Joon seufzte. Er hatte inzwischen schon seine fünfte Tasse Kaffee bestellt, welche ihm von der Drohne mit dem Hinweis gebracht wurde, dass zu viel Koffein nicht gesund sei.
»Mein Beruf ist auch nicht gesund«, knurrte Joon und blickte sie grimmig an.
»Vielleicht ist es an der Zeit, dass Sie über einen Berufswechsel nachdenken«, schlug die Drohne freundlich vor. »Wenn Sie wünschen kann ich Ihnen gerne Stellenangebote auf Ihr Gerät senden. Ich bin sicher Sie finden etwas, das zu Ihnen passt.«
»Das glaube ich nicht.« Joon nahm einen großen Schluck seines Kaffees.
Die Drohne blieb hartnäckig. »Ich bin mir sicher, Gast. Falls Sie lieber eine Liste von Psychotherapeuten oder Motivationsseminaren wünschen, kann ich Ihnen auch diese senden.«
Joon knurrte einen undeutlichen Fluch, zog dann seinen Stadtpass aus der Tasche und hielt ihn der Drohne hin. »Scanne ID«, befahl er brüsk.
Die Servierdrohne wirkte irritiert, soweit das eben bei einer KI möglich war, schwebte etwas näher heran und begann dann mit dem Scan. Was ein wenig dauerte, denn IDs erfassen und verarbeiten war definitiv nicht die Hauptaufgabe, die sie hier hatten.
»Scan abgeschlossen«, teilte sie ihm dann mit. »Herzlich willkommen Agent Kim Joon. Was kann ich für Sie tun?«
»Mir in zwanzig Minuten noch einen Kaffee bringen und mich bis dahin nicht stören. Ich bin hierher gekommen, weil ich mich in Ruhe um meine Mission kümmern will. Nicht, um Gesundheitstipps zu erhalten«, stellte er klar.
»Ab sechs Kaffees bin ich verpflichtet das in Ihrem Gesundheitsprotokoll einzutragen«, erklärte die Drohne ihm. »Sind Sie damit einverstanden?«
»Von mir aus.« Erneut seufzte Joon. »Mein Boss kontrolliert die sowieso nie.« Jedenfalls nicht auf so Sachen wie erhöhtes Koffeingehalt, das war klar.
Die Drohne schwebte davon, und Joon wandte sich wieder seinem Messenger zu. Die Liste der Firmen, die in dem Gebäude ansässig waren, schien endlos.
Joon blickte auf die geöffneten Daten. Sich tief in die internen Vorgänge von InfiniCore, Elysium Networks und NexisTech einzugraben, würde schwer werden. Die drei Tech-Giganten verarbeiteten zwar mit Vorliebe die Daten ihrer Kunden aber gaben selbst nur ungern die eigenen preis. Vermutlich war es besser, wenn er mit QuantumLock oder NeoBiome anfing. Kleinere Unternehmen waren meistens etwas einfacher und flexibler. Was vor allem daran lag, dass sie sich keine schlechte Presse, oder schlimmer, Eintragungen im Firmenprofil leisten konnten. Bei den großen drei war das was anderes. Man konnte immer dafür sorgen, saubere Records zu haben. Man musste nur wissen, wie.
Joon hob seine Tasse Kaffee, um noch einen Schluck zu trinken. Er musste jedoch feststellen, dass diese inzwischen leer war. Zum Glück kam aber schon die Servierdrohne angeschwebt. Eine dampfende Tasse auf einem Tablett zu ihm bringend.
»Es sind exakt neunzehn Minuten und vierzig Sekunden vergangen«, teilte sie ihm mit. »Möchten Sie ihren Kaffee jetzt schon haben? Oder soll ich in zwanzig Sekunden erneut fragen?«
Joon unterdrückte ein Seufzen. Die Präzision der Drohne war beeindruckend, aber auch ein wenig irritierend. Er fragte sich, ob diese Genauigkeit ein Merkmal aller Servierdrohnen war oder ob es sich um eine spezielle Programmierung des Vintage Rose Cafés handelte.
