DIENSTAG MORGEN. PRAXIS BEEVERSTONE.
“Hallo, was kann ich für Sie tun?”, fragt die neue Sprechstundenhilfe über die Anmeldung hinweg.
„Norman Scaddy. Ich hab einen Termin bei Dr.Beeverstone.“
Die Sprechstundenhilfe senkt ihren blonden Bubbikopf über den Kalender und sagt:
„Ach ja, hier. Mr.Scaddy gehen Sie doch schon mal ins Sprechzimmer.“
„Ja, mach ich, Miss…?“
„Cindy. Mein Name ist Cindy. Ich bin neu hier.“, lächelt die Sprechstundenhilfe Norman an.
„Ah ja, Cindy. Bis nachher dann“, winkt Norman ihr ganz Prinz charming zu.
Netter Kerl!, denkt Cindy.
„Also, Norman, hereinspaziert! Du siehst prächtig aus!“, ruft Beeverstone erfreut.
„Jipp, Doc. Mir geht’s auch ganz gut“, antwortet Norman froh gelaunt.
„Und deinen Hund hast du auch wiedergefunden, wie ich sehe!“, Beeverstone hat sich ans Fenster gestellt, von wo aus er Ginger neben der Eingangstreppe liegen sehen kann.
„Ja“, antwortet Norman relaxt, „sie ist ein bisschen durch die Wälder gestreunt. Vielleicht braucht ein Hund das auch mal, haha.“
„Tja, das mag wohl sein“, lacht Beeverstone. „Ein ausnehmend hübsches Tier. Ist sie nicht ein bisschen groß für einen Australian sheppard?“
„Sie ist sehr muskulös“, antwortet Norman rasch und krempelt dann seinen Ärmel hoch, um das Thema zu wechseln. „Schauen Sie, Doc, ich glaube, Ihr Mittel wirkt.“
Beeverstone tritt näher, um die Haut des Jungen in Augenschein zu nehmen.
„Hm, das sieht doch ganz ordentlich aus. Wie oft hast du das Mittel jetzt genommen?“
„Silicea? Drei Mal.“
„Na, dann denke ich, kann ich dich, was die Photophobie angeht, als geheilt entlassen! Dennoch solltest du noch vorsichtig sein, und nicht in der Sonne braten! Du bist mir eher so der Typus aristokratischer Blässe“, lacht Beeverstone mit erhobener Hand.
„Keine Angst, Doc. Ich werde auf meinen Teint achten“, lacht auch Norman, wobei seine Augen nicht mitlachen.
„Ja, und da sich deine Blutwerte erstaunlich gebessert haben, denke ich, es reicht, wenn du mich in einem Vierteljahr wieder besuchst, mein Junge.“
„Wird gemacht, Doc“, erwidert Norman gespielt soldatisch und reicht Beeverstone die Hand. Erschrocken nimmt Beeverstone die Kälte dieser Hand wahr. Vielleicht hätte ich ihm doch etwas gegen zu niedrigen Blutdruck verschreiben sollen, denkt der Doktor.
FREITAG NACHT. MC CLUER HIGHSCHOOL.
„Hey, Alter! Sauf nich alles alleine! Gib mir die Pulle rüber!“, schreit ein gegelter Typ in Baggys seinem Kumpel zu.
„Ey, chill mal dein Leben“, antwortet ein Freak mit Zopf und zerrissenen Jeans.
Die Gruppe besteht aus fünf Jungs, die mit ihren Skateboards zusammen stehen, Flaschen und Joints kreisen lassen.
„Mann, ich hab letzten Samstag die Tusse aus dem Spanischkurs geknallt.“
„Die Rothaarige, echt?“
„Jipp.“
„Und, wie war’s, Mann?“
„Heiss war’s, echt heiss“, der blonde Schönling bläst den Rauch aus.
„Und die Kleine aus der Milkbar?“
„Abserviert. Schon vor ´ner Woche.“
„Oh, dann ist die ja wieder zur Jagd frei gegeben“, feixt der kürzeste der Jungs mit Undercut und neongrüner Skaterhose. „Juchuh!“ Allgemeines hysterisches Gibbeln. Dann das Geräusch von zerscheppernden Bierflaschen auf dem Hof.
Ein leises Rascheln im Gebüsch. Zwei Augenpaare versinken in einander. „Den mit dem grünen Arsch zuerst?“, fragt Norman leise.
„Das war der Typ, der dich im Netz gemoppt hat?“, versichert sich Ginger.
Norman nickt.
„Dann nichts wie ran an den Happen!“, flüstert Ginger und stürmt los. Norman setzt hinter her.
