Er stand als Irigion wieder auf dem Außenpfosten. Mit dem langen Mantel, dem Sturm, der Düsternis.
Doch Maxi machte keine Anstalten, gegen Angy zu kämpfen, die immer und immer wieder ihn mit Gegenständen bewarf. Maxis Konzentration arbeitete auf Höchstform und er stellte sich nicht mehr die zwei Meter hohe massive Gestalt des Zauberers vor. Er stand nun als kleiner ein Meter siebzig großer dünner Junge da. Seine grauen Augen fixierten die Hexe mit steinerner Miene. Er war noch wütend auf Thorsten und den Abend, doch das drängte er in den Hintergrund. Die Holzstücke, die durch Maxi hindurch schossen als wäre er Luft, verblüfften die Hexe, sodass sie ihn mit verwirrtem Blick anstarrte. Wissen schlich durch ihren Blick, als sie verstand und knurrte. Maxi schloss die Augen und konzentrierte sich so sehr auf die Umgebung, dass Angy mit einem Schrei auf den Boden plumpste.
Die Stadt war wie weggefegt und beide standen auf einem Kornfeld, das brach vor ihnen lag. Die Helligkeit des wolkenlosen Himmels verstärkte das Gefühl eines warmen friedlichen Sommertages. Nichts als dicht bewachsene Kornfelder sah man in dem Hintergrund, wie sich das Getreide mit der warmen sanften Brise wellenförmig bewegte und die strahlend helle Sonne das Gelb noch besser zur Geltung brachte. Keine einzigen winzigen Wolken trübten seine Gedanken. Die Sonnenstrahlen glänzten fast auf Maxis Haut, als er sich in Bewegung setzte.
Die trockene Erde staubte auf, als seine dunklen Schuhe auf die kleine Hexe zugingen. Loses vertrocknetes Getreide lag vereinzelt herum, das Braun des Ackerbodens stach leicht hervor. Angy schrak zurück, doch Maxi ging unbeirrt weiter.
"Hallo Angy.", sagte er mit ruhiger fester Stimme. Einem Meter vor ihr ging er in die Hocke, setzte sich schließlich auf den trockenen Boden und sah die verwirrte Hexe an. Die Haare standen ihr wie verbrannt vom Kopf und die Warze im Gesicht wirkte größer, als sie tatsächlich war. Diese blauen Augen fixierten ihn sowohl nervös als auch irritiert. Ihre Hand war wie bei seiner ersten Begegnung mit ihr in der Stadt Deleus zur Verteidigung erhoben und verdeckten ihren teils starren Blick.
"Du hast keine Angst?", fragte sie mit ihrem typischen Kratzen in der Stimme. Sie wirkte alterslos, dennoch fast wie fünfzig. Als er sich ein Lagerfeuer vorstellte, ploppte dieses neben Angy auf. Der große Kessel, an dem sie damals in der Hölle daneben gestanden hatte, blubberte neben ihr vor sich hin.
Für Maxi war es nicht leicht, doch die Plastiktüten voller unterschiedlicher Früchte tauchten neben der Feuerstelle auf und kippten sogleich gleich um.
Angy schien vollkommen irritiert und gleichzeitig zuckte ein wissentlicher Ausdruck in ihren Augen. Die blauen Tiefen wirkten heller, wie der weite Ozean und sahen ihn an.
Maxi holte ein Messer hervor, dessen scharfe Klinge in der Sonne glänzte. Er hielt sie Angy hin, die vollkommen verstört das Messer betrachtete.
"Du könntest mich vernichten mit so viel Konzentration und doch gibst du mir ein Messer, mit dem ich dich verletzen könnte?" Ihre Frage war berechtigt, doch nichts dergleichen lag in Maxis Absicht.
Sein Kinn wies zu dem Topf, dessen heißes Wasser in der Sonne dampfe. Die Rauchschwaden des Feuers verschwanden zusammen mit dem transparenten leichten Dampf der kochenden Flüssigkeit sofort im hellen Himmel.
"Du wolltest mir dein Gericht zeigen und ich habe versprochen, es zu probieren."
Ihre Zweifel nahmen rapide ab und ihre Haltung verkrampfte sich nicht mehr. Jetzt wirkte Angy nervös, doch nahm das Messer zur Hand.
