Ich schob mir mit einem seligen Stöhnen ein Stück Schokolade in den Mund und wälzte mich herum. Die Nagellackfläschchen standen wartend auf dem Nachttisch und funkelten vor sich hin. Bunte Zehennägel. Das fand Simon so doof, dass ich es noch nie ausprobiert hatte. Dabei fand ich den Gedanken eigentlich sehr witzig.
Mir war klar, dass die Ideen, die ich in der Badewanne ausgebrütet hatte, nicht gerade systemverändernd und revolutionär waren. Aber ich mochte sie trotzdem. Schokolade im Bett essen, ohne Sinn und Verstand am Fernseher herumschalten, geflochtene Zöpfe mit komplizierten Mustern nach Video-Anleitungen ausprobieren und daran verzweifeln. Ich fühlte mich wie ein Teenager, der zwar tolerante Eltern hatte, aber eine sturmfreie Bude trotzdem nicht abwarten konnte.
Es gab so viele Dinge, die ich einfach nie getan hatte, weil ich Rücksicht auf Simon nehmen wollte. Weil er diese Dinge nicht mochte oder albern fand. Ich lockerte die Schleife meines Bademantels und reckte mich nach einer Nagellackflasche. Über mein Gesicht huschte ein schmutziges Grinsen. Diese winzige Flasche hatte zwanzig Euro gekostet. Weil Simon immer tönte, dass ich mich in der Parfümerie ruhig austoben soll!
Und jetzt war unser Lebensstandard plötzlich eine Entschuldigung für seine Affäre. Ich schüttelte dieses dekadente Fläschchen und grunzte verächtlich. »Beim Shopping auf dicke Hose machen und dann bei Annegret ausheulen, das sind mir die Richtigen!«
Ich ließ den Nagellack sinken und zog die Stirn kraus. Ganz langsam aber gewaltig kam mir ein Gedanke. Ich angelte mein Handy vom Nachttisch. Ich hatte Annas Nummer gar nicht, aber ich hatte die Kontaktdaten von ihrer Nachbarin Steffi, die diese B&B-Geschichte managte. Wenn ich das richtig verstanden hatte, wurden die Zimmer ja eigentlich in dem großen Nachbarhof vermietet, aber Anna hatte mir spontan ein Zimmer gegeben, weil im Hof alles belegt war. Dass sie mich nicht abweisen wollten, passte irgendwie verdammt gut zu diesen Menschen.
Ich durchsuchte mein Handy, dann wählte ich die Nummer, die auf dem Buchungsportal angegeben war. Es klingelte eine Weile, dann meldete sich eine fröhliche Frauenstimme. »Hallo, Steffi am Apparat, wie kann ich Sie glücklich machen?«
Ich musste lachen, die gute Laune der Frau war einfach zu ansteckend. Im Hintergrund hörte ich Stimmen, Tassen klirren und Gelächter. Entweder, ich hatte sie in einem Café oder einer Kneipe erwischt, oder es gab gerade einen Snackisnack. Ich seufzte neidisch und erklärte: »Hallo, ich bin Lena Braun, ich habe vor ein paar Tagen bei Anna übernachtet und ich wollte fragen, ob Sie mir vielleicht Annas Telefonnummer geben könnten!«
»Moment!« Ich hörte, wie es leiser wurde, dann schien Steffi eine Tür zu schließen. Immer noch nett, aber ein bisschen vorsichtig sagte sie: »Wir geben eigentlich keine Privatnummern raus. Die Buchungen laufen über diese Nummer und alle anderen Kontaktdaten stehen auf unserer Webseite. Wenn du willst, kannst du Anna eine Mail schicken, sie steht in der Team-Section direkt neben dem Bärchen. Sie meldet sich dann bestimmt bei dir.«
Ich nagte mir unzufrieden an der Lippe. »Ja, okay, das verstehe ich. Aber ich hätte wirklich nur eine winzige Frage an sie und es geht gar nicht um ein Zimmer, es ist mehr so privat und …«
Steffi schnaufte nachdenklich. »Ist es wichtig?«
