PRAXIS BEEVERSTONE.
In den letzten Wochen ist es etwas ruhiger geworden um Dr. Beeverstone. Dem Hype um seine Wunderkräfte ist er mit Dementi begegnet. Es ist Quartalsende und er hat die Abrechnung gemacht. Dorothy, seine neue Auszubildende, und Martha Woolrich haben bereits Feierabend gemacht. Dr. Beeverstone schüttelt den Kopf. Seine Auszubildenden wechseln wie in einem Taubenschlag. Früher war das anders. Ob sich die Arbeitssituation noch mal bessern wird? Beeverstone ist müde. Er setzt die Brille ab und reibt sich die Augen.
Draußen vor der Praxis steht ein schmaler dünner Herr im dunkeln Anzug. Er knabbert an einem Hot Dog, ohne große Eile zu zeigen. Er greift zu dem Milchshake, das er auf das Treppengeländer gestellt hat und gönnt sich einen großen Schluck. Hm, Karamell-Toffee! Langsam und bedächtig isst er weiter.
Dr. Beeverstone lehnt sich in seinem Sessel zurück. Wie viele Jahre läuft seine Praxis jetzt schon? Er praktiziert hier in Breston seit… ja, es müssen im Februar nächsten Jahres fünfundvierzig Jahre sein, wenn er sich nicht verrechnet hat. Fünfundvierzig Jahre! Wie lange ist Mary jetzt eigentlich schon tot? Beeverstone fährt sich mit der Hand über das Gesicht. Er seufzt. Was würde er dafür geben, sie jetzt hier an seiner Seite zu haben! Sie würden abends zusammen auf der Veranda sitzen… und den Enkelkindern beim Spielen zusehen… Mary würde sagen… Aber nein! Mary würde allein auf der Veranda sitzen, während er noch auf Hausbesuch bei Patienten oder hier in der Praxis bei der Abrechnung wäre. Kaum vorstellbar, wie das Leben mit ihr an seiner Seite gewesen wäre… Beeverstone schluckt einmal trocken. Mein Gott, er vermisst sie noch immer!
Beeverstone starrt vor sich hin und kratzt sich dabei am Bart. Wäre es nicht langsam Zeit, aufzuhören? Er könnte einen jungen Kollegen mit in die Praxis nehmen, und ihm die Praxis dann übergeben… Aber wer will schon in einem Nest wie Breston praktizieren? Offensichtlich nur solche Landeier, wie er selbst, die die Chance auf einen Start in Washington oder Nebraska ausschlagen, weil sie sich mit ihrer Heimat verbunden fühlen. Beeverstone muss bei dem Gedanken lachen. Vielleicht sollte ich Montag mal eine Annonce schalten, sagt er sich und beugt sich dann wieder über seine Papiere.
Draußen hat der schmale Herr im Anzug sein Essen vollständig verspeist. Er zieht eine Serviette aus der Hosentasche und säubert behutsam seinen Mund und die Hände. Dann wirft er die Serviette in den bereitstehenden Abfallbehälter. Er nimmt ein wenig Haltung an, atmet kurz ein und steigt dann die Stufen zur Praxis empor.
Dr. Beeverstone spürt es wie einen kühlen Lufthauch. Er hebt den Kopf und sieht, dass der schmale dunkle Herr in sein Sprechzimmer getreten ist. Beeverstone ist ein bisschen irritiert:
„Ja, bitte? Was kann ich für Sie tun?“, fragt er.
Der dünne Herr schüttelt bedächtig den Kopf: „Nein“, sagt er mit ruhiger Stimme, „Ich werde jetzt etwas für dich tun.“
„Wer… wer sind Sie?“
„Ich bin dein letzter Patient. Dein Begleiter.“
„Du bist…“
Der schmale Herr nickt: „Richtig. Ich bin der Tod.“
Beeverstone lässt entwaffnet die Schultern hängen.
„Dann ist es jetzt soweit“, fragt er tonlos.
„Ja, es ist jetzt so weit. Wir können sofort los.“
Jetzt überkommt Beeverstone eine Unruhe: „Aber… ich habe gar nichts vorbereitet. Ich muss noch…“
Tod nickt: „Ich weiß, das sagen sie alle…“
„Aber ich hatte keinen Hinweis darauf, dass mir nur noch so wenig Zeit blieb! Du hast mich nicht vorgewarnt!“, verfällt Beeverstone jetzt in die seit Menschengedenken benutzte Ausrede.
