Omnix stand vor dem gigantischen steinernen Tor, welches offenbar direkt in den Berg gehauen worden war. Es sah so aus, als hätten mehrere hundert Leute jahrzehntelang daran gearbeitet. Links und rechts von dem Tor standen zwei riesenhafte Statuen, die Männer mit wilden Bärten darstellten, welche sich auf Hämmern stützten, die ihnen fast bis zum Hals reichten. Sie waren ebenfalls in das Granit des Berges eingemeißelt worden. Es war ein beeindruckender Anblick, der sogar mit der Pracht von Skyfortress mithalten konnte. "Ziemlich imposant", meinte der Reinkarnitor, während er das Ganze betrachtete. "Ja, ganz nett", murmelte Tomoko, die neben ihm stand. "Du kannst dir nicht eingestehen, dass neben den Erzengeln noch andere Rassen so schön bauen können, habe ich recht?", fragte er sie amüsiert. Der Erzengel zog einen Schmollmund. "Wenn sie so schön bauen können, warum tun sie es dann nicht an einem Ort, wo es jeder sehen kann, anstatt in diesen fürchterlichen Bergen?", fragte sie. "Das Drachengebirge ist nicht fürchterlich. Es ist vielleicht etwas kalt, aber trotzdem bietet es unzähligen Lebewesen Zuflucht", belehrte Omnix sie. "Monstern wie Goblins und Orks vielleicht", widersprach sein Gegenüber. "Hättest du es lieber, dass diese Monster woanders herumlaufen, wo sie andere töten könnten?", fragte Marilyn scharf, die bis jetzt nur zugehört hatte. Die Diskussion wurde davon unterbrochen, dass sich das Tor mit lautem Poltern öffnete. Eine kleine Gruppe an Zwergen kam heraus, in ihrer Mitte einer, der eine goldene Krone auf seinem Haupt trug und in einen seidenen Mantel gehüllt war. Die Krone selbst war über und über mit Juwelen bestückt. "Ihr habt die Ehre vor König Torre zu stehen, dem Herrscher des Drachengebirges und König der uralten Zwergenstadt Subterra!", rief einer der Zwerge. "Ehre? Ihr steht hier vor niemand anderem, als dem Obersten der alten Götter, Lord Omnix, Herr über Skyfortress!", rief Tomoko und die Zwerge, die den König begleitet hatten, sahen sie grimmig an. Doch bevor sie etwas erwidern konnten trat König Torre vor und bedeutete ihnen, ruhig zu bleiben. "Gott oder nicht, wir haben einen mächtigen Mann vor uns! Ihr werdet ihm den Respekt zollen, der ihm zusteht!", befahl er. "Dasselbe gilt für dich Tomoko! Vor dir steht ein König, wie man es auch betrachtet!", schloss sich Omnix an und der Erzengel senkte schuldbewusst den Kopf. "Ich bin sehr dankbar, dass Ihr meine Einladung angenommen habt, Lord Omnix", meinte der Zwergenkönig. "Viel habe ich schon von Euch gehört und gefreut habe ich mich auf den Tag, an dem ich Euch in meinem Reich willkommen heißen kann." "Ganz meinerseits Majestät." Die Zwerge führten die drei Besucher durch das große Tor in die Zwergenstadt.