Bevor die fünf Jungs merken, was los ist, hat Ginger dem kleinen die Kehle zerfetzt. Norman hat dem Schönling das Genick gebrochen und reißt ihm die Genitalien ab. Der Typ mit dem Zopf reagiert am schnellsten und will weglaufen. Norman hechtet ihm hinter her. Er bekommt ihn an den Haaren zu fassen. Im Sturz beißt ihn Norman in den Hals. Ginger hat einen stämmigen Jungen zu Fall gebracht. Sie hängt an seiner Kehle und schmatzt. Als Norman sich umdreht, ist nur noch der gegelte Typ in der Baggy auf den Beinen. Er steht starr vor Schock, unfähig sich zu bewegen. Norman schlängelt sich auf ihn zu:
„Hi, Andrew. Erinnerst du dich noch an mich?“
Der Junge öffnet und schließt den Mund wie ein Fisch, ohne dass auch nur ein Laut heraus kommt. Jetzt ist Norman bei ihm. Er legt ihm seine Hand auf die Schulter und krallt die Finger hinein. Der Junge jault vor Schmerz auf. Durch das Geräusch wird Ginger aufmerksam, schaut auf und kommt dann langsam näher. Sie schaut Norman fragend an.
„Ah, Ginger, darf ich dir unseren Freund Andrew vorstellen?“, sagt Norman süßlich.
Andrew bebt wie Espenlaub. Ginger kommt näher und schnüffelt.
„Ah, AB negativ“, sagt sie erfreut, „das ist doch mal ein besonderer Tropfen!“ Dann leckt sie langsam über Andrews Arm.
Norman, der jetzt seinen Arm um Andrews Schulter gelegt hat, säuselt weiter auf ihn ein:
„Nicht wahr, Andrew, du erinnerst dich an mich?“ Andrew wagt kaum zu atmen.
„Der freakige nicht angesagte Norman. Norman the no man. Norman Motherfucker. Norman the looser. Was hattest du mir noch gleich auf die Karre geschrieben? Na, na, was war das noch?“
Norman zieht seinen Arm enger um Andrews Hals. Andrew stöhnt auf.
„Was sagtest du, Andrew, ich verstehe dich so schlecht?“
Ginger beginnt zu jaulen und fährt sich mit der Zunge über’s Maul.
„…e…s….tu…t…..m….i.r….lei….d“, stöhnt Andrew.
„Ach, es tut dir leid, Andrew! Dann will ich mal nicht so sein. Alles klar, du kannst gehen! Schönen Abend noch.“ Und damit lockert Norman seinen Griff und fegt ein paar imaginäre Flusen von Andrews Schulter und zieht sein Shirt gerade. „Los! Hau schon ab!“, ruft er ihm aufmunternd zu. Andrew schaut ihn ungläubig an. Dann dreht er sich um und rennt.
Ginger schaut Norman aufmerksam an. Einige Sekunden vergehen:
„Jetzt, Ginger! Hol ihn dir!“
Andrews Schrei erstickt in dem herausquellenden Blut.
EIN BURGERLADEN IRGENDWO IN NEBRASKA:
„Boh! Das nenn ich mal einen Cheeseburger“, quetscht eine Stimme neben einer Mundladung voll Burgerfleisch hervor. Dean wischt sich mit dem Ärmel das tropfende Fett vom Mund.
„Ja, und in spätestens zehn Jahren hast du eine koronare Herzerkrankung und läufst mit drei Bypässen herum“, erwidert Sam, während er Salatblätter mit der Gabel erlegt.
„Nee, Sammy, was so lecker ist, kann unmöglich ungesund sein, ich schwöre“, kontert Dean und beißt kräftig in den Burger, so dass der Ketchup hervorquillt.
„Ganz, wie du meinst, Dean. Du bist schließlich der Ältere“, beendet Sam die Diskussion und trinkt von seinem Rhabarber-Mangold Smoothie.
Dean kippt die halbe Flasche Bier hinterher und rülpst. „Upps“, sagt er. Dann schaut er sich in dem Laden um und zwinkert der Kellnerin zu.
„Habt ihr Kuchen?“
„Ja“, sagt die zierliche Blondine, „Käsekuchen oder Apple pie?“
„Äh, ich nehme beides“, antwortet Dean und grinst wie ein kleiner Junge.
Während Dean gut gelaunt und zufrieden auf seinen Kuchen wartet, scrollt Sam weiter auf dem Laptop. Zwei riesige Kuchenstücke werden serviert und Dean macht sich mit einer Gabel an die Eroberung.
