"Erhebt euch!" Marilyn, Ignis, Tomoko und Hiroki standen auf. Sie waren alle von Omnix in den großen Thronsaal von Skyfortress gerufen worden. "Hiroki hat mir berichtet, dass nun alles bereit ist", sprach der Reinkarnitor. "Noch am heutigen Tag wird Skyfortress zum Land der Bestien aufbrechen. Es wird Zeit, dass ich sie selbst besuche. Tomoko, ich möchte, dass du mich dorthin begleitest." Der Erzengel nickte. "Was ist mit mir?", fragte Marilyn ihn und der lebende Nachthimmel schüttelte den Kopf. "Du bleibst hier. Wir können es uns nicht leisten, dass sie eine Verbindung zu meiner menschlichen Gestalt ziehen. Wir haben bereits Glück gehabt, dass Furuimori den anderen Waldgeistern nichts erzählt hat", erklärte er. "Bei allem gebührenden Respekt mein Lord, Glück hatte damit nicht wirklich etwas zu tun. Ich selbst habe ihm gesagt, dass er sein Wissen mit niemanden teilen darf", mischte Hiroki sich nun ein. "Ich verstehe", meinte Omnix nachdenklich. "In dem Fall danke ich dir, mein Freund." Dann wandte er sich wieder Marilyn zu. "Ich hoffe, dass du verstehst, warum ich so entschieden habe." Das Werbiest nickte. "Natürlich. Das Letzte, was ich möchte ist, Eure Pläne zu behindern, mein Lord", antwortete sie und Omnix sah sie dankbar an. Es war nicht selbstverständlich, dass sie ihn vor den anderen immer noch so adressierte, aber er war froh, dass sie es dennoch tat. Zwar war er zu Beginn noch dagegen gewesen, doch im Nachhinein fand er es doch besser, wenn sie sich für vertrauere Anreden auf die Zeit beschränkten, in der sie alleine waren. "Nun denn, gibt es noch irgendwelche Fragen?", fragte Omnix laut, so dass alle es hören konnten. Seine Freunde verneinten und das Auge des Reinkarnitors leuchtete zufrieden auf. "Dann setzt Kurs auf die riesigen Wälder des Westens! Die Zeit ist gekommen!"
Marilyn sah auf das Blättermeer, welches unter ihnen hinweg zog. Sie fragte sich, wie ihr Volk wohl reagieren würde, wenn sie ankamen. "Du siehst nachdenklich aus", ertönte eine bekannte Stimme hinter ihr. Sie drehte sich um und erblickte Omnix, der ebenfalls auf die gewaltige Terrasse von Skyfortress gekommen war. "Ich…naja, mir geht eine Menge durch den Kopf", murmelte sie und er trat an ihre Seite. Gemeinsam blickten sie eine Weile schweigend auf die Baumkronen herab. "Das ist das erste Mal, dass ich den Wald aus dieser Perspektive sehe", brach Marilyn schließlich das Schweigen. "Und gefällt es dir?", fragte der lebende Nachthimmel sie. Das Mädchen nickte. "Es ist wunderschön", meinte sie und Omnix nickte. "Da hast du recht", stimmte er ihr zu. Wieder schwiegen beide für einige Zeit, bis Omnix anscheinend genug vom Drumherum-Reden hatte. "Marilyn sag mir die Wahrheit. Was bewegt dich?" Das Mädchen lächelte schwach. "Du kennst mich zu gut", murmelte sie. "Es hat wohl keinen Zweck zu sagen, dass alles in Ordnung ist, oder?" "Du hast es erfasst." "Na schön. Ich mache mir Sorgen um mein Volk. Ja, sie sind sturköpfig und ja, sie haben mir damals etwas Schreckliches angetan, aber sie sind dennoch ein Teil von mir. Ich hoffe nur, dass sie bereit sind, dich anzuerkennen." Omnix Auge leuchtete auf, als ob er sie mustern würde. "Bei den Echsenmenschen hat es auch funktioniert", meinte