Der Anblick, der sie dort erwartete, verschlug sogar Tomoko die Sprache. Gigantische Hallen mit goldenen Böden und silbernen Decken, in die Wände waren magische Juwelen eingearbeitet, die für Licht sorgten. Unzählige Zwerge gingen geschäftig durch die Gänge, schoben Schubkarren voller Edelmetall vor sich her, oder schleppten schwere Säcke gefüllt mit den wunderschönsten Schmuckstücken. Sie gingen über eine massive Steinbrücke, die über einen scheinbar unendlich tiefen Graben führte. Von weit unten konnte man das Schlagen von Hämmern hören und das flackernde Feuer der gigantischen Schmieden war bis ganz nach oben zu sehen. Der Thronsaal stand dem in Skyfortress um nichts nach. Ein Thron aus massivem Diamant mit einem Sitzpolster aus teurer roter Seide stand am hinteren Ende des gigantischen Raumes. Auf diesem nahm König Torre nun Platz und seine Untertanen verneigten sich vor ihm. "Ich weiß, dass Ihr sehr große Dinge vollbracht habt, und zwar bei allen Völkern dieser Welt! Doch Ihr versteht hoffentlich, dass ich trotz allem nicht einfach so bereit bin zu glauben, dass Ihr ein alter Gott seid!" Marilyn schüttelte fassungslos den Kopf. "Wäre ja mal was ganz neues", seufzte sie und Omnix wuschelte ihr durch die Haare. "Vergiss nicht, dass die Elfen von Anfang an auf unserer Seite standen", erinnerte er sie. "Ein Grund mehr, warum ich misstrauisch bin", mischte sich Torre nun wieder ein. "Ich habe bereits gehört, dass ihr Zwerge euch nicht gut mit den Elfen versteht. Gibt es dafür einen Grund?", fragte der Reinkarnitor den König, welcher zustimmend nickte. "Vor langer Zeit war das Drachengebirge ebenfalls ein wunderschönes grünes Paradies. Wir Zwerge lebten mit den Waldgeistern hier in Frieden und boten ihnen das Gold, was wir ausgruben als Opfer an. Doch eines Tages zogen die Waldgeister in die Wälder des Westens, da die Elfen sie mit Büchern und Wissen lockten. So wurde das Gebirge zu der grauen leblosen Landschaft, die Ihr heute kennt. Dadurch kamen die Drachen und Monster hierher. Seitdem schworen wir Zwerge, nie wieder Götter anzubeten!", erklärte der Zwergenkönig dem lebenden Nachthimmel. "Ihr scheint Euch ja ziemlich gut daran erinnern zu können, Majestät", stellte Omnix fest, woraufhin der König eine abwehrende Handbewegung machte. "Ich lebte zu dieser Zeit noch nicht", antwortete er. "Die Geschichte kennt jeder Zwerg, sie wurde von Generation zu Generation weitergegeben." "Mit anderen Worten könnt Ihr nicht mal mit Sicherheit sagen, dass es wirklich so gewesen ist", fuhr der Reinkarnitor fort. "Ihr wagt es, unsere Vorväter infrage zu stellen?", fragte einer der Zwerge entrüstet und die anderen schlossen sich ihm an, bis König Torre sich erhob und seinen Untertanen bedeutete, ruhig zu werden. "Eure Worte ergeben durchaus Sinn, Lord Omnix. Doch wie würdet ihr das beweisen wollen?", fragte er. "Es ist ziemlich einfach. Wir müssen nur jemanden fragen, der seinerzeit dabei gewesen ist." Omnix Blick richtete sich auf Tomoko. "Ich bitte um Vergebung Lord Omnix, aber wir Erzengel haben uns nie wirklich mit den Zwergen verstanden. Ich kann Euch diesmal nicht weiterhelfen", entschuldigte sie sich. Der lebende Nachthimmel rieb sich nachdenklich das Kinn, dann leuchtete sein Auge plötzlich auf, als wäre ihm gerade etwas eingefallen. "Nun, zu unserem Glück kenne ich jemanden, der uns bei diesem Dilemma helfen kann", meinte er und alle sahen ihn erwartungsvoll an. "Mit Eurer Erlaubnis würde ich ihn gerne zurate ziehen und dann mit der Antwort zu Euch zurückkehren." Torre strich sich durch seinen langen Bart, während er überlegte. "Gut, es sei! Wenn Ihr diesen uralten Konflikt tatsächlich lösen könnt, dann seid Ihr es in der Tat würdig, ein alter Gott genannt zu werden!", beschloss er dann. Omnix nickte und verließ den Thronsaal, Tomoko und Marilyn dicht hinter ihm. "Was genau habt Ihr vor?", fragte das Werbiest ihn, während sie hinausgingen. "Ich werde jemanden um Hilfe bitten müssen, der mir sicher nicht helfen will."