„Hier, Dean, hör dir das an“, beginnt Sam. „In Breston, New Hampshire kam es in der letzten Zeit zu einer Häufung rätselhafter Tode. Immer wieder wurden Gruppen von Jugendlichen nachts offensichtlich von Tieren überfallen und getötet. Zuerst traf es eine Gruppe von fünf Jugendlichen auf dem Hof ihrer Highschool. Dann drei Mädchen beim Baden im See. Gestern wurden erneut drei Jugendliche bei einer Milkbar getötet. Die Opfer hatten zerfetzte Kehlen und offensichtlich sehr viel Blut verloren. Die örtliche Polizei rätselt noch, um welches Tier es sich handeln könnte. Klingt das nach einem Job für uns?“
„Zerfetzte Kehlen? Blutleere Körper? Nachts? Ich tippe auf Vampire“, antwortet Dean und spuckt Kuchenkrümel beim Sprechen über den Tisch.
Sam schlürft den Rest seines Smoothies, schnappt sich Laptop und seine Jacke und stürmt los.
Dean stopft sich den Rest des Apple pies in die Backen, legt einen Schein auf den Tisch und stürmt hinterher.
Während sich die beiden in den Impala plumpsen lassen und Dean startet, fragt er:
„Wo sagtest du war das, Sammy?“
„Breston. New Hampshire“, antwortet Sam während er das Navi programmiert.
„Oh Mann, Baby! Jetzt fahren wir auf’s Land“, muntert Dean sein Auto auf und dreht die Musik laut.
„…Lord I’m three, Lord I’m four, Lord I’m five hundred miles away from home….“
BRESTON. NEW HAMPSHIRE.
Der Officer spielt mit seinem WalkiTalki:
„Wie sagten Sie noch, waren Ihre Namen, Officers?“
Dean und Sam halten ihm kurz ihre Dienstmarke unter die Nase:
„Agent Laurel und Agent Hardy“, sagt Sam und schaut dem Officer direkt in die Augen. „Wir würden uns gerne die Leichen ansehen!“
„Hm“, zögert der Officer und schaut hilfesuchend auf sein WalkiTalki. „Der Sheriff ist momentan nicht da. Keine Ahnung, wann er zurückkommt…“
Dean baut sich vor ihm auf, die Hände in den Hosentaschen seines Armani Anzugs, bellt er den Officer an:
„Nur keine Eile, Officer! Das FBI hat vieeeel Zeit!!“, und schaut ihn herausfordernd an, während er auf und ab wippt.
Sam greift schnell in seine Jackentasche, reicht dem Officer eine Visitenkarte und erklärt ihm in versöhnlicherem Ton: „Wir respektieren, dass Sie sich an Ihre Dienstvorschriften halten, Officer. Wenn Sie unsere Befugnisse überprüfen wollen, können Sie sich bei unserem Chef versichern.“
Der Officer nimmt die Karte entgegen und überlegt einen Augenblick. Dann zückt er sein Handy und ruft die angegebene Nummer beim FBI an.
Bobby Singer wischt sich die Finger an einem Küchentuch ab und schiebt die Pfanne mit den Pancakes vom Herd. „Verdammt!“ Dann geht er zur Wand mit den Telefonen und hebt einen Hörer von der Gabel:
„FBI Headquator, ChiefAdministrator Bustor Keaton am Apparat“, brüllt er in den Hörer.
„Officer Denkins, Sir!“, meldet sich der Officer kleinlaut am Apparat. „Wir haben hier zwei Ihrer Leute, die mehrere Tieropfer in Breston untersuchen wollen und…..“
„Das sind zwei unserer besten Leute!“, unterbricht ihn Bobby Singer barsch. „Ich rechne mit Ihrer vollsten Unterstützung! Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe den Innenminister auf der anderen Leitung!“ Schnarrt es in den Hörer und legt auf. Kopfschüttelnd rückt er seine Kochschürze zurück und begibt sich wieder zu den Pancakes.
Officer Denkins ist sichtlich beeindruckt und froh, dass das Gespräch mit dem ChiefAdministrator beendet ist. Hoffentlich gibt das mal kein Nachspiel!
„Kommen Sie, meine Herren, hier lang“, sagt er mit noch zittriger Stimme und führt Sam und Dean ins Gebäude.
„Sie können uns jetzt allein lassen“, weist Sam den Officer an, „wir rufen Sie, sobald wir hier fertig sind.“ Der Officer verlässt eilig den Pathologieraum. Er braucht jetzt erst mal seine Beruhigungspillen.
Sam und Dean haben die fünf Jungs von der Highschool vor sich; oder das, was von ihnen übriggeblieben ist. Sam umrundet die Leichen, während Dean nicht umhin kann, den Zopf des einen Jungen anzufassen und hin- und her zu bewegen.
„Meinst du, die Mädels stehen auf so was, Sammy?“, überlegt er wirklich.