er und Marilyn lachte. "Das sind keine Echsenmenschen. Das sind Wilde, die nicht mal die Waldgeister, ihre eigenen Götter, respektieren können!", rief sie. "Und doch werden sie mich respektieren", meinte der Reinkarnitor. "Ich…ich hoffe es", murmelte sie. Omnix erkannte offenbar, dass sie immer noch nicht überzeugt war. "Und wenn sie nicht bereit sind? Wenn sie mich nicht respektieren?", fragte er deshalb. Marilyns Blick wurde plötzlich wieder entschlossen, als wäre ihre Unsicherheit zuvor nur Einbildung gewesen. "Du weißt ganz genau, wenn sie sich gegen dich stellen, dann werde ich dafür sorgen, dass sie es bereuen", antwortete sie kalt. Omnix legte ihr beruhigend seine Hand, von welcher eine angenehme Wärme ausstrahlte, auf ihre Schulter. "Ich verlange nicht von dir, dass du so etwas tust. Sei unbesorgt, denn ich werde einen Weg finden, sie zu überzeugen. Das verspreche ich dir." Marilyn sah ihn kurz an, dann blickte sie wieder auf das Blätterdach. In dem Moment, wo sie ihren Blick von ihm abwandte, verschwand auch seine Wärme und als sie sich überrascht wieder umdrehte war er verschwunden. "Ich…ich vertraue dir John. Ich würde dir mein Leben anvertrauen", flüsterte sie und schaffte es tatsächlich, wieder zu lächeln.
"Wir haben unser Ziel erreicht Lord Omnix!", gab Tomoko bekannt. Die riesigen Tore, die in der felsigen Wand von Skyfortress eingelassen worden waren, öffneten sich und unter ihnen konnte Omnix den Wald sehen, den er vor Kurzem zusammen mit seinen Freunden bereist hatte. "Bereit?", fragte er den Erzengel, der neben ihm stand. "Bereit", antwortete Tomoko. "Ich wünsche einen guten Flug!", lachte Ignis, als die beiden die Insel verließen. Tomoko entfaltete ihre Flügel und ließ sich vom Wind tragen, während Omnix die Gravitation um sich herum so ausbalancierte, damit er in der Luft blieb, so wie er es immer tat. Im Laufe der Jahrtausende hatte er diese Technik gemeistert und beherrschte sie inzwischen schon im Schlaf. Gemeinsam flogen sie über die riesigen Bäume hinweg und auf das Dorf zu, welches Omnix als Mittelpunkt auserkoren hatte. Als sie schließlich dort angekommen waren, blieben sie in der Luft über dem Dorf stehen. Es dauerte nicht lange, bis sie von jemanden entdeckt wurden. Der Reinkarnitor wusste es sofort, als überraschte Rufe von unten kamen. "Wir werden landen Tomoko", kündigte er an und sie nickte. "Ich bin direkt hinter Euch, mein Lord." Sie setzten vor der großen Hütte des Häuptlings auf, aus welcher gerade das Oberhaupt des Dorfes kam. Er musterte die beiden mit einem unidentifizierbaren Blick. "Dann hat der Magier also tatsächlich die Wahrheit gesagt", murmelte er. "Ihr seid also der, den sie Omnix nennen." Der lebende Nachthimmel nickte. "Man teilte uns mit, dass Ihr herkommen werdet. Doch warum, das wissen wir nicht. Verratet mir also den Grund Eures Besuches." "Ich denke, dass Ihr schon wisst, weshalb ich hier bin. Erlaubt mir, mich noch einmal formell vorzustellen. Ich bin Omnix, der Oberste der alten Götter und ich reise in alle Länder, um diesen Platz wieder einzunehmen und den Ländern zu helfen", erklärte er. "Wie interessant. Nun gut, mein Name ist…" "…Vulpis, Häuptling dieses Dorfes und Sohn von Diro