"SHHH, alles ist gut“, beruhigte der Slytherin das Mädchen. Unentwegt schluchzte sie auf. Zärtlich strich er ihr immer wieder über den Rücken. Sein Hemd war von den Tränen durchtränkt und klebte auf der Haut. Es dauerte einige Zeit, bis sie sich gefangen hatte und er sie ein wenig von sich drückte. So standen sie Minuten lang da und schauten sich in die Augen. Alles um Draco herum verschwamm, als wenn sich das Zimmer in Luft auflösen würde. Wie von selbst hob sich seine Hand und legte sich auf Sinas Wange nieder. Langsam strich er mit dem Daumen die restlichen Tränen weg. In diesem Moment durchfloss ihn ein mollig warmes Gefühl. Die Hand kribbelte unter den Berührungen und wanderte durch seinen ganzen Körper. So was hatte er bisher nie erlebt. Auf der einen Art war es ein angenehmes, aber genauso ein beängstigendes Gefühl. Da er nicht wusste, woher dies kam. Dies war ihm bislang bei keinem widerfahren. Selbst die Tatsache, dass er Sina schon des Öfteren berührt hatte, ließ ihn wundern. Draco ahnte, dass dies ein Zeichen war, doch kannte er dessen Bedeutung nicht. Sina hatte ebenfalls dieses Kribbeln gespürt, schenkte dem, aber weniger Aufmerksamkeit. Sie war mehr mit dem Schmerz beschäftigt, als das sie einen Gedanken daran verschwenden würde. Der Slytherin schüttelte seinen Kopf, um sich wieder ins hier und jetzt zu befördern. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, sie zum Reden zu bringen. So brauchte er einen klaren Gedanken.
„Meinst du nicht, dass es langsam an der Zeit ist, dich uns anzuvertrauen und uns sagst, was passiert ist“, durchbrach Draco die Stille.
Sina senkte ihren Kopf und schüttelte diesen. Um ihm nicht weiterhin in die Augen zu schauen, drehte sie sich wieder zum Fenster und schaute gebannt auf die Ländereien. Draco zog scharf die Luft ein, legte sein Haupt nach hinten in den Nacken, denn langsam breitete sich in ihm Zorn aus. Er marschierte einen Schritt zurück und schloss die Hände zu einer Faust.
„Mensch, Sina wenn du nicht redest, können wir dir nicht helfen. Verstehst du das?“ ,seine Stimme klang etwas härter als gewollt. Doch in der Situation war es schlechtweg nicht leicht friedlich zubleiben.
Durch seinen schroffen Ton drehte sich Sina zu ihm um und riss ihre Augen auf. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie kannte ihn nur als liebenswerten Menschen, der sich aufopfernd um sie gekümmert hatte. Obwohl sie wusste, dass er Recht hatte, kam kein Ton über ihre Lippen. Kopfschüttelnd und mit Tränen kehrte sie wieder in ursprüngliche Position zurück. Ihre Gedanken schweiften ab. Bilder von dem Abend flogen, wie ein Film, vor ihrem geistigen Auge. Und ließen sie wehmütig werden.
„Sina, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht so anfahren. Aber wie sollen wir dich verstehen, wenn du nicht sprichst.“ Doch das einzige was er zu hören bekam, war ihr schluchzen.
Der Slytherin kehrte auf dem Absatz um, da er merkte, dass er heute nicht zu seinem gewünschten Ziel kam. Er entschied sich dafür, Sina wieder alleine zu lassen. Mit langsamen schritten, näherte er sich der Tür.
Er hatte weiterhin einen Funken Hoffnung, dass sie doch umentschied und ihn aufhielt. Sina befüllte ihre Lungen mit Luft, um diese dann langsam entweichen zu lassen. Ihr Entschluss stand fest.
„Willst du es sehen?“ ,kam es wie aus dem Nichts von ihr. Draco hielt in der Bewegung inne, ließ sogar den Arm erstarren, den er zum Öffnen der Tür erhoben hatte.