Sammy hat sich alle fünf Leichen angesehen, und beugt sich jetzt über einen der Jungs:
„Hier, schau mal Dean. Bei allen ist der Hals zerbissen und die Kehle zerfetzt. Aber bei diesem und bei dem da drüben haben wir größere Spuren von Zähnen. Es müssen also mindestens zwei Angreifer gewesen sein. Ansonsten, Einbisse, blutleere Körper? Eindeutig Vampire!“
„Was, hier, so weit im Norden?“, fragt Dean. „Ich dachte, nach der Sache in Forks wären die alle runter in die Südstaaten…“
„Keine Ahnung, aber unser Job hier sieht mir eindeutig nach Van Helsing Vampirjäger aus.“
„Meinst du echt, Sammy?“
„Ja, Mr, Harker, zu den Dolchen!“, ruft ihm Sam unternehmungslustig zu.
Sam und Dean hocken in einem Motelzimmer am Stadtrand von Breston. Dean fischt sich einen Burger aus der Papiertüte und schiebt sie rüber zu Sam. Sam schaut in die Tüte und fischt einen Burger heraus.
„Echt jetzt, Dean? Burger? Gab’s nichts anderes?“
Dean nickt ihm aufmunternd zu und antwortet mit vollem Mund: „Das ist ein Veggiburger, Sammy. Der ist ganz neu. Und was für Gesundheitsapostel wie dich, sagt die Kleine im Laden. Reich mir mal das Bier rüber.“
Sam hebt skeptisch den Deckel des Burgers, betrachtet ihn von allen Seiten und beißt vorsichtig hinein.
„Hm, gar nicht schlecht!“ Sam nickt Dean anerkennend zu.
Auf dem kleinen Tischchen zwischen Burgerverpackung und Bierflaschen hat Sam einen Stadtplan von Breston ausgebreitet:
„Also, als erstes fand der Überfall an der Highschool statt. Das war hier. Dann die drei toten Mädchen am See. Das war hier. Und schließlich die Milkbar.“ Sam hat die Tatorte rot eingekreist.
„Ergibt für mich kein erkennbares Muster“, sagt Dean, der sich gleichfalls über die Karte beugt.
„Tja, Dean. Vielleicht sind die auch alle zufällig Opfer der Vampire geworden. Sind ihnen einfach über den Weg gelaufen.“
„Besonders groß ist dies Kaff ja nicht. Wenn die Blutsauger da nachts crusen, schlagen sie vielleicht einfach wahllos zu.“
„Möglich. Bis zur Dämmerung haben wir noch Zeit. Vielleicht können wir die Gegend nach einem möglichen Vampirnest absuchen, was meinst du?“
„Gute Idee! Die Bar macht eh erst um 18.00 Uhr auf. Ein ziemlich totes Kaff, dieses Breston“, stimmt Dean seinem Bruder zu und schnappt sich seine Jacke.
Sam und Dean parken den Impala auf einer verwilderten Wiese und steigen aus.
„Was meinst du, Sammy?“
„Wäre für ein Vampirnest genau der richtige Ort“
Dean öffnet die Kofferraumklappe und holt zwei Dolche, eine Axt und einen Säbel heraus. Dann hält er die Arme hinter seinen Rücken und schaut Sam fragend an:
„Rechts oder links?“ Sam schaut einen Moment verdutzt, bevor er begreift.
„Rechts!“
„Und hier kommt ihr Preis!“, ruft Dean und reicht ihm einen Dolch und die Axt.
Vorsichtig öffnen sie die Tür der alten verwitterten Mühle. Von Innen schlägt ihnen muffige staubige Luft entgegen. Die Jungs schleichen weiter. Dicke Spinnweben hängen in dem Gang. „Brrrr“, ekelt sich Dean. „Ich hasse Spinnen.“
„Ratten sind auch nicht besser“, flüstert ihm Sam zu, nachdem ihm eine über die Füße gehuscht ist.
„Immerhin haben die ein flauschiges Fell.“
„Und Spinnen nicht?“, fragt Sam flüsternd nach.
„Nee“, Dean schüttelt sich. „Spinnen sind nur dürr und glatt und klapprig, brrr.“
„So, dann schau dir doch die mal an!“, flüstert Sam und leuchtet an den Dachbalken, von wo eine haarige Vogelspinne auf sie hinunter blickt und langsam zwei Vorderbeine zur Abwehr hebt. „Die da ist flauschig!“
Nachdem Dean die Vogelspinne erblickt hat, duckt er sich an Sammy vorbei, schüttelt sich noch einmal geekelt und dringt dann weiter im fahlen Licht in die Mühle vor.
„Und, hast du was?“ ruft Sam seinem Bruder zu, nachdem die beiden sich aufgeteilt haben.