„Oh, doch“, antwortet Tod ganz entspannt. „Ich habe zugelassen, dass dich dein Freund Bobby noch einmal besucht.“
„Du meinst… das heißt, auch Bobby ist…?“
„Hallo Thornton“, kommt da die Stimme von Bobby Singer aus dem Hintergrund. „Schau mal, wer noch da ist um dich abzuholen…“
„Mary!“, bricht es aus Beeverstone heraus.
Tod macht eine einladende Bewegung.
„Wollen wir dann? Bist du bereit zu kommen?“
Dr. Beeverstone erhebt sich und folgt bereitwillig.
AM NÄCHSTEN MORGEN.
Martha Woolrich ist außer sich und in Tränen aufgelöst. „Ich habe ihn heute Morgen so in seinem Sessel gefunden“, weint sie. „Wäre ich doch gestern Abend bloß hier geblieben! Er war so wie immer! Es… es gab keine Anzeichen. Mein Gott! Der arme Doktor. So ganz alleine zu sein beim Sterben!“
„Und, Mrs. Woolrich, wann sind Sie heute Morgen in die Praxis gekommen?“, fragt ein Officer, der sich auf einem kleinen Block Notizen macht.
„Um 7.50 Uhr, so wie jeden Morgen. Aber ich habe sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmt, weil noch Licht im Sprechzimmer brannte. Mein Gott, ich kann es gar nicht fassen! Mein ganzes Leben habe ich hier gearbeitet, und jetzt ist er tot, der Doktor. Wer soll denn jetzt die Praxis weiterführen…?“
IM HAUS DER MÄNNER DER SCHRIFT.
Im Haus der Männer der Schrift, dessen Räumlichkeiten irgendwie an eine alte Badeanstalt erinnern, sitzen Sam und Dean am großen Tisch, der durch zwei Tischlampen beleuchtet wird.
„Und, Sammy, was weiter jetzt?“
Sam krault Gingers Kopf. „Wir machen weiter unseren Job“, antwortet Sam ohne aufzublicken.
Die Jungs hatten sich oben in New Hampshire zehn Tage Auszeit genommen und „Ferien“ gemacht. Dean hatte die Zeit gebraucht, damit seine üble Wunde am Arm verheilen konnte. Sammy hatte vorgeschlagen, noch einmal diesen Naturdoktor aufzusuchen, aber Dean hatte das abgelehnt. Vor zwei Tagen sind die Jungs in den Stützpunkt zurück gekehrt.
„Tja“, sagt Dean gewollt munter und stürzt sich auf sein Laptop, „dann lass mal gucken, was die Jobbörse so für uns ausspuckt!“ Er beginnt sich angespannt durch die News zu scrollen. „Missouri… rätselhafte Teleportation… New Jersey… Fluch der Partykönigin… äh, hier, vielleicht das…“, murmelt Dean.
„Dean“, sagt Sammy ernst und schaut direkt zu seinem Bruder.
Dean hält inne, schaut hoch, und verharrt bei dem ernsten Gesicht seines Bruders bei seinem Blick.
„Ja, Sammy…“
Sam druckst ein wenig herum: „Es war ziemlich viel in der letzten Zeit…“
„Jiep.“
„Wir stehen jetzt ohne Bobby da.“
„Jiep.“
„Das heißt, wir müssen uns hundertprozentig aufeinander verlassen.“
„Jiep.“
„Wir haben nur noch uns beide.“
Ginger erhebt ein anklagendes Jaulen.
„Okay“, korrigiert sich Sam; „wir haben nur noch uns beide und dich, Ginger.“
„Jiep“, sagt Dean erneut sehr knapp, aber ihm steigt Wasser in die Augen. Leise fügt er hinzu: „Ich vermisse Bobby, Sam.“
„Ich vermisse ihn auch, Dean. Mehr als ich sagen kann.“
„Er hätte gewollt, dass wir weiter machen“, sagt Dean bestimmt und wischt sich verstohlen eine Träne aus dem Auge.
„Ja, Dean, das hätte er gewollt.“
Dann erhebt sich Dean plötzlich vom Stuhl und sagt: „Und unsere Freundin hier, hätte jetzt wohl gerne einen Spaziergang gemacht. Komm, Ginger!“
Zu dritt verlassen sie das Haus und laufen ein Stück in die untergehende Sonne.
(This is the end, close your eyes and count to ten…)
ENDE