Die Talfons-Familie saßen gerade am Frühstückstisch im Hotel und genossen ihre Ruhe. Aber sie waren nicht alleine, zwei Männer und eine Frau saßen in voller Kampfmontur am Nachbartisch und frühstückten ebenfalls und die Hotelangestellten munkelten, denn so etwas hatten sie noch nie erlebt, dass Mitglieder der Bruderschaft im Hotel Zimmer gebucht hatten und diese Zimmer lagen direkt neben dem Zimmer der Familie, die sich nicht stören ließ. Wer waren diese Leute und warum wurden sie bewacht oder war das alles Zufall?
Doch ein paar Minuten später, die Familie war mit dem Frühstücken fertig, stand einer von der Bruderschaft auf und ging an den Tisch.
»Mit Verlaub, ich möchte euch nicht zu Nahe treten, aber dürfte ich mich zu euch setzen?«, fragte Ian und Miriam lächelte ihn freundlich an.
»Natürlich dürfen Sie das und wenn Sie wollen, können Sie auch gerne mit uns Essen. Ihr alle!«
»Sehr freundlich von Euch, verehrte Herrin!«, sagte Ian und setzte sich mit an den Tisch.
»Bitte, mein Name ist Miriam, das ist mein Gefährte Ralf, meine Tochter Beverly und mein Sohn Phelan. Wenn es möglich wäre, unterlassen Sie die formelle Anrede.«
»Wie Sie wünschen! Ich bin Vize-Hauptmann der Bruderschaft Ian Bhrem und ich möchte mit euch den weiteren Verlauf besprechen!«, sagte er und Beverly musterte ihn.
»Sie waren gestern Abend auch im Gasthof, stimmts?«, fragte Beverly und kurzzeitig war Ian überrascht. Er hatte eigentlich seine Anwesenheit verschleiert, damit die Familie sich einen gemütlichen Abend machen konnte.
»Ja, Sie haben recht Miss. Beverly!«, stimmte er ihr zu. »Sie besitzen eine gute Auffassungsgabe!«
»Und warum ist das für Sie ›überraschend‹?«, fragte Lan, dem die Emotionen von Ian in ihm eindrangen. »Ich habe Sie auch gesehen!« Wieder verblüffte ihm die Familie und er strich sich verlegen durch die Haare. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Kein Wunder, das der Dark Servant sich so weit von seinem Gefährten aufhalten musste. Diese Familie, beziehungsweise die Kinder, waren sehr feinfühlig.
»Nun, weil ich eigentlich meine Anwesenheit verschleiert habe und im Normalfall, dürfte mich dann niemand bemerken!«
»So!«, sagten Lan und Beverly gleichzeitig und Lan drehte sich zu seiner Schwester. »Du hast ihn wirklich bemerkt?«, fragte er und sie nickte. Selbst Miriam und Ralf sahen ihre Tochter überraschend an, denn sie hatten ihn nicht bemerkt. Dass Lan es tat, war klar, immerhin war er ein Empath und erfühlte die Emotionen der Leute in seiner unmittelbaren Nähe, aber Beverly ...?
»Erzähl mir mehr darüber!«, forderte der Vater auf und sein ärztlicher Wissensdurst war geweckt.
»Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll ... wenn da aus dem Augenwinkel, etwas verschwommen ist oder etwas in meinem Blickfeld verschwommen ist und ich dann direkt hinschaue, klärt sich das Bild irgendwie. Und so war es auch gestern Abend und jeden Tag, wenn wir ... na ja ... beschützt werden.«
»Seit wann hast du diese Fähigkeit schon?«, fragte Ralf weiter und Ian wurde ebenfalls hellhörig. Es war das erste Mal, dass er dabei war, wie eine Fähigkeit bei jemanden erwachte.
»Hmm ... es fing an ...!«, überlegte sie und dann bekam sie höllische Kopfschmerzen. »Franziskus ...!«, zischte sie. »Er hat was mit mir gemacht ...«
»Franziskus?«, fragte Ralf.
»Herzogsohn Franziskus Cavanaugh!«, fragte Ian und sie nickte. »Verstehe!«, sagte er und drehte sich zu seinen Leuten. Es brauchte nur ein Blick, sie verstanden, standen auf und verließen das Hotel.
»Was ist los?«, fragte Miriam, die diese Action unheimlich erschien.
»Machen Sie sich keine Sorgen, meine Leute werden einen Spezialisten holen, der die Blockade in Miss. Beverlys Kopf beseitigt.«
»Was hat dieser Kerl mit meiner Tochter gemacht?«, fluchte Ralf los und Ian war leicht geschockt. Bis jetzt sah er Ralf immer als einen ruhigen und ausgeglichenen Menschen an. Aber wenn es um die eigenen Kinder ging, da wurde sogar der friedlichste Mensch zu einer Katastrophe.
»Nun die Fähigkeit von Herzogsohn Cavanaugh ist Einfluss und das hat er wohl bei Miss. Beverly angewandt, warum, keine Ahnung, aber sie kann komplikationslos entfernt werden!«, sagte er, aber denken tat er was anderes. Die Fähigkeit Einfluss konnte jeder Vampir anwenden. Das hatten sie in der Vergangenheit regelmäßig benutzt, um Menschen vergessen zu lassen, dass sie gebissen worden waren. Aber Franziskus Fähigkeit war eine Steigerung, die sich Manipulation nannte. Er konnte die Erinnerung überschreiben, also verändern und derjenige sah es als real an. Aber es funktionierte bei jedem anders. Bei Willensschwache, reichte ein Versuch, bei Willensstärkere musste er die Prozedur ein paar Mal wiederholen, bis es funktionierte.