„Nichts. Bei dir?“
„Auch nichts. Fehlanzeige. Lass uns abhauen!“
Als Sam und Dean die Mühle verlassen, macht sich gerade ein altes Mütterchen an Baby zu schaffen. Im Näherkommen hören sie die alte Frau vor sich hinmurmeln:
„Na, mein Schätzchen, du siehst doch noch ganz gut in Schuss aus. Und dabei“ –sie kichert- „hast du sicher noch ein paar Jahre mehr auf dem Buckel als ich. Na, mein Kleiner, mach schon die Türen auf. Alahorma!“
„Moment!“, schreit Dean, der mit einem Satz bei der alten Dame ist und sie an der Schulter fasst. „So spricht keiner mit Baby!“
Die alte Frau schaut sich langsam und unerschrocken um, krallt ihre langen Finger in Deans Jacke und zieht hörbar die Luft ein. Fast macht es den Eindruck, als wolle sie eine Tirade auf Dean herabregnen lassen, als sie auch Sam im Näherkommen gewahr wird. Ärgerlich verzieht sie das Gesicht, stößt Dean ein wenig zurück und humpelt schimpfend davon.
Dean nimmt den Kopf zurück, hebt fragend die Schultern und ruft:
„Hey Mann, was war das?“ Sam zuckt nur mit den Schultern, öffnet die Wagentür und sagt:
„Keine Ahnung. Lass uns weiter suchen.“
Die Jungs sehen sich noch am alten Wehr um, in einer verlassenen Hütte und in einer alten Mine. Nichts. Von einem Vampirnest keine Spur.
„Vielleicht kommen sie zum Jagen aus der Nachbarschaft. Irgend so’n Kaff in der Umgebung?“
„Oder sie waren nur auf der Durchreise“, schlägt Dean vor. Er blickt auf sein leeres Bier und begibt sich zum Auto um neues zu holen.
„Ey, das glaub’ ich jetzt nicht!“, schreit er los und läuft mit fuchtelnden Armen auf Baby zu.
Ein Streuner hat sein Bein gehoben und sich an Babys Kotflügel erleichtert. Dean betrachtet verzweifelt die Urinspur und verfällt in Hektik.
„Komm Sammy, schnell! Wir müssen sofort in eine Waschanlage! Ich werde verrückt! Hundepisse!! Das geht doch nie wieder ab!“ Dann, mit sanfterer Stimme und die Motorhaube tätschelnd: „Ganz ruhig, Baby! Wir holen Hilfe.“
NACHTS. BOOTHRUNNER CLUB, BRESTON.
Dean parkt den Impala bei den anderen Wagen hinter dem Boothrunner Club.
„Baby, ich hoffe, wir machen uns heute nicht zu schmutzig“, sagt er und küsst Babys blitzblanken duftenden Lack am Dach des Wagens.
„Jetzt übertreib es mal nicht, Dean“, ruft Sammy ihm zu, während er den Dolch und die Axt unter seiner Jacke verschwinden lässt.
Betont lässig, beide Hände in den Taschen schlendern die Jungs über das Gelände zum Vordereingang. Teenager zwischen sechzehn und dreiundzwanzig stehen in Grüppchen vor dem Club aus dem HipHop Musik nach draußen dröhnt. Dean verzieht das Gesicht. Die Kids stehen knutschend oder trinkend zusammen. Sam und Dean kommen näher. Ein stark betrunkenes Mädchen mit langen lockigen Haaren taumelt auf sie zu, fasst Sammy am Arm und lallt: „Hallo Süßer. Hast du ‚nen klitzekleinen Schluck für mich zu trinken, hm?“ Sam schiebt sie nachdrücklich zur Seite: „Ich glaube, für heute hattest du genug.“
„Schschpießer“, ruft sie ihm nach.
„Hey, ihr Freaks, habt ihr euch verlaufen?“, ruft ihnen aus einer Dreiergruppe trinkender Jugendlicher einer der Jungs zu.
Dean will auf ihn zu marschieren, aber Sammy hält ihn am Ärmel fest.
„Jetzt nicht, Dean. Lass uns erstmal die Lage checken“, zischt Sam ihm zu.
„Hey, ihr Grufties“, setzt ein zweiter aus der Gruppe noch mal nach, „hat der Seniorenclub heute Ausgang? Hahaha.“
Dean stapft mit hochrotem Kopf weiter. Er kocht. „Die Jugend heute! Also wirklich, Sam“ giftet er in sich hinein. Sam muss unwillkürlich grinsen.
Sam und Dean überqueren den Vorplatz und setzen sich dann abseits auf eine Bank. Von hier aus haben sie den ganzen Vorplatz im Blick, sind aber selbst nicht zu sehen.