Ich nickte, dann fiel mir ein, dass ich am Telefon ja etwas sagen muss. »Für mich schon.«
»Na ja, wir sitzen gerade eigentlich im Team, aber ich kann sie eben fragen, ob sie einen Moment Zeit für dich hat. Wartest du kurz?«
Ich sah auf die Uhr und lauschte auf die Hintergrundgeräusche. Anna war schon wieder bei der Arbeit? Jetzt noch? Es war nach acht Uhr abends! Ich hörte wieder Stimmengewirr und wildes Gelächter. Ich glaubte sogar, Svens tiefes, warmes Lachen zu hören, dann war Anna plötzlich da. »Lena! Was kann ich für dich tun?«
Zerknirscht stellte ich fest: »Ich störe dich bei der Arbeit.«
Anna lachte fröhlich. »Ist nicht so wild, das große Team ist eh erst wieder am 2. Januar, wenn alle da und ausgeschlafen sind. Wie wollten gerade zum gemütlichen Teil übergehen.«
Ich musste lachen. Es tat so unglaublich gut, Annas Stimme zu hören. »Und habt ihr das Problem mit Dem Henker seine Hure schon gelöst?«
Anna lachte auf. »Das machen wir, wenn Lilly und der Bärchen da sind, ich freu mich jetzt schon auf die künstlichen Differenzen!«
Ich stutzte. Hatte wie wirklich »künstliche« Differenzen gesagt? Aber sie hatte Lilly erwähnt, das war mein Stichwort. »Ich will dich gar nicht lange aufhalten, aber mir geht da diese Frage im Kopf rum und …«
»Warte, ich nehm dich eben mit in die Upkammer, da ist der Kamin an. Warm und ruhig.«
Ich zupfte mir am Ohrläppchen. Eine »Upkammer« war in alten ostfriesischen Höfen so etwas wie die gute Stube, wenn ich das richtig in Erinnerung hatte. Ich lauschte auf Schritte und Türengeklapper. Anna seufzte mir wohlig ins Ohr. »So, jetzt hast du mich ganz für dich.«
»Ich danke dir.« Fast hätte ich gesagt »Ich fühle mich geehrt!«, weil ich es tatsächlich so meinte. Bei Anna standen schließlich jede Menge Leute Schlange, die sie auch mal ganz für sich haben wollten.
Anna lachte. »Jetzt solltest du auch was sagen!«
»Ah, okay.« Ich kicherte überdreht. »Also, die Sache ist die. Ich frage mich, wie du das hinkriegst. Mit Lilly. Also, dass ihr so entspannt miteinander umgeht und sogar zusammen arbeiten könnt. Wie machst du das?«
Misstrauisch murrte Anna: »Ihr seid aber noch nicht so weit, dass du Annegret euer Gästezimmer anbietest, oder?«
Ich lachte entsetzt. »Was? Nein! Aber als ich nach Hause kam, bin ich ihr direkt in die Arme gelaufen und es war ein Desaster!«
»Bitch-Fight?«
Ich schüttelte wild den Kopf. »Nein, nein, absolut nicht! Simon war das Problem! Annegret wollte auch einen Kaffee trinken, aber sie sah unglaublich verheult aus und sie war total eingeschüchtert und die ganze Atmosphäre war so verkrampft, dass ich einfach nicht wusste, wie ich ein Gespräch anfangen soll. Und dann ist Simon ausgerastet und sie ist ganz leise gegangen. Und das tut mir jetzt alles wahnsinnig leid. Ich bekomme langsam das Gefühl, dass wir die arme Frau als Kollateralschaden unserer Beziehungsprobleme einfach nur zermalmen und das hat keine Frau verdient, oder?«
Anna hauchte: »Wow, ich bin wahnsinnig stolz auf dich!«
Ich lächelte verschämt, dann hakte ich nach. »Wie machst du das mit Lilly? Wie kannst du so unbefangen mit ihr reden?«
»Würdest du auch gern unbefangen mit Annegret reden?«
