. Ich fühlte mich schlecht dafür, dass es mir nicht schlecht ging. Meine Mutter war mir nicht egal, aber wenn ich an sie dachte, hatte ich nur positive Gefühle. Ich dachte an die schönen Zeiten und die kleinen, besonderen Momente. An das kitschige Kaminfeuer an Heiligabend, mit dem Kakao in der Hand. Und den Film „Dinner for One“ an Silvester.
Es machte mich glücklich und das war schlecht. Ich sollte weinen, bei uns zu Hause klingeln gehen und mich schlecht fühlen, aber ich konnte nicht. Egal wie sehr ich mich auch bemühte.
Ich stocherte auf dem Teller rum und dachte über das alles nach. Neben dem Bett, war ein Fenster, das von einer braunen Gardine versteckt war. Der Stoff färbte das Zimmer in einen Angenehmen Kaffeeton. Ein paar Klamotten hingen an Bügeln, auf einer Metallstange, ansonsten waren die Möbel alle aus dunklem Holz.
Der Teppich, auf dem das Bett stand hatte neben dem Braun, auch ein paar rote Akzente. Ungewöhnlicher weise standen zwei große Spiegel im Raum, der eine war etwas kleiner und hing parallel zum anderen auf der gegenüberliegenden Wand.
Als ich mir alles so in Ruhe ansah, aß ich doch noch nebenbei auf. Mit dem letzten Rest, kam mir aber auch die eine Frage in den Sinn.
Wie war ich überhaupt hier gelandet!
An dem letzten Bissen verschluckte ich mich und meine Pupillen weiteten sich. Lag ich gerade in seinem Bett? Wie kam ich hier her? Und hatte er mich umgezogen und in sein zu großes T-Shirt gesteckt, dass mir gerade noch so über dem Po hing?
Langsam hob ich die Bettdecke an und schaute unter sie… Entwarnung. Mein Körper war noch in meine persönliche dreckige Kleidung gehüllt. Ich ließ die Decke wieder nieder, fasste mir an die Schläfe und schnaufte aus. Zumindest kein Perverser.
Wobei, ein ganz klein wenig enttäuscht war ich schon, irgendwie.
Ich schüttelte die Gedanken von mir ab, holte tief Luft und kauerte mich aus dem Bett. Ich ließ meinen Blick durch den Türrahmen gleiten und versuchte ein Gefühl für die Wohnung zu bekommen. Sie schien mir nicht besonders groß zu sein. Links vom Türrahmen konnte ich am Ende des kleinen Flurs die Küche sehen, gerade war Kiran nicht dort, ich fragte mich wo er steckte. Gerade als ich meinen Kopf etwas weiter aus dem Zimmer gelehnt hatte, traf mich eine kleine Hitze, die in der Luft lag.
„Ina? Kann ich dir weiterhelfen?“ Fragte mich der verschwunden geglaubte junge Mann, der nur in ein weißes Handtuch gewickelt war.
Ich errötete, schon wieder und drehte meinen Kopf in die entgegengesetzte Himmelsrichtung, schon wieder.
„Ich wollte nur mal gucken…“ sprach ich schnell aus, ohne ihm in die Augen zu gucken.
„Was genau, wolltest du dir angucken? Und wieso stehst du wie angewurzelt mit beiden Beinen noch in meinem Schlafzimmer? Ich kann mich nicht erinnern, dich gefesselt zu haben.“ Lachte er etwas frech. Mein Gesicht glühte. Die Vorstellung jagte mir einen Schauer über den Rücken, andererseits konnte ich das Bild vor meinen Augen auch nicht einfach wegblinzeln.
„Ich wollte mich nur mal umsehen…“
„Tu´s.“ Er baute sich vor mir auf, dass konnte ich spüren. „Das Bad ist jetzt frei, falls du dich frisch machen willst.“
Er legte seine Hand auf meinen Kopf und zerzauste mir die Haare, lachte und quetschte sich durch den Türrahmen, an dem ich immer noch wie festgewurzelt stand und setzte sich auf sein Bett.
Wollte ich ins Bad gehen, stank ich etwa? War das eine Aufforderung oder nur Gastfreundlichkeit?
„Ina?“ Seine Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Ja, Kiran?“
„Ich will dich nicht wegscheuchen, aber…“ „Aber..?“ Ich sah ihn etwas verloren an. „… Du kannst auch gerne zusehen, wenn du möchtest, ich bevorzuge es zwar, mich allein umzuziehen aber wenn du…“ Ich trat über die Schwelle und knallte die Tür hinter mir zu. Ich war am absoluten Maximum meiner Rötung angekommen.