„Also, hier hätten wir dann die gesamte Dorfjugend versammelt“, sagt Sam.
„Ja, und die Auswahl ist groß“, pflichtet ihm Dean bei. „Was machen wir?“
„Wir bleiben und beobachten. Was Besseres fällt mir im Moment nicht ein.“
„Es ist jetzt 23.00 Uhr. Beste Zeit für einen Vampir.“
„Wenn sich in zwei Stunden nichts getan hat, versuchen wir es woanders.“
„Okay, Sammy, warten wir“, sagt Dean und schlägt den Kragen seiner Jacke hoch.
Die Zeit, die sich die Jungs gegeben haben ist fast um. Ein Junge und ein Mädchen schlendern eng umschlungen über den Platz. Sie lassen sich ebenfalls auf einer Bank im Dunkeln nieder und beginnen eine wilde Knutscherei.
„Hallo!“, entfährt es Dean, „Da beginnt ja die Abendshow!“ Tadelnder Blick von Sam. Sie beobachten weiter den Clubeingang. Als Sams Blick erneut auf die Bank im Dunkeln fällt, ist das Pärchen verschwunden. Erschrocken springt er auf und macht Dean ein Zeichen. Sie rennen zur Bank… aber dann hören sie das Gekicher aus dem dahinterliegenden Busch und ziehen sich diplomatisch zurück.
„Ich glaube, hier haben wir kein Glück, Sammy. Lass uns zum Friedhof rüber fahren. Du weißt, ein paar von den Gothic Freaks finden es total abgefahren, nachts auf den Gräbern herum zu hängen.“
Sammy öffnet gerade den Mund, um zu antworten, als ein gellender Schrei durch die Nacht bricht. Äste knacken, man hört ein gefährliches Knurren, und etwas Schweres entfernt sich. Ein völlig verstörtes Mädchen stolpert aus dem Busch hinter der Bank. Sie hält ihr Shirt vor den nackten Oberkörper und ist über und über mit Blut bespritzt. Sam und Dean rennen auf sie zu.
„D… da…. das….. Es hat Shawn…. Es hat ihn einfach….“, stammelt das Mädchen. Dann bricht sie in Sams Armen zusammen. Dean hechtet mit Taschenlampe und gezücktem Dolch in den Busch. Überall ist Blut. Da eine Schleifspur und zerbrochene Äste in den Wald hinein. Dean folgt der Spur ein paar Meter weit… doch von dem Jungen gibt es keine Spur.
BRESTON. AM NÄCHSTEN TAG.
Sam und Dean befragen das Mädchen von gestern auf der Polizeistation.
„Also, Lindsey, wir würden von dir gerne noch mal hören, was sich da gestern Nacht abgespielt hat“, beginnt Sammy, jetzt wieder im Maßanzug, das Gespräch. Dean nickt und lächelt sein bezaubernstes „Vertraue uns, wir sind die Guten“ Lächeln.
Lindsey, die zusammengesunken in ihrer dicken Fleecejacke vor den beiden sitzt, schaut gequält auf und sagt: „Aber, das habe ich doch dem Officer schon alles erzählt.“ Sie stöhnt.
„Lindsey“, sagt Sam und neigt sich über den Tisch näher an sie heran. „Könnte es nicht sein, dass es Dinge gibt, die du dem Officer nicht erzählt hast?“
„Wieso sollte ich?“, fragt das Mädchen gequält.
„Weil das hier ein kleiner Ort ist. Und weil wir gestern Abend vor Ort waren und mitbekommen haben, wie viel Alkohol und Drogen von euch konsumiert werden“, mischt Dean sich ins Gespräch.
„Du hast zu Protokoll gegeben, dass ihr, also du und Shawn in die Büsche gegangen seid, weil er da angeblich seinen MP3 Player verloren hat“, resümiert Sam.
Lindsey bleibt stumm.
„Die Überreste von Shawn haben wir. Ein MP3 Player ist aber trotz gründlicher Suche durch die Polizei nicht gefunden worden…“, beginnt Sam den Satz…, „und es ist auch nicht üblich, mit nacktem Oberkörper danach zu suchen!“, beendet ihn Dean.
Lindsey schlägt die Hände vor’s Gesicht und beginnt zu schluchzen.
Dean geht zu ihr herüber, legt ihr eine Hand auf die Schulter und reicht ihr ein Papiertaschentuch.
„Also, erzähl uns alles noch mal von vorne. Was ihr in den Büschen gemacht habt, interessiert uns übrigens nicht. Das hat sich bei uns früher auch nicht anders abgespielt…“, sagt Dean. Sam schaut ihn sprachlos an, aber Dean nickt Lindsey aufmunternd zu: „Aber alles andere müssen wir jetzt so genau wie möglich von dir wissen. Immerhin sind wir das FBI.“
„Genau“, beeilt sich auch Sam zu versichern. „Wir sind das FBI. Also Überregional.“ Er nickt mit Nachdruck.