Ich nickte wild. »Ja, will ich! Auf jeden Fall! Ich komme langsam dahinter, dass viele unserer Probleme einfach da sind, weil wir nicht reden! Keiner mit niemandem, überall ist irgendwie unsichtbarer Stacheldraht, ich stolpere ständig über Tabus! Und ich verstehe jetzt auch, dass es für Annegret ein Albtraum gewesen sein muss, mir zu begegnen! Solange ich eine anonyme, frustrierte Ziege für sie war, war sicher alles viel leichter, aber es muss ihr doch schrecklich gehen! Und ich dachte, wenn wir uns aussprechen, wenn sie merkt, dass ich nicht ihre Feindin bin, vielleicht würde es dann uns allen besser gehen.«
Anna gab ein nachdenkliches Summen von sich. »Und was sagt Simon?«
Ich blies langsam die Luft aus. »Simon ist völlig verwirrt. Er hat wohl tatsächlich Schluss gemacht, aber als wir uns heute gestritten haben, ist er gleich abgehauen zu ihr. Er kommt mir vor wie ein Trinker, der schwört, dass er ab jetzt trocken bleibt und beim nächsten Problem ist er dann wieder sternhagelvoll.«
»Er kann seine Gefühle ja auch nicht einfach abschalten. Der arme Kerl ist wahrscheinlich total orientierungslos. Und bestimmt wollte er keine Verantwortung, sondern nur seine Strafe.«
»Was, wie meinst du das?« Ich stopfte mir Schokolade in den Mund. Kohlenhydrate fürs Gehirn.
Sanft erklärte Anna: »Er ist nicht emanzipiert, Lena. Er macht Sachen nicht, weil er drüber nachgedacht und selbst entschieden hat, was er für richtig hält. Er macht Sachen, weil man die so macht. Beziehungsanarchie erfordert Eigenverantwortung. Solange du dich nach der Norm richtest, hast du ein Wertesystem, für das du nicht die Verantwortung trägst. Du hast es ja nicht selbst gemacht, du musst dich nur daran halten. Das ist viel einfacher als eigene Entscheidungen zu treffen. Deswegen sehnt er sich wahrscheinlich danach, dass du ihm den Kopf abreißt, dramatische Szenen machst, Sexentzug, das volle Programm. Er will seine Strafe ertragen, damit er dir endlich Rosen kaufen kann und Schwamm drüber!«
Ich stöhnte. »Okay, dann hab ich für die Rosen offensichtlich nicht den erwarteten Gegenwert erbracht.«
Anna lachte unbekümmert auf. »Ah, okay, die Rosen waren also schon da. Und jetzt überleg mal, wie das für ihn aussieht, wenn du Annegret einen Kaffee anbietest. Solange du die Ziege bist, hat er es leicht. Wenn er sagt, dass er zum Spielen nicht mehr raus darf, weil er Stubenarrest hat, kann er die Verantwortung auf dich abwälzen. Aber wenn du dich als irgendwie ganz nette Frau entpuppst, die sie mit Respekt behandelt, obwohl sie mit deinem Mann schläft, dann kann er sich nicht mehr hinter seinem Hausdrachen verstecken.«
Ich raufte mir die Haare, dann kippte ich einfach um. Ich fiel rückwärts aufs Bett und jammerte: »Ich kriege gerade das Gefühl, dass ich ganz gewaltig benutzt werde!«
Anna summte ihr beruhigendes Summen. »Er macht das nicht bewusst, Lena. Ich gehe mal davon aus, dass er sich anders verhalten würde, wenn ihm all das bewusst wäre.«
Ich knurrte: »Wo bekommt man eigentlich solche Männer wie deine?«
Anna lachte hell auf. »Die laufen einem nicht zu, die muss man vorsichtig einfangen, liebevoll pflegen und mit ihnen Sprechen üben. So machen wir das jedenfalls. Ich steh ja selber auch oft genug auf irgendeinem Schlauch und bin dann froh, dass meine Männer so viel Geduld mit mir haben.«
»Und dann gibt es einen Snackisnack.« Ich seufzte sehnsüchtig. Ich vermisste die ruhige und offene Atmosphäre in dieser kleinen Küche so sehr!
