Es war nach Mitternacht, als Joon aufstand, um sich auf sein Zimmer zu begeben, welches er vor einer ganzen Weile in dem Gasthaus angemietet hatte. Er mochte es, auch wenn die Einrichtung karg war und nicht viel mehr als aus einem Tisch, einer Kleidertruhe und einem Bett bestand. Lange aufhalten würde er sich hier ohnehin nicht, davon war er überzeugt. Noch bekleidet in seiner Straßenkleidung, ließ er sich auf das Bett fallen.
»Vielleicht wird es Zeit nach Hause zu fahren«, sinnierte er und musste bei dem Gedanken daran sogar lächeln. »Ich bin viel zu lange hier.« Er warf einen kurzen Blick auf seinen Massenger, der zu seinem Erstaunen die letzten Tage überraschend ruhig geblieben war. Noch war er sich nicht sicher, ob das ein gutes Zeichen war. Doch er hoffte es. Eine Pause von all der Arbeit würde ihm gut tun. Er seufzte und seine Gedanken schweiften ab zu Julia.
Hatte sie das, was sie sagte wirklich ernst gemeint? In dem Moment selbst, sah sie so aus. Doch es wollte nicht zu dem Bild passen, dass er sich von ihr gemacht hatte. Und wenn er eines hatte, dann Erfahrungen mit Menschen. Das dachte er jedenfalls bisher. Aber Julia, sie wirkte gegensätzlich auf ihn. Er biss sich kurz auf die Lippen. War es wirklich klug gewesen, sie so ganz alleine nach draußen zu schicken? Sie einfach zu ignorieren und ihr nicht weiter zuzuhören? Ganz leise regte sich bei ihm das schlechte Gewissen. Aber wirklich nur leise.
»Das spielt ohnehin keine Rolle«, murmelte und versuchte, den Gedanken an sie zu vertreiben. »Ich habe genug eigene Probleme. Da kann ich mich nicht auch noch um die Probleme anderer kümmern. Ich bin immerhin kein guter Samariter. Im Gegenteil.« Joons Blick glitt hinüber zu der Pistole im Waffengürtel, welcher auf dem Nachttisch lag. Er konnte es nicht genau erklären, aber es beruhigte ihn, ihn nah bei sich zu haben. Wenigstens eine Sache, auf die er sich verlassen konnte. Abgesehen davon, war alles andere ungewiss.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Joon endlich einschlief und als es endlich soweit war, wurde er von Erinnerungsfetzen geplagt. Insbesondere die Zeit, in der er im Militär gedient hatte kam immer wieder zurück in seinen Träumen. Auch wenn es jetzt schon fast zehn Jahre her war. Seit seinem Eintritt in diesem, damals war er gerade fünfzehn geworden, hatte er zu viele Menschen sterben sehen. Doch es hatte ihm andererseits auch geholfen, da war er sich sicher. Es hatte ihn zu dem gemacht, der er heute war und ihn von seiner Familie abgelenkt. Daran zu denken, dass seine Familie bei einem Überfall vor seinen Augen getötet wurde. Er hatte sich geschworen, niemals grundlos zu töten. Niemals jemand anderem auf diese Art, das Leben zu nehmen. Dass er nun als Agent für die Regierung arbeitete, machte keinen Sinn. Doch es war der einzige Weg, sich an jenen zu rächen, die sein Leben zu dieser Hölle gemacht hatten.
Gerade als er das Gefühl hatte etwas ruhigen Schlaf gefunden zu haben, weckte ihn ein lauter Knall. Sofort saß Joon kerzengerade ihm Bett. Seine Hand griff nach dem Holster, in dem sich seine Pistole befand. Mit einem Griff, der erkennen ließ, wie oft er dies schon getan hatte, entsicherte er seine Waffe und stürmte aus dem Zimmer.
Kaum, dass er, die Waffe zum Anschlag bereit, das Wirtshaus verlassen hatte, sah er auch schon, was passiert war. Eine der Pattroullien-Drohnen, hatte sich auf einen der Passanten gestürzt. Was Joon bei dessen Anblick nicht verwunderte, denn die Drohnen waren darauf programmiert jede potenziell gefährliche und verdächtige Person festzunehmen. Zudem war die Sperrstunde inzwischen weit fortgeschritten. Dass er in seiner schwarzen Lederkluft nicht selbst festgenommen wurde, lag an seinem Ausweis, den er immer bei sich trug.
»Aufstehen.« Joon packte den Passanten unsanft am Kragen und zog ihn auf die Füße. »Hände hoch.« Er hielt seine Waffe noch im Anschlag. Sie deutete direkt auf den Passanten vor ihm. Die Drohnen waren inzwischen hinter Joon geflogen, so dass sie ihm im Notfall Feuerschutz geben konnten.
Der Passant, ein junger Mann, in Joons Alter sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an und ein Wimmern entwich seinen Lippen. Die Hände hielt er hoch und Joon konnte erkennen, wie er am ganzen Körper zitterte.
»Sie wissen, dass Sie während der Sperrstunde draußen sind?«, erkundigte sich Joon mit scharfer Stimme.
»Ja.« Der junge Mann nickte. »Das ist mir bewusst.«
»Dann nennen Sie mir den Grund. Sofort.« Joons Stimme nahm an Schärfe zu.
Der Mann biss sich auf die Lippen und schwieg.
Die Drohnen, die darauf programmiert waren, menschliches Verhalten zu analysieren anhand von Haltung und Sprache folgen wieder etwas an den Mann heran. Auch Joon, die Waffe im Anschlag machte einen weiteren Schritt vorwärts. »Hände an die Wand. Und zwar jetzt.«, befahl er in einem Ton, der keine Widersprüche zuließ.
Wieder zögerte der Mann, kam dann aber Joons Befehl nach.
Dieser begann damit ihn abzutasten, und zwar gründlich. Kurz darauf wurde er schon fündig. Sein Blick verfinsterte sich.
»Sie werden mitkommen. Auf der Stelle«, befahl er streng. Joon warf einen Blick und diese sicherheitshalber auch. Ein Brummen erfolgte daraufhin und wieder hatten die Drohnen sich hinter Joon positioniert. Er seufzte innerlich. Es wäre doch auch wirklich zu schön gewesen endlich mal seine Ruhe zu haben.