Lindsey putzt sich die Nase, dann schaut sie auf Dean und dann auf Sam und beginnt leise:
„Also, es war halt die Gelegenheit. Mom und Dad haben eine Konferenz in Washington, und so war nur Grandma da. Shawn und ich hatten einiges getrunken…. Sein älterer Bruder war uns behilflich dabei an das Zeug ranzukommen… und… na, wir hatten auch etwas Dope geraucht. Daher waren wir ziemlich locker drauf und haben… äh, wir wollten es dann in den Büschen machen…. Schön dämlich, so im Nachhinein. Zuerst haben wir gedacht, es handle sich um irgendein kleines Tier, ein Kaninchen oder so, was da im Dickicht herumhuscht. Weil, es raschelte halt immer mal wieder. Shawn sagte noch, es sei bestimmt ein Kaninchen, das uns jetzt beim Sex zuschauen würde, und wir mussten total lachen, bei dieser Vorstellung. Auf einmal wurde das Rascheln aber mehr, es fühlte sich an, als würde da etwas Großes aus den Büschen auf uns zu kommen. Alles ging dann so schnell! Aber ich schwöre, es sah so aus, wie ein menschlicher Wolf oder so. So was, das man nur in Horrorfilmen sieht. Es hatte riesige Zähne und viele…. Es hat Shawn in den Hals gebissen und dann weggezerrt… Ich konnte nichts machen… ich war wie erstarrt… und es ging doch so schnell…“ Lindsey beginnt wieder zu schluchzen. Sam legt ihr beruhigend seine Hand auf den Arm:
„Und das, was Shawn weggeschleppt hat, war es ein Tier… oder sah es eher wie ein Mensch aus.“
„Das ist ja das Schlimme“, antwortet Lindsey unter Tränen, „es sah irgendwie… irgendwie aus wie Norman. Natürlich nicht mit diesem Gebiss und diesen Kräften… Also, Norman war immer so ein schüchterner, zurückhaltender Freak, aber wenn es so was wie Jekyll und Hyde wirklich gäbe, dann wäre es Norman als Hyde gewesen…“
„Und dieser Norman, woher kennst du ihn?“, hakt Sam nach.
Lindsey trocknet sich die Augen: „Aus der Highschool. Ich bin sogar mal mit ihm ausgewesen.“
Jetzt schaltet sich Dean wieder ein: „Und hat er auch einen Nachnamen, dieser Norman?“
„Scaddy, Norman Scaddy. Und er wohnt im Steelide Drive 34.“
Eleanore Scaddy öffnet die Haustür, überrascht davon, nicht den Lieferanten von BoFrost zu sehen.
„Agent Laurel und Agent Hardy, FBI. Mrs. Scaddy?“ Sam und Dean strecken der verdutzten Mrs. Scaddy ihre Dienstmarken entgegen.
„Äh, meine Herren? Was kann ich für sie tun?“, fragt Mrs. Scaddy mit suchendem Blick auf die Jungs.
„Wir sind dienstlich hier, Mrs. Scaddy, könnten wir einen Augenblick hereinkommen?“, fragt Sam mit einem gewinnenden Lächeln.
„Ja… ja, natürlich, kommen sie herein. Hier ins Wohnzimmer, bitte. Nehmen Sie doch Platz.“
Während Dean im Sofa lümmelt und seinen Blick nicht von den Cookies in der geschlossenen Glasschale auf dem Tisch wenden kann, übernimmt Sam das Gespräch:
„Mrs. Scaddy, das FBI ermittelt in den Fällen der getöteten Teenager. Gestern gab es erneut einen Zwischenfall. Es handelt sich um eine routinemäßige Befragung, in die wir gerne Ihren Sohn mit einbeziehen würden.“
„Norman?“
„Ja. Ist er da?“
„Norman ist noch unterwegs. Er müsste aber gleich zurückkehren.“
„Wir können warten.“
„Dann mache ich uns am besten einen Kaffee. Trinken Sie Kaffee, Agents?“
„Danke, ja. Aber machen Sie sich keine Umstände… übrigens, wo war ihr Sohn gestern Abend?“, ruft ihr Sam hinterher. Aus der Küche antwortet Mrs. Scaddy:
„Gestern? Da war er mit Freunden beim Bowling.“
Sam schaut auf Dean, der es zwischenzeitlich geschafft hat, die Glasschale lautlos zu öffnen und sich drei Cookies in den Mund zu schieben. Sam hebt fragend die Hände. Dean bedeutet ihm ganz relaxt zu bleiben, und öffnet seine Anzugjacke ein wenig um ihm den Dolch zu zeigen, den er bei sich trägt. Plötzlich hören sie den Haustürschlüssel. Ein schmächtiger blasser Junge mit Sonnenbrille und einer großen Papiertüte tritt in den Flur:
„Mom? Mom, ich hab hier deine Sachen!“, ruft der Junge und folgt dann den Geräuschen in die Küche. In der Küche sprechen Norman und seine Mutter leise mit einander. Dann treten beide ins Wohnzimmer.