und Nabem", beendete Omnix seinen Satz und das Werbiest sah ihn überrascht an. "Woher wisst Ihr, wer ich bin?", fragte er und Omnix‘ Auge leuchtete belustigt auf. "Ich weiß mehr über Euch, als Ihr denkt. Ich weiß auch, dass Ihr noch nicht lange Häuptling dieses Dorfes seid. Ich weiß, dass der Magier, der vor einiger Zeit hier durchkam Euren alten Häuptling als Verräter auffliegen hat lassen." Vulpis Fuchsohren zuckten angespannt. "Woher…" "Ich wäre ein lausiger Gott, wenn ich das nicht wüsste", unterbrach Omnix ihn. "Dass Ihr all das über mich wisst, beweist noch lange nicht, dass Ihr auch das seid, wofür Ihr Euch ausgebt!", knurrte Vulpis und Omnix seufzte. "Ist es denn wirklich so schwer, auch nur einmal von Anfang an anerkannt zu werden? Wen muss ich denn noch alles überzeugen?", fragte er laut. Tomoko sah den Häuptling sauer an. "Ihr habt Lord Omnix mit Eurer Aussage sehr beleidigt", meinte sie mit einer Stimme, die zwar ruhig war, aber eindeutig Gefahr innehatte. "Wisst Ihr, was Euch jetzt erwartet?" Sie begann silbern zu flimmern, als sie ihre Energie ansammelte. Doch bevor sie angreifen konnte legte Omnix ihr seine Hand auf die Schulter und hielt sie so davon ab. "Ganz ruhig Tomoko", beruhigte er sie. "A-aber Lord Omnix", protestierte sie, doch er schnitt ihr das Wort ab. "Ist schon in Ordnung. Ich habe mich inzwischen damit abgefunden, dass die meisten Lebewesen die Wahrheit nicht mal erkennen, wenn sie vor ihnen steht." Er wandte sich wieder an Vulpis. "Ich weiß genau, dass ihr Werbiester nur diejenigen respektiert, die euch besiegt haben. Darum habt ihr ja auch die Waldgeister nie respektiert, obwohl sie eure Götter sind, einfach nur, weil sie sich bis jetzt nie einmischten. Nun, das wird sich jetzt ändern." Vulpis sah ihn verwirrt an. "Worauf wollt Ihr hinaus?", fragte er ihn. Im war anzuhören, dass er nervös war. Omnix‘ Auge leuchtete amüsiert auf, dann hob er seine rechte Hand. "In fünf Tagen werde ich euch angreifen. Der Angreifer wird einer meiner engsten Vertrauten allein sein. Sein Name ist Hiroki und er ist der Anführer der Waldgeister. Solltet ihr ihn besiegen, was ich für sehr unwahrscheinlich halte, werde ich abziehen. Aber wenn nicht, dann werdet ihr in Zukunft nicht nur die Waldgeister, sondern auch mich respektieren." Er erhob sich in die Luft und wollte wegfliegen, doch Vulpis hielt ihn auf. "Wartet! Ich habe nicht zugestimmt!", rief er. Omnix lachte laut. "Ich hatte auch nicht vor, Euch um Erlaubnis zu fragen", antwortete er. "Ihr wisst ganz genau, dass mein Stamm nicht gegen einen Waldgeist bestehen kann!" "Wer redet denn auch davon, dass nur Euer Stamm beteiligt ist?", fragte Omnix und Vulpis sah ihn fragend an. "Es geht um die Zukunft aller Werbiester. Ich gebe Euch und den anderen Werbiestern fünf Tage, um euch zu versammeln. Hiroki wird es mit allen Stämmen gleichzeitig aufnehmen." Der Häuptling sah den Reinkarnitor ungläubig an. "Da Ihr anscheinend keine weiteren Fragen mehr habt, werde ich mich nun verabschieden", schloss dieser seine Erklärung ab und bedeutete Tomoko, dass sie nach Skyfortress zurückkehren würden. Im nächsten Moment waren beide am Horizont verschwunden und Vulpis blieb alleine mit seinen Leuten zurück.