John landete sanft an Deck des Piratenschiffes und setzte Marilyn behutsam ab. Sie wurden augenblicklich von den Seeräubern umzingelt. Es waren allesamt wild aussehende Kämpfer. Einige trugen Morgensterne, andere Keulen und wieder andere Degen und Säbel. Einer stach jedoch besonders heraus, da er einen Stab trug, der aus Holz geschnitzt worden war. Dagegen wirkte Johns Stab, der wie ein abgebrochener Ast aussah, dem man einen Saphir eingesetzt hatte, sehr armselig. "Wer ist der Kapitän auf dieser Nussschale?", fragte John laut. Ein Mann mit einem großen Hut, auf dem eine weiße Feder angebracht worden war, trat vor. Er hatte wache Augen und einen dichten braunen Bart. "Das wäre ich mein Freund!", stellte er sich vor. John hob seinen Stab und deutete auf ihn. "Euch werde ich eigenhändig schlagen!", kündigte er an und die gesamte Mannschaft lachte. John ließ sich davon jedoch nicht aus dem Konzept bringen und schwenkte den Stab in Richtung des Magiers. "Und dann seid Ihr dran!", meinte er. "Ich bin zwar beeindruckt, dass Ihr meinen Sturm aufheben konntet, aber ich denke, dass Euch dieser Erfolg etwas zu Kopf gestiegen ist!", lachte der Mann. "Marilyn, du kümmerst dich um die Mannschaft", meinte er und das Mädchen nickte. "Kapitän, Magier, wir werden uns dort drüben bis zur Kampfunfähigkeit bekämpfen", meinte er und deutete mit dem Stab auf das Hüttendeck, wo sich das Steuerrad befand. "Meinetwegen", stimmte der Kapitän grinsend zu. "Jungs, zeigt diesem Gör hier inzwischen, was Angst bedeutet!" Die Mannschaft grölte zustimmend. Kaum waren die drei verschwunden konzentrierten sich die Männer auch schon wieder auf Marilyn. "Na Kleine, was hast du denn vor? Willst du uns etwa mit Niedlichkeit niederstrecken?", fragte einer der Männer kichernd und die anderen lachten. "Sie ist wirklich süß", murmelte ein anderer. "Wir sollten sie nicht töten, sie könnte noch nützlich sein." "Wohl wahr! Auf diesem Schiff ist’s mir manchmal auch zu langweilig. Da käme sie gerade recht!", stimmte ein weiterer zu. Marilyn lächelte mitleidig. "Verzeiht mir, aber ich habe bereits jemanden, den ich liebe", meinte sie und nahm ihre Kapuze ab, so dass ihre Ohren sichtbar wurden. "Sie ist ein Werbiest!", rief einer der Männer erschrocken. "Schnell, bevor sie…" Weiter kam er nicht. Im nächsten Moment war sie bereits bei ihm und schleuderte ihn gegen den Mast, wo er bewusstlos liegenblieb. "Nun, wer ist der nächste?", fragte sie und grinste die Männer an, wobei man klar sehen konnte, dass ihr Jagdinstinkt nun die Überhand gewonnen hatte. Sie würde das hier genießen. Die Männer sahen kurz unentschlossen und verängstigt auf sie, doch dann liefen sie mit lautem Kampfgebrüll auf sie zu. Marilyns Zähne blitzten gefährlich auf, als sie laut fauchte und sich dann mit einem irren Lachen auf ihre Angreifer stürzte.
