Kapitel 2 (Die Erinnerung)
Vier Wochen waren vergangen seit dem Vorfall in der Eingangshalle und war seitdem, sie ihr Zimmer betrat, nicht mehr hinaus gekommen. Selbst ihre Speisen, nahm sie hier ein. Jemanden zu sehen, war ihr nicht nach. Aber die Tränen versiegten kein einziges Mal. Die Jungs versuchten, immer wieder zu ihr durch zu dringen. Doch durch ihre zurückweisende Haltung war dies nicht möglich. So ließen sie das Mädchen in Ruhe und hofften, dass sie von sich aus auf sie zu kam. Tag für Tag stand sie am Fenster und lugte hinaus. Der Herbst hatte die Ländereien von Hogwarts im Griff und alle Bäume verloren ihre gelb-roten Blätter. Der Wind peitschte gegen das Glas, brachte eine eisige Kälte mit sich und auf dem Glas bildeten sich kleine Eisblumen. Das Schauspiel beobachte das junge Mädchen. Wie die Natur in kürzester Zeit alles veränderte, erstaunte sie. Denn diese Art von Verwandlung kannte sie nicht, dort wo sie normalerweise lebte, war es das ganze Jahr über Sommer. Obwohl sie von dem Schauspiel fasziniert war, schweiften ihre Gedanken immer wieder ab. Die Bilder fesselten sie aufs Äußerste, welches sie nicht unter Kontrolle bekam. Tief in ihr wusste sie, dass es das Beste wäre mit jemanden zu reden, aber der Schmerz ließ es nicht zu. Jeder Gedanke und den Bildern vor den Augen, liefen die Tränen über ihre Wangen. Ohne etwas wahrzunehmen, stand sie weiterhin am Fenster und starrte hinaus. Im Gemeinschaftsraum rafften sich die beiden Slytherins, von ihrem anstrengenden Schultag auf. Vor ihnen loderte das Feuer im Kamin. Ihre Augen waren gebannt auf die Flammen im inneren und nur das Knistern war durch die Stille zu hören. Hin und wieder vernahm man, wie einer der beiden die Luft aus den Lungen stieß. Vor ihnen stand ein Tisch, aus massivem Eichholz. Er bot genug Platz für Speisen und das Erledigen von Hausaufgaben. Heute wurde er zweckentfremdet. Von ihm war nichts mehr zu sehen, außer Papier und Bücherstapel. Der Braunhäutige beugte hervor und nahm sich abermals einen Artikel in seine Hände. Er hoffte, etwas übersehen zu haben. Doch nach nochmaligen lesen, kam er zu keinem Entschluss. Er raufte sich die, kaum vorhandenen Haare und schnaufte. Am Tag zuvor suchten sie die Bibliothek nach brauchbaren Material ab. Alles was sie fanden, nahmen sie mit in ihren Gemeinschaftsraum. Sie verbrachten die halbe Nacht damit, jedes Detail akribisch zu lesen. Doch weiter half es ihnen nicht. Das Puzzle setzte sich nicht zusammen. Wehmütig schaute Blaise hinauf zu Sinas Zimmer. Immer wieder schüttelte er seinen Kopf. Ihm war alles zu verworren. Je länger sich das Ganze hinaus zögerte, umso ungeduldiger wurde er.
„Ich wüsste echt zu gerne was da passiert ist. Warum hüllt sich unser Direktor in Verschwiegenheit? Wir sind keine Kinder mehr, wir verkraften das schon. Aber nein… unser wertgeschätzter Professor ist anderer Meinung. Das ist einfach nur ätzend“ ,durchbrach der Slytherin die Stille. Draco holte tief Luft, weil er ebenfalls es bis heute nicht geschafft hatte das Rätsel zu lösen. Der Blonde setzte sich aufrecht, nahm Blaise den Bericht aus der Hand und warf ihn wieder zu den anderen auf den überladenen Tisch.
„Was passiert ist, kann nur Sina beantworten. Und diese Artikel hier, bringen uns absolut nichts. Es steht nichts drin was uns weiter hilft.“
Dracos Entschlossenheit, das Rätsel zu lösen verschwand mit jedem Tag etwas mehr.