Der Blonde war über diese sonderbare Wendung überrascht und traute seinen Ohren nicht. Hatte er sich jetzt verhört, oder kam in Wirklichkeit ein Ton aus ihrem Mund.
„Was?“ ,fragte er überrascht, um sich zu vergewissern, dass er es nicht missverstanden hatte.
„Ich habe gefragt, ob du es sehen willst?“ ,wiederholte Sina ihre Frage und drehte sich zu ihm um. Mit seinen sturmgrauen Augen schaute der Blonde, das Mädchen vor ihm verwundert an.
„Ich bin kein Geist und ja ich kann sprechen“, ihre Stimme klang rau, wie bei einem Jungen im Stimmbruch. Wenn man bedenkt, wie lange sie stumm war, wunderte es einem nicht. Mit einem Lächeln versuchte sie, die Stimmung aufzulockern. Dies gelang ihr nur mäßig. Ihr Schmerz saß tief, aber sein Anblick ließ sie schmunzeln.
„Ich weiß, dass du kein Geist bist und das du sprechen kannst. Ich bin nur überrascht dich endlich mal zu hören was meine Erwartungen übertraf. Die letzten Male meiner Versuche sind ja immer gescheitert“, kommentierte er ihre Aussage.
„Es tut mir leid, aber ich wollte einfach nur diesen Schmerz vergessen, was nicht wirklich geklappt hat. Er ist immer noch da und wird auch, denke ich, nicht so schnell vergehen,“ entschuldigte sich das braunhaarige Mädchen. Sie senkte ihren Kopf zu Boden, um ihre aufkeimenden Tränen zu verstecken. Dennoch sah Draco diese und schritt auf sie zu.
„Ich kann dich verstehen, aber du musst es nicht alleine machen. Wir helfen dir, wenn du uns lässt“, sprach er und schloss sie in seine Arme. Da war es wieder, dieses kribbelnde Empfinden. Er zog ihren Duft ein, welcher nach Rosen und Sommer duftete. Es benebelte ihn zunehmend, sodass er das Gefühl hatte, auf Wolken zu schweben. Diese Gefühlsregung war ihm fremd.
Sina merkte, dass sich was veränderte, durch die Berührung. Die Gefühlsaufwallung, welches sie hatte, als er seine Hand auf ihre Wange gelegt hatte, war wieder da. Nur diesmal intensiver als vorhin. Innerlich versetzte sie dies in Angst. Es war ein befremdliches Gefühl für sie. Ihr Instinkt wegzulaufen erwachte wieder von neuem. Am liebsten hätte sie ihn von sich gestoßen, wenn nicht so eine beruhigende Wirkung durch ihn bestände.
„Nur musst du uns auch endlich sagen, was passiert ist“, flüsterte Draco ihr zu.
„Ich kann es dir auch zeigen. Erzählen würde zu lange dauern und es wäre nicht so verständlich, als wenn ich es dir zeige“, hoffnungsvoll sah Sina ihn an, als sie sich voneinander lösten. Dieser wiederum schaute sich im Zimmer um. Etwas irritiert musterte sie sein Verhalten.
„Suchst du nach irgendetwas?“, fragte das Mädchen, nachdem sie immer weiterhin nicht verstand, warum er ihr Zimmer mit den Augen absuchte. „Ich suche nach dem Denkarium!“, meinte Draco.
„Was soll ich bitte mit einem Denkarium?“, jetzt war es Sina, die verwirrt ihre Augenbrauen nach oben zog. Sie begriff nicht, wieso man das dafür bräuchte. In ihrer Familie war Gang und gäbe diese mit einem Zauber auszuführen.
„Du willst mir doch deine Erinnerung zeigen, wenn ich das richtig verstanden habe und soweit ich weiß geht das nur damit,“ stellte der groß gebaute Junge klar.