„Norman, diese beiden Herren vom FBI möchten dich routinemäßig zu einer Sache befragen“, erklärt Mrs. Scaddy so, als habe sie das nicht schon in der Küche erwähnt. Sam erhebt sich und drückt dem schmächtigen Jungen die erstaunlich kräftige Hand. Dean hebt nur grüßend die Hand und… kaut noch an den Cookies.
„Hi, Norman. Du hast bestimmt schon gehört, was gestern in der Nähe des Boothrunner Clubs passiert ist? Wir machen eine Befragung unter den Jugendlichen.“
Hinter Normans freundlichem Lächeln lauert ein wachsamer Blick, der die Situation in Sekundenschnelle scannt.
„Äh, ja, wie kann ich helfen?“, fragt er hilfsbereit.
„Wir wüssten gerne, ob du das Opfer gekannt hast? Shawn Baker?“
„Nö, sagt mir nix.“
„Er ging auch zur Mc Cluer Highschool. Und er war ungefähr so alt wie du. Vielleicht hattet ihr ja irgendeinen Kurs zusammen? Sport? Gemeinsame Freunde?“
„Nö.“
„Wir haben noch etwas im Auto, das wir dir gerne zeigen würden“, sagt Dean und klopft Norman auf die Schulter, „komm!“
Norman verlässt mit Sam und Dean das Haus und geht auf den Wagen zu.
„Trägst du diese Sonnenbrille immer? Hast du was an den Augen?“, fragt Dean, doch Norman setzt sie grinsend ab und schaut Dean direkt in die Augen. „Nö. Ist mehr so eine Marotte von mir.“ Er setzt die Sonnenbrille ab.
„Aber du bist wohl nicht so häufig draußen? Deine Haut ist ziemlich blass“, setzt Dean nach.
„Oh, doch. Ich bin total der Outdoorfreak. Hab aber eine Pigmentierungsstörung. Genetisch bedingt“, grinst Norman.
„Okay“, wendet sich jetzt Sam an Norman und holt einen Samtbeutel aus dem Handschuhfach. Er öffnet den Beutel, holt eine Kette mit einem großen silbernen Kreuz hervor und hält sie Norman plötzlich vor die Nase:
„Das hier haben wir am Tatort gefunden. Hast du die schon mal gesehen?“
Norman, dem klar wird, dass es sich hier mit Sicherheit nicht um FBI Agenten handelt, grinst, greift nach der Kette, wiegt sie in seiner Hand und sagt:
„Das hier? Nein, hab ich noch nie gesehen! War doch okay, dass ich das Beweisstück in meine Hände genommen habe?“
Während sich Norman zu Dean herum dreht, hat dieser eine Flasche mit Weihwasser geöffnet, und „stolpert“ damit auf Norman zu, so dass er Weihwasser auf dessen Arm verschüttet.
„Oh, sorry Kumpel!“, entschuldigt sich Dean, „Das wollte ich nicht!“
Norman legt seine Hand auf Deans Schulter und sagt lächelnd: „Aber das macht doch nichts! Ist doch nur Wasser…“
MOTELZIMMER
Dean wandert mit dem Handy am Ohr durch das Zimmer.
„Hör zu, Bobby! Der kleine Scheißkerl verarscht uns!“
„Habt ihr Weihwasser versucht?“
„Klar.“
„Silber?“
„Auch.“
„Und er war am Tag draußen unterwegs? Im vollen Sonnenlicht?“
„Ja. Er war zwar sehr blass, aber keinerlei Reaktion.“
„Und für die Tatzeit hat er ein Alibi?“
„Das müssen wir noch überprüfen. Aber irgendwas stimmt nicht mit dem Jungen, und er weiß, dass wir’s wissen, aber wir kommen nicht weiter. Und Lindsey, also das Mädchen, sagt der Typ hätte sie an Norman erinnert.“ Sam nickt zustimmend.
„Hm…“
„Bobby, hast du noch irgendeine Idee?“
„Ich schätze, ihr Jungs könnt Hilfe gebrauchen. Ich schick noch einen anderen Jäger zu euch. Ist gerade ganz in eurer Nähe. Macht’s gut, Jungs.“