Ich wurde wach, weil die Matratze schwankte. Simon fluchte leise. »Verdammt! Wie sieht das Bett denn aus?«
Ich brummte unwillig.
»Was zu Hölle liegt hier? Ich hab mich auf irgendwas Hartes gekniet!«
Ich schmatzte schläfrig und murmelte: »Nagellack.«
Simon knurrte gereizt und räumte meinen Laptop zur Seite. »Feierst du hier Partys, wenn ich nicht da bin oder was?«
Ich hob den Kopf und rieb mir die Augen. »Was machst du hier? Ich dachte, du übernachtest bei Annegret!«
Eiskalt zischte Simon: »Ich war nicht bei Annegret! Und wenn, dann wäre es dir ja sowieso egal!«
Ich zog vorsichtig eine halbe Schokoladentafel unter meinem Mann weg. »Vorsicht, das schmilzt!«
Simon äffte mich nach. »Vorsicht, das schmilzt! Offensichtlich geht es dir ja blendend, wenn du das Bett für dich hast!«
Ich fand nicht, dass dieser Vorwurf einen Kommentar verdient hätte, also zog ich nur meine Decke zurecht und kuschelte mich wieder gemütlich ein. Simon boxte in sein Kissen und legte sich hin. Ich überlegte kurz, dann flüsterte ich: »Denkst du nicht, dass du mir die Wahrheit sagen solltest, wenn du mein Vertrauen zurückgewinnen willst?«
Simon setzte sich auf. Ich erahnte im Dunkeln, dass er sich die Haare raufte. »Also gut. Ich war bei ihr, aber sie hat mich rausgeschmissen. Bist du jetzt zufrieden?«
Ich hörte Annas Stimme im Ohr. Ich wäre zerbröselt, wenn er Liebeskummer gehabt hätte.
Fast hätte ich die Hand nach Simon ausgestreckt, um ihn zu trösten. Aber ich wusste, dass er es nicht verstanden hätte. Nach einer Weile ließ er sich wieder fallen und boxte noch einmal in sein Kissen.
Ich starrte im Dunkeln an die Decke. »Ich fahre Silvester nach Ostfriesland, in die WG. Wenn du willst, kannst du mitkommen.«
Simon blieb still. Lange. Irgendwann fauchte er: »Dann sieh zu, wie du den Bolkonskijs erklärst, dass wir sie wieder ausladen!«
Ich dachte kurz nach, dann murmelte ich: »Die Besuchows hast du eingeladen. Ohne mich zu fragen. Also, wenn du mitfahren willst, übernimm auch Verantwortung und erklär es ihnen selber.«
Simon grunzte dumpf: »Glaub bloß nicht, dass ich dich da allein hinfahren lasse!«
Ich schnaubte zufrieden, dann drehte ich mich weg und schlief langsam wieder ein. Aber irgendwann nachts wurde ich wach, weil mein Mann leise und diskret ins Kissen weinte. In der ganzen Zeit, in der wir uns kannten, hatte ich ihn erst zweimal weinen sehen. Einmal, als sein Opa gestorben war. Und einmal aus purer Erschöpfung und Erleichterung. Als er sein Studium endlich hinter sich hatte. Und beide Male war es ihm so unangenehm gewesen, vor mir Schwäche zu zeigen, dass ich mich zurückgezogen hatte, um ihn in Ruhe zu lassen.
Und jetzt lag er da und weinte still um seine Geliebte. Ich hätte triumphieren müssen. Vor ein paar Tagen hätte ich das noch als Sieg verbucht. Aber jetzt blinzelte ich hilflos in die Dunkelheit. Ich hätte ihn zu gern gehalten und gestreichelt, so wie Anna und John es bei mir getan hatten. Er war der Mann, dem ich versprochen hatte, ihn zu lieben und zu ehren und immer für ihn da zu sein, in guten wie in schlechten Tagen.
Das hier war ein schlechter Tag. Aber die Mauer zwischen uns war zu hoch. Er hätte nicht verstanden, dass mein Mitgefühl ehrlich war. Und ganz tief in mir drin fragte auch eine leise Stimme, ob ich nicht doch ein bisschen Häme und Schadenfreude empfand. Ganz tief in mir drin stand immer noch dieses Kesselchen voll Selbstmitleid und brodelte vor sich hin.
Ich wischte mir selbst lautlos mit dem Deckenzipfel die erste Träne aus dem Auge. Wir taten beide, als würden wir schlafen. Aber Simon lag da und weinte um sich selbst, ich lag da und weinte um mich selbst. Aber wenigstens taten wir es zusammen in einem Bett.
Ich würde einen Weg finden müssen, die Mauer zwischen uns einzureißen.