Ich rappelte mich wieder auf. »Wie hast du es hingekriegt, dass du für Lilly keine angsteinflößende Ziege bist? Oder war sie vor dir da?«
»Nö, Lilly ist noch nicht so lange im Liebes-Clan. Aber du darfst nicht vergessen, dass wir vollkommen andere Voraussetzungen hatten. John hat ihr von Anfang an erzählt, wie wir leben. Und das war für mich eine verdammt wackelige Zeit, weil es auch für John eine Premiere war, sich offen als Poly-Mann zu bekennen. Aber er hat mir auch von Anfang an alles erzählt, deswegen hab ich es irgendwie geschafft, mich sicher zu fühlen. Sonst hätte ich schreckliche Angst gehabt, dass er wieder in seine alten Mono-Strukturen zurückfällt. Schön lecker heimlich fremdgehen und keinen Ärger riskieren. Aber er hat das fantastisch gemeistert. Und Lilly auch. Ich hab größten Respekt davor, wie sie sich dem Antrittsbesuch bei Johns Lieblingsmenschen gestellt hat, da war sie wahnsinnig mutig und offen. Seitdem hab ich sie echt lieb.«
Ich stützte den Kopf in die Hand und seufzte verwirrt. Anna fügte noch sanft hinzu: »Ich hatte riesige Angst, dass Lilly John verletzen könnte. Sie hätte ja auch sagen können, dass sie mit einem wie ihm nichts zu tun haben will und du kennst ja John. Er wirkt immer ein bisschen vertüdelt und viele halten ihn für gleichgültig oder arrogant, weil er keinen Smalltalk kann. Aber tief drin ist er ein unglaublich sensibler Mensch, der sich alles wahnsinnig zu Herzen nimmt. Ich wäre zerbröselt, wenn er Liebeskummer gehabt hätte.«
Ich flüsterte: »Mir wird gerade wieder unglaublich warm ums Herz. Du sprichst so unglaublich liebevoll von ihm. Dabei reden wir über seine Beziehung zu einer anderen Frau! Wo holst du so viel Lieber her? Und wieso können wir das nicht einfach alle so machen? Man muss es ja nicht auf mehrere Beziehungen anlegen, aber wenn es mal passiert, dann ist es doch viel besser, wenn man verständnisvoll und offen damit umgehen kann, oder?«
Anna lachte leise, aber dann mahnte sie: »Rutsch nicht auf die Übermenschen-Schiene, Lena. Versuch bitte nicht, die abgeklärte Poly-Frau zu sein! Bei uns Polys ist auch nicht immer alles toll. Du hast keine Ahnung wie viele Kissen ich schon nass geheult habe.«
Ich atmete mitfühlend tief durch. »Ja, aber du kannst wenigstens über deine Gefühle reden und wirst verstanden. Meine Versuche, mit Simon zu reden, scheitern irgendwie immer an den Blockaden in seinem Kopf. Langsam kriege ich das Gefühl, dass er gar nicht wirklich herausfinden will, wie das passiert ist und wie wir jetzt damit umgehen sollen. Er will einfach nur, dass alles wieder so wird wie früher. Aber das kann ich einfach nicht.«
»Du kannst dein Vertrauen eben nicht ein- und ausschalten.«
Ich sackte deprimiert in mich zusammen. »Ja, da ist wohl was dran.«
Anna murmelte: »Gibt ihm Zeit. Ich weiß ja nicht, wie lang die Sache ging, aber er hat wahrscheinlich verdammt viel Energie investiert, um sich mit Schuldgefühlen zu quälen und sich damit unter Druck zu setzen, dass er eine Entscheidung treffen muss. Er kann jetzt nicht so einfach umdenken und sich entspannen, nur, weil du ihm anbietest, einfach mal in Ruhe zu gucken, was eigentlich los ist.«
Ich fiel auf den Rücken wie ein nasser Sack. »Wo holst du bloß immer so viel Verständnis für meinen Mann her?«
»Mich treibt er ja nicht in den Wahnsinn.« Anna lachte unbekümmert, dann wurde es im Hintergrund wieder unruhig. Sie rief: »Ich komme!«
