Wenn man so will, hätten Kadys Eltern sich wohl nicht gewundert, dass ihr Kind in das Leben zurückkehrte, in das sie hineingeboren worden war.
Natürlich waren gerade ihre leiblichen Eltern darum bemüht ihre zarte Tochter möglichst weit weg zu schaffen. Und ihre Adoptiveltern waren auch echt liebe Leute, streng und ziemlich gläubig, aber sie hätte es schlimmer treffen können. Sie hätte ja auch dort bleiben können, wo ihre geliebte, aber zerbrechliche Maman gestorben war. Schon in den jüngsten Jahren war der Tochter daher klar, dass sie so nicht enden wollte. Und wie alt sie genau war, als sie adoptiert wurde, war auch in den Unterlagen untergegangen, aber sie erinnerte sich noch sehr gut daran. Es war ihre am weitesten zurückreichende Erinnerung und aus irgendeinem Grund fand sie erst Ruhe, als sie wieder genau dort war, wo alles begonnen hatte.
In einem Zelt, in Südafrika, während ihr Vater in einer Gefechtsübung war.
Die Umstände die zu ihrer Zeugung geführt hatten, waren schon merkwürdig genug, gab die Mutter, die kurz nach der Geburt starb doch zweierlei Namen an. Nämlich den des Col. George Southwell aus Schottland und seines Freundes Sir James Kady. Da konnte man sich im Nachhinein gar nicht sicher sein, was es damit nun auf sich hatte. Und so erhielt das Neugeborene in einem Schnellverfahren den Namen: Kady, womit der Colonel durchaus nur zu gern einverstanden war. Entweder der hatte seinen Freund sehr lieb gehabt oder die Mutter den Freund, jedenfalls waren alle einverstanden damit, bloß kein großes Drama daraus zu machen. Man weiss es nicht. Aber ohne Maman und mit einem tüchtigen Vater, der viel zu beschäftigt war, kümmerten sich diverse andere Frauen um die Kleine. Und schon bald, galt sie im Trupp als das Nesthäkchen, denn sie war ja schon irgendwie das Kind der ganzen Kompanie. Und die meisten der Soldaten hatten das kleine Bündel frech grinsender Freude auch wirklich lieb gewonnen.
Keine zwanzig Jahre später heiratete die nicht mehr so kleine, aber immernoch genauso freche Kady einen feschen, strammen Burschen namens Robert. Und statt sich irgendwo in Rhode Island nach der Hochzeitsnacht niederzulassen, warf sie sich mit allem was sie hatte und war zurück ins Getümmel und folgte ihrem Gatten in den Bürgerkrieg und ab ins Zelt. Und lange sollte es dann auch nicht dauern, da ernannte man sie offiziell zur Tochter des Regiments und Flaggenträgerin. Und obwohl sie bei weitem nicht die Jüngste war, so war sie eben doch in einem Feldlager geboren und fühlte sich nur dort wohl, wo sie ihre wilde schottische Mähne unter einer Mütze und kurze Hosen unter einem schicken Uniformrock tragen konnte. Mit dem Bajonett-Gewehr in der einen und der Flagge in der anderen Hand ritt sie mit ihrem Regiment und trotzte jedem Unbill. Mutig, tapfer und couragiert, so erlebten die Soldaten sie und liebten sie, ihre kleine Schwester, ihr Nesthäkchen.
Und am unvergesslichen Tag des vierzehnten Märzes, rannte sie in Missachtung ihres Befehls ihre Position einzunehmen zwischen die Linien zweier Truppen. Nämlich denen ihrer eigenen Unionsleute, die schon Stellung bezogen hatten und ihrer Fünften, die wie Rebellen wirkten und aus einem Waldstück hervorbrachen. Beide Seiten voll Überraschung legten an und waren bereit zu feuern.
Da rannte Kady mitten in die Schusslinie, die Fahne flatterte hinter ihr. Sie blieb stehen und schwenkte das Tuch. Schwenkte es hin und her und so wild, dass der Stoff knallte beim Flattern. Bis die Soldaten alle stutzig geworden waren und in dem vermeintlichen Rebellentrupp ihre eigenen Leute erkannten.
Als dieses Missverständnis aufgeklärt war und sich alle trafen, um ihre Heeresstärke zu vereinen, sie abends beisammen saßen und aßen, da fragten die Soldaten: „Wer war denn die Frau, die Marketenderin, die euch den Arsch heute gerettet hat?“
Und die Jungs ihrer Fünften riefen: „Das war unser Nesthäkchen, unsere Kady Brownell.“ Und einen stolzeren Ehemann wie den Robert hatte man sicher selten gesehen, denn dieses mutige Weib, war seine Frau.