"Es fehlt ein...", damit zählte sie unterschiedliche Küchenutensilien, Kräuter und sonstiges auf, dass sie zum Kochen benötigte. Maxi erstellte alles, was Angy verlangte. Wenn es nicht richtig war, korrigierte er es nach ihren Wünschen. Maxi saß da und sah zu, wie Angys schnelle Schnittkünste beim Säbeln der Früchte und Lebensmittel und das Portionieren der Kräuter im Topf samt voller Konzentration ihn irgendwie beeindruckten.
"Ich kann nicht kochen!", sagte er schließlich beiläufig, als Angy vor dem Topf stand und hineinstarrte.
"Quatsch.", sie winkte ab und ihre Haare wirkten nicht mehr so wirr. Vielmehr standen sie nicht mehr ab. Die Warze verkleinerte sich automatisch, je länger sie am Feuer stand. Sie wirkte glücklicher, als sie eine Schale nahm und ihm die Mischung aus grün und gelber Brühe hinhielt. Ein Hähnchenschenkel schwamm drinnen herum und tatsächlich fand er ein halbes Stück Banane samt Schale.
Er musste so lachte, dass es ihn die Tränen in die Augen trieb. Mit hochrotem Kopf forderte Angy ihn auf, schon zu essen. Sie war immer noch misstrauisch, aber er schnipste und eine Bank samt Löffel und eine gefüllte Wasserkaraffe mit zwei Gläsern auf einem Tisch entstand vor ihm.
"Setz dich!", bat er mit erhobener Hand und schaute in den Eintopf in der Schale. Er musste ein wenig über seinen Schatten springen, doch füllte er den Löffel mit einer Karotte, pustete die Hitze weg und öffnete seinen Mund.
Erstaunt hob er die Augenbrauen, als die Mischung aus Bananengeschmack, Würze und Süße ihn erfüllten. Ein Schlucken und der bittere Nachgeschmack der Muskatnuss kam ihn in den Sinn. Er nahm sich zufrieden noch einen Löffel und aß schnell die gesamte Schale leer. Angy schaute überrascht und sie lächelte, setzte sich und drehte das Handgelenk. Der Inhalt des Topfes flog automatisch ihn seinen automatisch schwebenden erhobenen Teller und er aß erneut genüsslich. Angy tat es ihm gleich.
Nach einer Weile fragte sie zögerlich.
"Warum hast du mich nicht vernichtet?"
"Ich wollte es. ", gab er zu und dieses Geständnis ließ sie mürrisch dreinblicken und gleichzeitig leicht zurückschrecken.
"Aber ich habe gemerkt, dass mein Pferd es nicht wollte." Wie durch Zauberhand galoppierte Silberhufe an seine Seite und fraß direkt aus seiner Schüssel.
"Außerdem hatte ich eine kleine Fee, die mir dabei geholfen hat, den Blick fürs Wesentliche nicht zu verlieren. Und irgendwie wusste ich, dass mit stoischen Kämpfen und bloßem Wollen zwar vieles, aber nicht alles zu schaffen ist." Er schaute direkt in die Sonne, die strahlend sein Gesicht wärmte. Dass die Hexe allein durch die Droge aufgetaucht ist, erwähnte er nicht.
In Verbindung mit der ersten Panikattacke beim Auftauchen im Auto hatte sich ihr Bild unbewusst in sein Hirn gefressen. Ketamin kann nach Einnahme durch Panikattacken oder Stresssituationen weitere Halluzinationen erzeugen. Maxi wusste ja nicht, wie viel Thorsten, Tim und Maria ihm ins Bier gemischt hatten. Sein Körper war wohl sehr anfällig für Special K. Da er Monate gebraucht hatte, sich wieder aufzurappeln, ist sie wohl in Vergessenheit geraten. Als dann Luna ebenfalls an einem Unfall beteiligt war und sich die nächste Panikattacke anbahnte, vertiefte er seine Fantasie und automatisch kam sie wieder zum Vorschein.
Angy sah ihn an und schmunzelte.
"Also hat dich dein Pferd und eine kleine Fee zum Kochen überredet und haben mich besiegt, während dein mächtigster Alter Ego kämpfen wollte und es nicht geschafft hat?", fragte sie amüsiert. Und trotzdem schüttelte sie ungläubig den Kopf.
"Ich komme morgen wieder und freue mich auf ein neues Gericht!", meldete Maxi nach einer Weile, schwang sich auf Silberhufe und ritt durch das Kornfeld hinweg in die Freiheit.