"Ihr seid also die beiden Abenteurer, die sich freiwillig gemeldet haben", stellte der Mann, der John und Marilyn gegenüberstand fest. Er hatte einen schwarzengrauen Rauschebart und trug eine zerschlissene Uniform. Doch trotz seines ruppigen Aussehens grinste er die beiden freundlich an und seine Lachfalten zeigten, dass er im Grunde ein netter Mensch war. "In der Tat", bestätigte der Junge. "Mein Name ist John und das hier ist Marilyn", stellte er sich und seine Freundin vor. "Freut mich Junge! Mein Name ist Sam! Sam Südwind nennt mich meine Besatzung, weil ich so lange in der Flotte des südlichen Imperiums gedient habe. Heute bin ich nur mehr ein alter Seebär, der Waren transportiert", erzählte der Kapitän ihnen. "Vermisst Ihr die Zeit bei der Marine?", fragte John ihn interessiert und Sam lachte, wobei ein Goldzahn in seinem Mund aufblitzte. "Kein bisschen! Es waren schöne Jahre, aber jetzt freu ich mich, dass ich meinen Lebensabend mit ner ruhigeren Beschäftigung verbringen kann." Er legte dem Jungen seine Hand auf die Schulter. "Wo wir grade davon reden, ich bin euch beiden sehr dankbar, dass ihr uns helft, diese Fahrt auch ruhig zu gestalten. Dieses Piratenpack wird immer dreister", meinte er. "Keine Ursache Kapitän, wir helfen Euch und Eurer Crew gerne", wehrte Marilyn das Kompliment dankbar ab. "Duzt mich, ihr Jungspunde. Ich bin kein Admiral mehr", kicherte Sam und die beiden nickten. "Wenn ihr mich jetzt entschuldigt, ich muss aufpassen, dass meine Jungs keine ruhige Kugel schieben, was das Aufladen betrifft. Man sieht sich an Deck." Damit verschwand der alte Mann. "Was hältst du von ihm?", fragte Marilyn ihren Freund. "Er hat schon viel gesehen, das steht fest. Und wenn er Admiral in der Marine des südlichen Imperiums war, dann hat er mit Sicherheit auch Kampferfahrung. Ich schätze ihn auf Level fünfunddreißig, vielleicht sogar höher", antwortete der Junge ihr. Er lehnte sich gegen die Reling und sah sich das geschäftige Treiben im Hafen an. Überall wurden Kisten auf die Schiffe geladen und Menschen hasteten hin und her. "Hm, insgesamt zwei Schiffe, wenn ich das richtig verstanden habe", murmelte er und Marilyn nickte. "Ganz genau. Das Kleine da vorne ist eine Art Kampfschiff, welches für den Schutz zuständig ist und das, auf dem wir gerade sind, ist das eigentliche Frachtschiff." John blickte zweifelnd auf das kleine Boot, welches zwar schwer bewaffnet war, aber ansonsten nicht wirklich stabil aussah. "Ich habe irgendwie das ungute Gefühl, dass dieses ‚Kampfschiff‘ nicht mal einen Kugelhagel von den Piraten überleben wird", seufzte er. Marilyn grinste und lehnte sich an ihn. "Dann ist es ja gut, dass wir dabei sind", meinte sie und er lächelte. "Na, werden wir etwa romantisch?", ertönte da Sams Stimme und die beiden zuckten erschrocken zusammen. "Kein Grund zur Sorge, so ne Seefahrt hat schon was, das muss ich zugeben. Wir sind übrigens bereit zum Auslaufen." John beruhigte sich schnell wieder und nickte. "In Ordnung, dann wollen wir mal", stimmte er zu. Sam grinste. "Leinen los und Anker lichten ihr Kielratten! Setzt die Segel! Wir nehmen Kurs auf Ventum Maris!", rief der alte Kapitän. Die Mannschaft johlte Zustimmung und tat wie ihr geheißen. Die riesigen Segel des Schiffes blähten sich im Wind auf. So legte das Schiff schließlich ab und steuerte auf die offenen Wassermassen des mittleren Meeres zu.
