Sam und Dean sitzen auf einem Geländer vor ihrem Motelzimmer und warten auf den Jäger, den ihnen Bobby Singer angekündigten hat. Ein Pickup nähert sich. Der Fahrer parkt. Die Wagentür öffnet sich… und heraus steigt Garth. Er lässt die Wagentür sperrangelweit stehen und kommt mit offenen Armen auf Sam und Dean zu.
„Jungs! Ich freu mich so euch zu sehn. Lasst euch knuddeln.“
Während Sammy das Kuscheln nachsichtig über sich ergehen lässt, wehrt Dean den kleinen Jäger mit vorgehaltenen Händen ab:
„Wow, wowwowwow, nicht so stürmisch! Ich weiß nicht, ob ich heute morgen schon mein Insektenspray benutzt habe!“ Dean tritt vorsichtshalber noch einen Schritt hinter Sammy zurück, schüttelt den Kopf und raunt seinem Bruder zu:
„Garth! Ausgerechnet Garth! Dafür wird Bobby bluten…“
Erfreut, mit den Brüdern wieder für eine Zeitlang vereint zu sein, reibt sich Garth die Hände und fragt mit einem freundlichen Lächeln:
„Also Jungs, worum geht’s? Wobei kann ich euch unterstützen?“
„Lass uns reingehen!“, sagt Dean barsch und betritt ihr Motelzimmer.
„Kaffee?“, fragt Sam.
„Oh, ja, gerne! Geht schon mal vor, ich hole nur schnell meine Sachen aus der Karre!“
Kurz drauf hocken die Jäger gemeinsam über die Karte von Breston gebeugt.
„Und hier, und hier und hier!“, schnoddert Dean heraus und zeigt auf der Karte die Leichenfunde an.
„Kein Nest gefunden?“, fragt Garth überflüssigerweise.
„Kein Nest, keine Reaktion auf Weihwasser oder Silber, keine erkennbare Reaktion auf Sonnenlicht“, erklärt ihm Sam.
„Und der kleine Scheißkerl verarscht uns!“, fährt es Dean heraus.
„Was meinst du mit dem Scheißkerl, und dass er euch verarscht?“, fragt Garth nach.
Sammy gibt ihm einen kurzen Abriss der Ereignisse der letzten Tage und der Begegnung mit Norman Scaddy.
„Aber jetzt sag mir mal“, wendet sich Dean an Garth und schaut ihn dabei herausfordernd an, „wieso hält dich Bobby für einen Experten in diesem Fall?“
„Äh ja, ich glaube, es geht um diesen Fall in Forks. Wir hatten es da mit mehreren Sippen zu tun. Teilweise ganz typische Vampire, teilweise einem normalen Menschen zum Verwechseln ähnlich. Cool, beherrscht, biederes Verhalten. Bemühen um Unauffälligkeit. Ich war ziemlich lange da oben, müsst ihr wissen, Jungs.“
„Und“, drängt Dean, „warst du erfolgreich?“
„Ja“, antwortet Garth, wippt auf seinem Stuhl herum und grinst die Brüder breit an. „Schlussendlich waren wir erfolgreich!“
„Und, Garth, wie seid ihr vorgegangen?“, versucht Sammy das Gespräch fortzuführen.
Garth lehnt sich nach vorne über den Tisch, und spricht dann so leise, dass auch Sam und Dean gezwungen sind, ihre Köpfe mit dem von Garth konspirativ zusammen zu stecken, um überhaupt etwas zu verstehen.
„Wir wussten echt nicht, wie wir sie überführen sollten. Es wäre keine so gute Idee gewesen, ihnen allen die Köpfe abzuschlagen, weil Gerüchten zufolge auch noch einige Menschen unter ihnen lebten… also haben wir ihnen das Blut eines Toten injiziert. Einen Menschen bringt das nicht um, einen Vampir schon. Da kann er noch so vegetarisch und sonnenverliebt durch die Welt wandeln.“ Garth lehnt sich zufrieden zurück.
Dean springt wütend von seinem Stuhl auf: „Also, du meinst, wir besorgen uns das Blut eines Toten, spazieren damit noch einmal zu Norman Scaddy und sagen: Hey Kleiner, wir sind mal eben vorbei gekommen, um dir etwas zu injizieren, von dem wir ausgehen, dass es dich umbringen wird!“
Garth hebt besänftigend die Hände und versucht, Dean wieder herunter zu holen: „Ganz cool, Mann…“
„Außerdem haben wir es mit mindestens zweien zu tun, und bislang keine Ahnung, wer der andere ist“, schnauft Dean weiter.