In der Zwischenzeit verbrachte ich ein paar Minuten stumm in der Küche, während ich auf Kiran wartete. Ich stand einfach stumm in der Ecke und schaute mich um. Hier war nicht viel persönliches, die Küche war einfach. Ein Herd, ein paar Theken, ein kleiner Kühlschrank und alles in einem alten, schlichten Grau.
Das Herzstück der Küche, war die alte Kaffeemaschine. Sie war auch das einzige, auf dem kein Staub lag. Dicht gefolgt vom zwei Personen Tisch.
Eine Wohnung konnte viel über einen Menschen aussagen, und Kiran´s Küche sagte, dass er Kaffee trank, vermutlich zwei Mal am Tag und dass er nicht oft Gäste hatte. Ein Kühlschrank, hat auch viel zu sagen, allerdings wollte ich nicht einfach an fremde Schränke gehen.
Lange musste ich nicht auf ihn warten. Kiran schenkte mir ein kleines Lächeln und richtete dann seine Aufmerksamkeit auf die Kaffeemaschine. „Du auch einen?“ Fragte er mich, während er zwei Tassen aus dem Schrank über dem Herd rausholte. „Danke, ich nehme einen.“ Nach einer kurzen Stille, grinste er wieder. „Ich liebe Kaffee, ich trinke ihn mindestens zwei Mal am Tag.“ Wusste ich´s doch. „Weil du oft Müde bist?“
„So ähnlich, mein Job erfüllt mich, aber er macht müde“ Kiran rührte Milch und Zucker unter. „Du auch?“ „Ja bitte.“ Antwortete ich und er drückte mir eine Tasse in die Hand.
„Setz dich, Ina.“ Forderte er mich und unterstrich diese Geste mit einer Handbewegung.
„Also, mein Job.“ Kiran nahm einen Schluck. „Ich weiß nicht, wie viel du gestern noch mitbekommen hast, es hat dich ganz schön umgehauen.“ Sprach er sanft auf mich ein, während er den Schaum in seinem Kaffee betrachtete.
Ich nickte und schaute auch in meine Tasse, als würde ich die Antwort, auf all meine Fragen, in ihr schwimmen sehen.
„Ina?“
„Ja Kiran?“
Unsere Blicke trafen sich, auch wenn seiner nicht so unbeholfen war, wie meiner.
„Das Gestern, das ist, mein Job.“ Er machte Anführungszeichen in der Luft. „Ich bin Dämonenjäger, schon mein ganzes Leben lang. Das ist meine Aufgabe, in diesem Leben und in allen anderen.“
Ich war etwas verwirrt, aber ich hatte das, wovon er sprach, gestern mit eigenen Augen gesehen. Abstreiten konnte ich es nicht. Auch wenn ich es mit jeder Zelle meines Körpers versuchte.
„Und… was macht man so als Dämonenjäger?“ Ich war so unbeholfen. Er lachte und sah mich mit verträumten Augen an.
„Ich jage Dämonen und töte sie.“
„Das muss aber ziemlich gefährlich sein, für einen einzigen Menschen.“
„Deswegen bin ich auch nicht alleine, ich kann sie schließlich auch nicht alle töten. Manche sind mir auch eine Nummer zu groß.“
Ich fasste es nicht, worüber ich mich da gerade versuchte zu unterhalten. Aber er ging bei diesem Thema auf, also entschied ich mich, einfach weiter Fragen zu stellen.
„Es gibt mehr Menschen, die so sind wie du? Woran machst du das fest, dass du manchen nicht gewachsen bist?“
„Ja, um genau zu sein, gibt es von uns Ultra viele. Wir leben unter den Menschen und passen uns den verschiedenen Jahrzehnten an…“
„Den Jahrzehnten anpassen? Dass musst du mir erklären.“ Langsam wurde es doch ganz interessant und ich lehnte mich etwas weiter zu ihm, um jedes Wort aufzufassen.
„Ja. Das besondere an uns ist, dass wir uns an unsere früheren Leben erinnern können. Sobald wir alt genug sind und uns erinnern, verlassen wir unser „zu Hause“ und gehen zur Jägerbasis.“
„Wie alt ist man da ungefähr?“
„Unterschiedlich, aber zwischen 6 und 14 Jahren. Desto älter die Seele ist, desto schneller erinnert sie sich. Die Jüngsten sind dementsprechend die talentiertesten und vor allem die Klügsten. Aus ihnen werden die stärksten Jäger. Sie können es dann auch mit den hohen Stufen aufnehmen.“
„Den hohen Stufen?“ Ich saugte jedes seiner Worte in mich auf.