Die Lösung fühlte sich so nah an und war doch so fern.
„Ich weiß, dass Sina ein Teil des Puzzles ist. Aber solange sie nicht redet, sind uns die Hände gebunden“ , selbst Blaise war der Mut verloren gegangen. Zu gerne hätte er der Freundin aus Kindertagen geholfen.
Die Hoffnung starb mit jeder Minute, in der sie schwieg. Der schlanke Blonde schaute seinen langjährigen Freund an, nickte und traf eine Entscheidung.
„Okay, dann hilft nur noch Nachdruck und vielleicht ein kleiner Trick, um sie zum Reden zu bringen. Ich hoffe, dass es klappt.“
Blaise war die Verwirrung ins Gesicht geschrieben und dementsprechend schaute er den Zauberer vor sich an, „Was hast du vor?“
Der Schwarzhaarige sprang auf und stellte sich, mit verschränkten Armen vor seinen Freund. Dieser hob abwehrend die Hände. Entsetzen trat bei ihm auf. Dachte sein Kamerad im ernst, er würde etwas Böses anstellen. Die Zeiten waren längst vorbei und gehörten der Vergangenheit an.
„Keine Panik, ich werde nichts Schlimmes machen. Einfach nur an sie appellieren und ihr versichern, dass wir für sie da sind. So genau, weiß ich das jetzt noch nicht. Aber so etwas in der Art schwebt mir vor und das ohne Einsatz von Magie“ ,stellte Draco klar.
Es amüsierte ihn köstlich, welches Bild sein bester Freund abgab. Wäre die Lage nicht so ernst, wäre er in Gelächter ausgebrochen.
Man hörte, wie der Slytherin erleichtert ausatmete. Mit einem Lächeln bestätigte Blaise, das er es verstanden hatte und ihm nicht weiter im Weg stand. Der schwarzhaarige ließ sich auf die Couch zurückfallen und stemmte seine Füße auf den Tisch. Den Kopf legte nach hinten und schloss die Augen. Um keine Zeit zu verlieren, drehte sich Draco um und hetzte die Stufen zum oberen Geschoss hinauf. Vor ihrer Tür stoppte er kurz, um sich zu sammeln, indem er tief Luft holte und seine Hand auf die Türklinke legte. Welche er dann öffnete, entschlossen eintrat und hinter sich wieder schloss. Wie er es erwartete, stand sie vor ihrem Fenster und schien kaum etwas wahrzunehmen, was in den letzten Wochen oft vorkam. Wenn ihre Schultern sich nicht leicht bewegen und sie leise schluchzen würde, vermöchte man meinen, dort stehe eine manierlich anzusehende Statue. Auf geräuschlosen Sohlen näherte er sich dem Mädchen. Immer darauf bedacht sie nicht zu verschrecken. Dies hatte er einige Male erlebt und es bitter bereut. Ihre fürchterlichen Blicke waren in seinem Kopf eingebrannt, wie ein gebrandmarktes Pferd. Ein paar Mal hetzte sie ebenso einen Fluch auf ihn. Diese verliefen eher harmlos, weswegen er des Öfteren aus ihrem Zimmer flog.
„Sina?“ ,sprach er leise und schritt weiter auf sie zu, bis er fast hinter ihr stand.
Bei der Erwähnung ihres Namens zuckte sie zusammen. Unentschlossen, ob sie sich umdreht oder nicht, atmete sie tief ein und wieder aus. Sina wusste zwar, wer hinter ihr stand, aber die Neugier siegte. Um auf Nummer sicherzugehen, lugte sie kurz über ihre Schulter. Dann drehte sie sich um und schaute ihm ins Gesicht.
Dieser empfing Sina mit einem zärtlichen Lächeln, um sie aufzumuntern. Doch der Versuch schlug fehl. Aus ihren Augen kullerten Tränen über die Wangen. Draco zögerte nicht lange und schloss sie in seine Arme.