Es vergingen einige Stunden, in denen nichts passierte. Das große Segelschiff trieb gemächlich über das Meer und das kleinere Geleitschiff fuhr voran. "Oh, der Wind weht über die See, setzt die Segel, juppi juhe!", sang Marilyn, die pausenlos auf dem Schiff auf- und ablief. "Hisst die Flagge hoch, über Wellen wir gleiten, hoho!", sang die Mannschaft lachend mit. "Eure Freundin kann die Leute gut motivieren. Meine Männer haben schon lange nicht mehr so schnell gearbeitet", meinte Sam grinsend. John, der an der Reling stand, nickte geistesabwesend. "Bis jetzt noch keine Spur von unseren Unruhestiftern", murmelte er, während er angestrengt nach einem weiteren Segel am Horizont Ausschau hielt. "Ihr klingt sehr enttäuscht mein Freund", stellte Sam fest. "Seid lieber froh, dass wir eine ruhige Fahrt haben. Das kann sich nämlich ganz schnell ändern." Der alte Mann deutete auf eine dunkle Wolkenfront, die auf sie zukam. "Ich fürchte, dass wir in ein Unwetter geraten werden. Und dann ist’s vorbei mit der Ruhe." John betrachtete die schwarzen Wolken nachdenklich. "Ist alles in Ordnung?", fragte Marilyn, die zu ihnen gekommen war, den Jungen. "Das sind keine normalen Wolken", antwortete John ihr. "Was soll denn das heißen Jungchen?", fragte Sam ihn. "Diese Wolken wurden mit einem Zauber geschaffen. Ich tippe mal auf einen Level dreißig Zauber namens ‚Gewitterfront‘. Sehr kompliziert und sehr gefährlich", erklärte der Junge. "Ja da brat mir doch einer nen Storch! Ihr denkt also, dass die Strolche sich in dem Unwetter verstecken?" John nickte. "Ich schlage vor, dass Marilyn und ich mit dem Kriegsschiff vorausfahren. Ihr bleibt währenddessen in ruhigeren Gewässern und wartet auf unsere Entwarnung." "Betrachte es als erledigt mein Freund", meinte Sam. "Segel streichen Männer! Bringt unser Mädchen zum Stehen!" Die Segel wurden eingeholt und ein Beiboot zu Wasser gelassen. "Dass ihr mir ja zurückkommt!", rief Sam John und Marilyn hinterher, die in dem Boot saßen. "Keine Sorge, wir sind ziemlich hart im Nehmen", beruhigte das Werbiest ihn. "Eins, zwei! Eins, zwei!", gab Marilyn den Rudertakt an. "Langsamer, willst du mich umbringen bevor die Piraten es tun?", schnaufte John. "Ich glaube kaum, dass ich dazu in der Lage wäre", kicherte das Mädchen. Fünf Minuten später waren sie auf dem Kriegsschiff angekommen und wurden von einem Mann mit schwarzem Schnauzer und ernstem Gesicht empfangen. "Seid gegrüßt Abenteurer, ich bin Admiral Finn von Kurzschwert! Kapitän Sam Südwind da drüben war ein guter Freund von mir, als er in der Marine war, darum habe ich mich für den Geleit freiwillig gemeldet", stellte er sich vor. "Sehr erfreut", erwiderte John und machte sich und Marilyn bekannt. "Ich nehme an, dass Ihr einen Plan habt, sonst hättet ihr nicht die Segel streichen lassen." Die beiden nickten und erklärten dem Admiral nochmal in aller Eile ihren Verdacht. "Verstehe. Dann spielen wir also den Lockvogel. Na mir soll’s recht sein", meinte Admiral Kurzschwert und gab Befehl, loszufahren. Das kleine Schiff nahm deutlich schneller an Fahrt auf, als das große Frachtschiff und schon bald hatten sie die Unwetterfront erreicht. "Marilyn, halt die Augen offen, während ich diese Wolken aus dem Weg schaffe", ordnete John an und das Mädchen nickte. Der Junge kletterte auf die vorderste Spitze des Bugs und hielt seinen Stab in den Himmel. "Wird er es wirklich schaffen, diesen Level dreißig Zauber aufzuheben?", fragte der Admiral und Marilyn grinste. "Mit Leichtigkeit", antwortete sie, als Johns Stab an der Spitze aufleuchtete. "Sonnenschein!", rief der Junge laut und ein Strahl schoss in den bewölkten Himmel. Dort wo er in die Wolkendecke einschlug löste er eine Druckwelle aus, die das gesamte Unwetter mit einem Schlag wegfegte. Die Sonne schien hell vom nun strahlend blauen Himmel. "Unfassbar", hauchte der Admiral ehrfürchtig. "Das kommt bereits an Level vierzig heran." "Ja zirka", murmelte Marilyn und musste sich bemühen, um nicht loszulachen. Nicht weit entfernt war ein Schiff aufgetaucht, welches bis jetzt im Nebel verborgen gewesen war. Am Mast flatterte eine schwarze Flagge mit einem weißen Totenkopf darauf. "Dacht ich’s mir doch", murmelte John und sprang zurück an Deck. "Da sind sie! Bereit zum Kampf!", rief Admiral Kurzschwert, doch der junge Magier stoppte die Mannschaft, bevor sie den Befehl ausführen konnten. "Nein, es muss niemand unnötig verletzt werden!", rief er. "Überlasst die Piraten Marilyn und mir!"