Maxi ritt durch den dicht bewachsenen Wald, sein Ross wurde nervös. Es lag etwas in der Luft, Wolken waren tiefer als sonst und die Kälte kroch ihm in alle Poren. Der dünne Mantel, den er sich vorstellte, reichte nicht aus, um seinen Körper mit der nötigen Wärme auszustatten.
Das Pferd wieherte, als es das Donnergrollen hörte. Tröstend tätschelte Maxi es und ritt über die Pflastersteine in die Stadt. Der Torbogen war groß genug, dass ein Mann stattlicher zwei Meter auf seinem Reittier hindurchpasste. Die Hauptstraße, an der er gestern noch den belebten Markt gesehen hatte, lag wie ausgestorben vor ihm. Die Stände waren zu oder leer geräumt. Einzig eine alte Dame packte ihre wenigen Sachen und wollte verschwinden.
Maxi ließ von seinem Pferd ab, nahm die Zügel zur Hand und ging auf die Händlerin zu. Er wollte nach einer Bleibe fragen, schließlich würde es bald regnen. Maxi sprach die Frau an.
„Hallo, gnädige Dame. Mein Name ist Irigion und ich suche eine Unterkunft für die heutige Nacht!“, seine feste tiefe Stimme überraschte ihn.
Die Frau beachtete ihn gar nicht und packte ihm den Rücken zugewandt weiter ihre Habseligkeiten ein. Maxi wiederholte die Worte lauter, doch die Frau ignorierte ihn weiterhin. Ihm wurde es zu bunt und nahm die Zügel aus der Hand. Ein Grollen direkt über ihnen ertönte, als das Pferd erschrak und unruhig mit den Hufen scharrte. Maxi wollte es beruhigen, doch es rannte plötzlich in den Wald davon. Ungläubig starrte er ihm nach. Wütend über sich selbst sah er die Frau und nahm sie bei der Schulter. Kaum wollte er eine Antwort verlangen, als die leeren schwarzen Augen ihn anstarrten. Der Magier keuchte und sprang zurück. Die Frau mit dem grässlichen Blick kam näher.
„Zahle deinen Preis!“, verlangte sie mit kehligen Laut. Maxi hielt sich schützend die Arme vors Gesicht. Der weite Mantel verdeckte die Sicht auf ihr lebloses Gesicht, dieser ekligen gekrümmten Gestalt.
Der anfängliche Niesel, den Maxi vorerst nicht gespürt hatte, wurde zu einem Regen. Das stetige Prasseln der Tropfen auf dem Holzdach irritierten ihn. Das Geräusch rauschte so laut in seinen Ohren, dass er sich auf die Frau fokussieren musste. Angst und etwas anderes durchbrach seinen Verstand.
Er machte zwei weitere Schritte nach hinten und schon goss das Regenwasser auf seine Gestalt. Sein Mantel wurde schwer, als er das eklige Nass spührte. Er zitterte, doch nicht vor Kälte. Sein Atmen ging schneller, als er die Hand herunter nahm. Die Frau war verschwunden. Ihre zotteligen roten Haare und die Warze auf der Nase erinnerten ihn an eine Hexe.
Ein Keuchen erklang in dem dunklen Himmel. Maxi sah nach oben, als ein Donnergrollen ihn zum Aufwachen zwang.
Maxi atmete auf und schlug die Augen auf. Die gewohnte Dunkelheit um ihn herum beruhigten ihn mit jedem weiteren Atemzug. Es war inzwischen sicher Mitternacht. Nur gut, dass Maxi nicht mehr den Unterschied zwischen Tag und Nacht sehen konnte und sein Blickfeld hauptsächlich schwarz war. Daran konnte man sich gewöhnen. Doch an was sich Maxi niemals gewöhnen konnte, waren diese ständigen Schlafprobleme. Und was sollten diese Albträume? Eigentlich kontrollierte er seine Gedanken, wenn er in die Tiefen seiner Fantasie hinabtauchte.
Ein leises Schluchzen erklang wieder. Maxi hatte sich doch nichts eingebildet, also entschied er sich nachzusehen. Er war so wie so wach, da konnte er sich auch ein Glas Wasser aus dem nahe liegenden Badezimmer holen. Außerdem drückte die Blase und der Kaffee meldete sich wieder. Er hatte am Vortag mehr davon konsumiert als in der gesamten letzten Woche. Demnach forderte sein Körper auch den Tribut.
Kaum hatte Maxi die Tür des Badezimmers geschlossen und verrichtete die Notdurft, vernahm sein scharfes Gehör einen hektischen Laut. Jelly war wohl wach. Er konnte sich erinnern, dass Nagetiere nachtaktiv waren.
Also spülte er und stand auf. Eigentlich wollte er wieder ins Bett, da hörte er leise Lisas Stimme. Ein seltsames Gefühl schlich durch seinen Verstand. Wie auch im Traum konnte er es nicht zuordnen. Maxi kam näher, suchte sich mit leisen Schritten den Weg und krachte direkt gegen den Käfig. Leise fluchend hielt er sich den wunden Zeh, als er Lisa hörte.
„Du bist im Anschleichen so gut wie im Sehen, Maxi.“, kommentierte sie trocken. Doch ihre Stimme war einen Tick zu unkontrolliert, ein wenig zu…hoch.
„Du weinst?“, fragte er rund heraus. Lisa schniefte, er hörte ein Schlucken und Abstellen eins Glases auf den Fernsehertisch.
„Ich warte auf einen Anruf.“, gab sie schließlich zu. Maxi setzte sich auf die ungemütliche Sofaecke, die meistens leer blieb. Seine Schwester saß direkt neben ihm. Als er seine Hände weiter ausstreckte, berührten seine Haut weiches Fell. Jelly saß auf ihrem Schoss. Ein beruhigtes Quieken ertönte, als Maxi die Finger über die feinen Haare gleiten ließ.
„Hat sich Hannah gemeldet?“, fragte er. Der Luftzug und die Haare im Gesicht deutete er als Nein.
Maxi drängte sie nicht, sondern strich Jelly über das lange Fell. Schließlich gab Lisa ihm den Nager und schnäuzte in ein Tempo.
„Maxi?“, fragte Lisa ihn. Ihr Flüstern wurde leiser, ihre Müdigkeit hing in der Luft und sie klang abwesend. Maxi lehnte sich zurück und strich gedankenverloren das Tier.
„Ja?“
„Kannst du heute Nacht bei mir bleiben?“, fragte Lisa. Maxi musste stutzen. So etwas hatte sie ihn noch nie gefragt. Doch bevor er einen blöden Kommentar hinterließ oder einfach gehen konnte, nickte er und entspannte sich.
Er sprühte Lisas Gewicht auf der Schulter, ihr langsames Ein- und Ausatmen beruhigten ihn, bis er schließlich selbst einschlief.