"Eure Männer werden geschlachtet", meinte John ungerührt. Er stand mit seinen beiden Gegnern auf dem höheren Deck. Unter ihnen konnten sie die verzweifelten Schreie der Seeräuber hören, die sich vergeblich gegen Marilyn zur Wehr setzten. "Wenn ich hier sterben sollte, dann werde ich wenigstens noch ein Großmaul wie Euch mitnehmen!", rief der Magier sauer. "Froststoß!" Ein eisiger Wind fegte auf John zu und fror den Jungen in einen Eisblock ein. "Das ging ja einfacher als ich dachte", meinte der Kapitän grinsend. Doch plötzlich begann der Block zu leuchten und Risse bildeten sich im Eis. Mit einem gewaltigen Knall explodierte das eisige Gefängnis und John beutelte sich den Schnee von seiner Kleidung, als wäre nie etwas geschehen. "Bastard!", schrie der Kapitän sauer und ließ seinen Degen auf ihn niedergehen. John wehrte mit seinem Stab ab und die beiden stemmten sich gegeneinander. "Durchsicht!", rief der Junge und seine Augen leuchteten auf. "Ihr habt keinen einzigen Skill", stellte er überrascht fest. Neben ihm machte sich der Magier bereit für seinen nächsten Angriff. "Sternenschauer!", rief er. "Druckwelle!", rief John und der Kapitän wurde gegen die Reling geschleudert. Blitzschnell drehte sich der Reinkarnitor um. "Magieunterbrechung!", rief er und der Funkenregen, der auf ihn zukam prallte an einer unsichtbaren Wand ab. "Nachtnebel!" Das gesamte Deck wurde in schwarzen Rauch gehüllt. Der Kapitän, der sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte, stellte sich Rücken an Rücken mit dem Magier auf. "Keine schlechte Strategie", ertönte Johns Stimme aus dem Nebel. "Aber wird das auch reichen, um euch zu schützen?" "Verdammt, wo ist er?", fragte der Kapitän sauer. "Der Zauber Nachtnebel täuscht unsere Sinne. Das ist nicht nur ein Nebel, er lässt uns auch glauben, dass seine Stimme von überallher kommt. Bleibt wachsam Käpt’n!", rief der Magier. "Da hast du recht", ertönte Johns Stimme wieder aus der Dunkelheit. "Aber es ist trotzdem eine Art Rauch, weshalb ich auch das hier tun kann: Rußnadeln!" Der Rauch komprimierte sich in hunderte spitze Nadeln, die plötzlich auf sie zuflogen. "Antipfeilkokon!", rief der Magier und gerade noch rechtzeitig manifestierte sich der Schutzzauber um die beiden herum. John sah sie interessiert an. "Gute Reflexe", murmelte er. "Unterschätzt uns nicht! Stärkeschub!" Der Kapitän leuchtete golden auf und stürzte auf John zu. Es folgten einige Schläge, die zwar stärker waren, als der vorherige, aber trotzdem mit Leichtigkeit von dem Jungen pariert wurden. "Sporen!", rief John und eine Staubwolke schoss aus seinem Stab. Der Kapitän wurde eingehüllt und fiel bewusstlos zu Boden. "Du Dreckskerl!", schrie der Magier wütend und stürzte auf den Jungen zu. John fuhr blitzschnell herum. "Lichtblitz!", rief er und ein gleißender Lichtstrahl blendete seinen Angreifer, welcher zurücktaumelte. John schwang seinen Stab und verpasste dem Piraten-Magier einen derartigen Schlag gegen den Hinterkopf, dass dieser zu Boden fiel und nicht mehr aufstand. Der Kampf war beendet.
John trat an das Geländer und blickte hinunter zu Marilyn. Das Mädchen atmete schwer und leckte sich die Lippen, welche, genau wie ihre Krallen, blutbefleckt waren. Sie blickte auf den Jungen und war mit einem einzigen Sprung bei ihm. Ihre Haare waren gesträubt und ihre Augen hatten einen wilden Blick. "Marilyn, beruhige dich, ich bin es. John", flüsterte der Junge und ihre Atmung wurde wieder ruhiger, bis sie ihre Krallen schließlich einfuhr, ihre Ohren nicht mehr angelegt waren und ihre Haare wieder ihre normale Stellung annahmen. "Ich habe wirklich gehofft, dass du dich zumindest diesmal zurückhalten könntest. Aber nein, du musstest sie alle töten", meinte John kopfschüttelnd. Marilyn blickte erschrocken auf das Massaker, welches sie an Deck angerichtet hatte. "John, es…es tut mir so leid!", rief sie entsetzt. "Ich…ich konnte es nicht kontrollieren!" Sie sank auf die Knie und blickte mit weit aufgerissenen Augen auf ihre Hände. John kniete sich zu ihr und umarmte sie sanft. "Ist schon okay Marilyn, ist schon okay. Ich habe die beiden, die wichtig sind", flüsterte er und sie beruhigte sich langsam. "Ich bin ein Monster", hauchte sie. "Nein, das bist du nicht!", antwortete er bestimmt. "Du bist das Mädchen, in das ich mich verliebt habe. Du bist Marilyn. Nicht mehr und nicht weniger." Sie sah ihn mit Tränen in den Augen an. "John", flüsterte sie und schmiegte sich an ihn. "Lass uns das Schiff zum Admiral steuern", meinte er und sie nickte langsam. "Okay", stimmte sie leise zu und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie stand auf und wollte zu den Leinen gehen, um die Segel zu setzen, doch John hielt sie am Arm zurück. "Marilyn, du musst dich nicht schämen. Jedes Werbiest hätte so gehandelt, wenn es gegen schwächere Gegner gekämpft hätte. Niemand kann dich dafür verurteilen." Sie lächelte schwach. "Das weiß ich, aber ich kann trotzdem traurig sein, oder?", fragte sie ihren Freund. "Ja das kannst du Marilyn. Sei traurig, sonst bist du gefühllos, so wie ich es damals war. Und wenn du gefühllos bist, dann bist du verloren." Das Mädchen nickte, dann ging sie los, um das Schiff in Bewegung zu setzen.