»Jetzt ist gut, danke«, antwortete er knapp und nahm die Tasse entgegen. Der intensive Duft des frisch gebrühten Kaffees stieg ihm in die Nase, und er spürte, wie sein Körper bereits auf das versprochene Koffein reagierte.
Während er den ersten Schluck nahm, wanderten seine Gedanken zurück zu den Daten auf seinem Messenger. Die Komplexität seiner Aufgabe wurde ihm immer bewusster. Er musste vorsichtig vorgehen, um nicht die Aufmerksamkeit der großen Tech-Unternehmen auf sich zu ziehen. Gleichzeitig wusste er, dass die kleineren Firmen wie QuantumLock und NeoBiome der Schlüssel zu den Informationen waren, die er brauchte.
Er runzelte die Stirn. Auch wenn QuantumLock nicht zu den Großen drei gehörte, war es nicht einfach, direkt an sie heranzukommen. Besonders, da sie sich Datenschutz auf die Fahne geschrieben hatten. NeoBiome dagegen... Es mochte ein Vorurteil sein, aber alles, was nicht mit mega Technik zu tun hatte, war verschrien dazu verträumt zu sein. Und wer träumte, der konnte sich nicht wehren. Das wusste keiner besser als Joon selbst.
»Auch wenn das bei mir meistens Alpträume sind«, murmelte er vor sich hin und war ganz froh, dass die Drohne, im wahrsten Sinne des Wortes, wieder abgeschwirrt war. Denn spätestens jetzt hätte sie darauf bestanden, ihm eine Liste an Therapeuten zu schicken. Erst recht, wenn sie jemals herausfand, dass er seit fast zehn Jahren beim Geheimdienst tätig war.
Joon schüttelte den Kopf und versuchte, sich auf die Daten zu konzentrieren, die vor ihm auf dem Bildschirm flimmerten. Die Herausforderung, die internen Vorgänge der großen Tech-Giganten zu durchdringen, war nicht nur eine Frage des Zugangs zu Informationen, sondern ein Spiel mit dem Feuer. Er wusste, dass jede falsche Bewegung, jede unbedachte Anfrage, ihn in den Fokus ihrer Überwachung bringen könnte. Die großen Unternehmen hatten ihre Sicherheitsprotokolle, und ihre Datenanalytik war so ausgeklügelt, dass es fast unmöglich war, unentdeckt zu bleiben. Auch wenn er einer der Hauptagenten der Regierung war: Hier half ihm das nicht. Im Gegenteil.
»Vielleicht sollte ich mich undercover einschleusen«, überlegte er leise. »Ein bisschen als potenzieller Kunde auftreten und sehen, was ich herausfinden kann.« Das würde zwar einige Risiken mit sich bringen, aber es war eine Möglichkeit, die Informationen zu bekommen, die er brauchte, ohne gleich die Alarmglocken läuten zu lassen.
Doch da war schon das nächste Problem: Um Geschäfte abzuschließen musste man seine persönliche ID vorweisen. Nur der Stadtpass reichte nicht aus. Zumindest nicht bei dieser Art. doch seine ID würde ihn sofort als Agenten ausweisen. Das war genau das, was er vermeiden wollte.
Joon lehnte sich in seinem Stuhl zurück und rieb sich die Schläfen. Er brauchte einen Plan B. So viel war sicher. Er biss sich auf die Unterlippe. Er scrollte durch die Kontaktliste seines Messengers. Es gab jemanden, der ihm helfen konnte. Joon hatte schon ein paarmal mit ihr zusammengearbeitet. Aber es war riskant. Abgesehen davon wusste er nicht mal, ob die Kontakt-ID noch immer dieselbe war. Geschweige denn, ob sie sich überhaupt in der Stadt aufhielt. Er beschloss es, zu versuchen.
»Hier ist JK. Ich häbe ein Geschäft vorzuschlagen«, tippte er also ein. »Bezahlung wie immer.«
Jetzt hieß es nur noch warten.