Lan sah den Vize-Hauptmann an und schüttelte leicht den Kopf. »Der ist neugierig geworden! Und auch wütend ... warum?«, dachte er sich und schloss seine Augen. »Wie ging es noch mal, wie hat Dark gesagt ...?«, fragte er sich und versuchte sich voll und ganz auf den Hauptmann zu konzentrieren. Er filterte überflüssige Informationen die er durch seine Emotionen erlangte raus und versuchte, hinter seinem wahren Grund der Neugierde und diese Wut die Lan gespürt hatte, zu kommen.
»Darf ich Sie was persönliches Fragen Miss. Beverly?«, fragte Ian.
»Sicher nur zu!«
»Wann haben Sie das letzte Mal Herzogsohn Franziskus Cavanaugh gesehen?«
»Vor einigen Wochen ... Ja in der Nacht vorher, bevor ich meinen Test gemacht habe, nein den Tag darauf, da habe ich mit ihm Schluss gemacht!«, antwortete sie. »Und dann noch ein paar Mal, als er mich zurückhaben wollte, aber seit wir im Schloss wohnen, habe ich ihn nicht mehr gesehen!«
»Verstehe, also schon eine Zeit lang her!«
»Warum?«
»Nun seine Fähigkeit, basiert auf Wiederholung. Je öfters er seine Fähigkeit an einer bestimmten Person anwendet und das innerhalb eines bestimmten Zyklus umso stärker und beständiger wird sie dann. Aber bei Ihnen hat es den Anschein, dass er mit seinem Vorhaben nicht fertig wurde. Ihr Gehirn wehrt sich gegen den Eingriff, deshalb haben Sie auch die Kopfschmerzen, wenn Sie sich an etwas erinnern wollen, was er wohl überschrieben hatte. Nun aber wie gesagt, kann Ihnen geholfen werden.«
»Also mit anderen Worten, die überschriebenen Erinnerungen, sind nicht gelöscht, können aber wieder rückgängig gemacht werden und zum Istzustand zurückgebracht werden?«, fragte Ralf und Ian nickte zustimmend.
»Nun es ist zwar eine fürchterliche Fähigkeit, aber eine schwache, die man sehr leicht aufheben kann!«, erklärte er und sein Handy klingelte. »Bitte entschuldigt mich!«, sagte er, stand auf, nahm das Gespräch an und ging weg.
»Er will mehr über uns erfahren!«, sagte Lan plötzlich und jeder schaute ihn überrascht an. »Er will wissen, warum der König so ein Interesse an uns hat und auch welche Fähigkeiten jeder besitzt. Im Moment liegt sein Interesse an dir Beverly, weil er auch unbedingt wissen will, warum Franziskus bei dir ›Manipulation‹ angewandt hat!«
»Manipulation? Hat er nicht Einfluss gesagt?«, fragte der Vater.
»Er wollte euch keine Sorgen bereiten, weil Manipulation eine Steigerung von Einfluss ist. Einfluss ist eine typische Vampireigenschaft, die besitzt jeder Vampir und Bev ... er hat nicht nur Interesse, weil Franziskus an dir wegen was auch immer Manipulation angewandt hatte, er hat schon länger Interesse an dir!«, grinste Lan und zwinkerte ihr zu. Miriam pfiff verblüfft auf.
»Das hast du alles erspüren können und auch in Worte umwandeln, wie du es immer gemacht hast?«, fragte sie und Lan nickte.
»War irgendwie einfach!«, sagte Lan und Beverly glühte wie eine Osram-Birne.
Nach ein paar Minuten kam Ian wieder zurück und entschuldigte die Störung. Er teilte der Familie mit, dass der Spezialist ins Schloss kommen würde, wenn die Familie zurückfuhr, danach ging er mit der Familie die weitere Vorgehensweise durch.
Wenn möglich, sollte die Familie zusammenbleiben. Sicherlich gab es immer Moment, dass einer ging, um was zum Essen oder Trinken zu holen, oder wenn die Natur rief. Da sollten sie sich immer auf nur eine Person beschränken, die den Platz verließ. Danach wandte er sich Lan zu.
»Mr. Talfon, das ist eine Bitte vom König, wenn Ihr spürt, dass Euch unwohl wird, Ihr müde werdet oder ...«
»Wenn mein Vampir zum Vorschein kommt, meinen Sie!« Ian nickte.
»Ja genau, dann sollen Sie keine Scheu haben und es uns sofort mitteilen. Ich habe auch die Anweisung bekommen Sie jeden Tag nach Ihrem Wohlbefinden zu fragen!«, sagte er und Lan nickte. »Na wenigstens ist er kooperativ, nicht so wie die Adelssöhne sonst sind!«, dachte er.
»Mr. Bhrem, wir sind keine Adlige!«, sagte Lan plötzlich und Ian zuckte auf. »Woher ... kennt er meine Gedanken ... hoffentlich kommt sein Geheimnis nicht raus ... er hat Interesse an mir ... das könnte die Fähigkeit göttliches Auge sein ... man ich muss wieder Überstunden machen ... der Chef hat mich wieder angekramt, ich werde kündigen ... Heute werde ich ihr meine Liebe gestehen ...«
»Was passiert hier ... was ...!«, dachte Lan und schaute sich um, doch so wie die Gedanken der anderen in ihn eindrangen, so war es auch wieder weg. Er rieb sich kurz die Stirn und atmete tief ein. Ian hingegen musterte Lan eingehend. »Empathie was für eine verheerende Fähigkeit. Verheerend für den Anwender, wenn er ein Sensibelchen ist. Viele Anwender dieser Fähigkeit sind verrückt geworden, weil sie mit den ganzen Emotionen die auf sie einstrudelten nicht klar kamen ...«