An mich gewandt fügte sie hinzu: »Moni hat Herrentorte gebacken. Aber richtig! Da sind acht freilaufende Eier drin und mindestens fünf Herren!«
Ich lachte los. »Bevor du wegläufst: Darf ich Silvester zu euch kommen? Und, falls er das möchte, dürfte ich Simon mitbringen?«
»Klar. Ich kann euch aber kein Bett bei uns im Haus anbieten. Steffi baut euch dann irgendwo eine weiche Ecke, wenn ihr nicht ins Bettenlager wollt. Aber bei uns ist geschlossene Gesellschaft. Meine Flügelfrauen kommen beide und da sind wir gern unter uns.« Anna lachte wieder so sanft. »Das hat nichts mit dir zu tun, aber wer noch nicht mit mir im Schildwall gekämpft hat, kommt auch nicht zum Knuddelmuddel.«
Knuddelmuddel. Was sie wohl genau damit meinte? Snackisnack zu fünft? Stundenlange, vertraute Gespräche, weich fließende Gefühle? Durften die Männer dann ihre Frauen vor aller Augen so gefühlvoll küssen, wie sie sich gegenseitig küssten, wenn Anna friedlich dabei saß? Oder kuschelten sie auch alle zusammen? Passierte da sogar … mehr?
Ich bekam heiße Ohren. Vor ein paar Tagen hätte ich den Gedanken an fünf erotisch verstrickte erwachsene Menschen in einem Haus noch höchst schockierend gefunden, aber jetzt kam es mir erschreckend normal vor. Das Haus hatte ja wohl auch genug gemütliche kleine Schlafzimmer …
Plötzlich platzte ich vor Neugier, aber ich traute mich einfach nicht zu fragen. Ich räusperte mich. »Hast du nicht gesagt, dass ihr eine Triade seid?«
»Sind wir! Aber wir sind kein sogenanntes geschlossenes Polykül. Ich finde immer, dass der Ausdruck so ähnlich klingt wie irgendwas aus dem Chemieunterricht, eine gesättigte Lösung oder so. Aber in einem geschlossenen Polykül sind sich drei oder vier Leute treu. Dafür müssten wir Svenne aber wahrscheinlich beim Tierarzt kastrieren lassen und das wollen wir eigentlich vermeiden.«
Ich schüttelte lachend den Kopf und malte verträumt mit dem Finger das Muster meiner Bettwäsche nach. »Das muss schön sein, wenn so viel Liebe im Haus ist.«
»Oh, glaub mir, ich hatte auch schon meine Annegrets.« Anna lachte wie ein Pirat. »Mit mir willst du keinen Ärger haben, glaub mir! Hörst du das?«
Verwirrt über den Themenwechsel blinzelte ich und lauschte. Ich hörte Anna wieder durchs Haus laufen und mit Türen klappern, dann verstand ich, was sie meinte. Ich hörte wieder Stimmen, Gelächter und Geklapper. Und unglaublich wehmütige Musik. Es klang nach flirrender Sonne, Baumwollfeldern und der Melancholie des runter gerockten amerikanischen Südens.
Anna flüsterte: »Svenne hat heute per Kleinanzeige eine alte Blues-Gitarre geschossen, die beiden lernen sich gerade kennen.«
Ich wimmerte sehnsüchtig: »Okay? Scheint ja ganz gut zu laufen mit den beiden!«
Anna lachte sanft, dann flüsterte sie: »Kannst ihn ja Silvester live spielen hören. Ich freu mich!«
Sie hatte aufgelegt, bevor ich noch etwas sagen konnte. Ich dachte kichernd an eine Torte mit mindestens fünf Herren, dann atmete ich tief durch – so wehmütig wie Svens Musik. Es gab so unendliche viele, viele Wege zu lieben. Und anscheinend gab es auch unendlich viele Menschen, die den Mut hatten, sich darauf einzulassen. Nur mein Simon wollte seine verdiente Strafe kassieren, damit wir einfach weitermachen konnten. Als gäbe es da draußen keine Welt, die sich seit den Fünfzigern gedreht hatte.