„Ein Dämon wird nicht nur in eine der vier Himmelsrichtungen aufgeteilt, sondern auch zu einem Element und einem Rang. Es gibt 7 Ränge. Zumindest haben wir noch keinen stärkeren ausmachen können.“
Kiran´s Augen glänzten, bis er bemerkte, dass er seinen Kaffee im Gespräch ausgetrunken, und ihn wahrscheinlich nicht genossen hatte.
„Na Super.“ Sprach er entgeistert, stand auf und stellte ihn in das Spülbecken.
„Ist deiner auch leer?“ „Ja.“ Ich reichte ihm meine Tasse, die er zu der anderen stellte. „Das mach ich später. Jetzt müssen wir uns erst um dein „Undercover“ Leben kümmern.“
„Mein was?“
„Deine Neue Identität, du kannst schlecht zu einer Dämonenjäger werden, indem du dich einfach nur in meinem Bett verkriechst.“ Er lachte und schenkte mir im Anschluss wieder einen dieser süßen Blicke. Ich musste mich jedes Mal daran erinnern, dass ich ihn nicht sehr lange kannte.
Manchmal gibt es Menschen, da ist von Anfang an eine gewisse Vertrautheit. Und so empfand ich gegenüber Kiran. Es war, als würde ich ihn schon mein ganzes Leben kennen.
Laut seiner Theorie, vielleicht auch schon ein paar mehr.
Er klatschte in die Hände, als er die beiden Tassen gespült und weggeräumt hatte. Als nächstes drehte er sich zu mir um und lächelte ernst.
„So, fangen wir an.“
Mittlerweile waren wir in der Stadt angekommen und stöberten in einigen Läden. Es kam mir vor, als hätte Kiran Spaß dabei, neue Klamotten für mich zusammen zu suchen.
Ich genoss diese unbeschwerte Zeit auch ein wenig. Da mein Vater gestorben und meine Mutter Alleinerziehend war, sind wir nie zusammen einkaufen gegangen. Die Erinnerung tat mir nicht weh, ich strich mir meine Strähne hinter das Ohr und lächelte. Kiran hat mir gesagt, dass ich dagegen nichts tun könne, es sei alles ein Teil des Prozesses. Deswegen versuchte ich mich nicht unnötig schlecht zu fühlen und stöberte ein wenig in den reduzierten Sachen.
„He, was machst du denn da Ina? Die hängen da nur weil sie keiner haben will.“ Sagte Kiran mit ernster Miene.
„Ich kann mir nun mal nicht viel leisten, Kiran.“
„Haha, du zahlst auch nicht Liebes. Das tu ich.“
„Das kann ich nicht annehmen.“ Ich vergrub mein Gesicht in meinen Haaren.
„Doch, du bist eine Jägerin. Der Clan gibt uns das Geld. Also fühl dich frei, alles zu nehmen, was dir gefällt. Immerhin zahlst du später höchstwahrscheinlich mit deinem Leben und in der Zwischenzeit mit den Überresten von...,“ Er flüsterte. „Mit Dämonen.“
Mir lief wieder ein Schauer über den Rücken. Er fühlte sich kalt an und ich bekam eine Gänsehaut.
Ich versuchte das schleunigst abzuschütteln und mich mit dem Duft neuer Kleidung abzulenken.
Ich nickte und entfernte mich von dem roten „Sale“ Schild.
Wir standen an der Kasse und ich sah zu, wie die Zahlen mit jedem weiteren Teil in die Höhe schossen.
Das erste Outfit hatte Kiran für mich ausgesucht. Ein Khakifarbenes Oberteil, mit für mich, gewagtem Ausschnitt, dazu eine schwarze Lederjacke und eine zerrissene, schwarze Jeans. Als ich die Sachen an mir sah, fühlte ich mich im ersten Moment komisch, im zweiten allerdings, wie eine gefährliche, unabhängige Frau, die Zurzeit allerdings, sehr abhängig war.
Als nächstes gingen Overknees, ein paar Hotpants, ein gelber und schwarzer Pullover, ein paar Bauchfreie Tops, Strickpullover und Blusen übers Band. Und Tonnen von Schmuck, Makeup und Pflegeprodukten, von denen ich zuvor noch nie gehört habe. Aber Kiran schwor auf diese Vanilla Chai und Kürbis Maske.