„Du meinst, sie jagen zu zweit?“, fragt Garth.
„Ja, wir haben an den Kehlen der Opfer verschieden große Bisswunden gefunden. Eine gängige, und eine von größeren Zähnen…“, erläutert Sam.
„Habt ihr Fotos davon?“
„Klar hier!“ Sam zeigt ihm die Aufnahmen der Opfer auf dem Smartphone.
„Hm….“, murmelt Garth, während er sich die Aufnahmen genau ansieht. „Hm, das sieht schon ungewöhnlich aus. Der Biss fällt auch ein bisschen aus der Form… und es ist auf jeden Fall ungewöhnlich, wenn sie zu zweit jagen. Vampire sind Einzelgänger, wenn es ums Fressen geht oder sie jagen in einem ganzen Tross.“
„Okay“, mischt sich Dean wieder ins Gespräch, „wie gehen wir vor? Hast du vielleicht einen Plan?“
Garth antwortet mit seinem gewinnenden Lächeln: „Hab ich, Jungs.“
Am frühen Abend haben sich die drei Jäger in die Bar begeben, um eine Kleinigkeit zu essen und die Zeit bis zum Heraufziehen der Nacht zu verkürzen.
„Ich hol noch eine Runde Bier“, bietet sich Garth an, nachdem er sein Steak verdrückt hat.
Unauffällig wie er nun mal ist, gelingt es ihm nicht, die Aufmerksamkeit der Bedienung auf sich zu ziehen. Nur ein älterer weißhaariger Mann mit Vollbart bemerkt ihn und lacht:
„Ha, mein Junge, bei Margreth muss schon mal ein bisschen lauter rufen. Die Gute sieht nicht mehr so gut, und von ihren Ohren wollen wir mal gar nicht sprechen, hoho!“
„Margreth!“, donnert er dann durch die Bar, „Der Junge hier will was bestellen!“ Margreth winkt ab, um zu bedeuten, dass sie gleich käme. Der alte Herr schlägt Garth freundschaftlich auf die Schulter: „Hab dich hier noch nie gesehen, Junge. Was hat dich denn in unsere Gegend verschlagen, hä?“
Garth, der unter dem freundschaftlichen Klaps ein wenig in die Knie gegangen ist, antwortet: „Ich bin Biologe. Fachgebiet Wölfe und Schakale. Habe gehört, hier in dieser Gegend hätte es ein paar Unfälle mit ihnen gegeben. Forschung, wissen Sie.“
Der ältere weißhaarige Mann, der uns als Dr.Beeverstonebekannt ist, kratzt sich am Bart: „Hm, ja. Da gab es ein paar Todesfälle. Genaues weiß man aber wohl noch nicht. Forschung, ja?“
„Ja, ist ja möglich, dass ein Wolfsrudel hier in die Gegend gezogen ist…“
„Hm. Hab allerdings in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen, dass Wölfe Jagd auf Menschen machen und ihre Beute dann liegen lassen…“
„Ach so, waren die Toten nicht sehr verletzt…“, hakt Garth unwissend tuend nach.
„Na, das war schon kein schöner Anblick. Ich bin ja hier eigentlich der einzige Mediziner im Ort…. Also, die Kehlen waren zerfetzt. Das würde für einen Wolf sprechen….. aber es fehlte kein Körperteil… nur das Blut….tja…“
„Dann waren es vielleicht Vampire!“, wirft Garth die Bemerkung arglos ins Gespräch. Beeverstone stutzt. Dann bricht er in schallendes Gelächter aus: „Vampire! Ja, das wird es sein! Blutsauger! Huh! Junge, du bist spitze!“ Er klopft Garth erneut aufmunternd auf die Schulter.
„Wat soll et denn sein“, fragt Margreth über den Tresen.
„Äh, noch drei Bier“, antwortet Garth.
Margreth stemmt die Hände in die Hüften und schaut abschätzig auf Garth herunter: „Kannste die denn überhaupt alleine stemmen, Jungchen?“
„Die Jungs da werden mir schon helfen“, antwortet Garth und nickt zu Sam und Dean herüber.
Gegen 23.00 Uhr sitzen die drei Jäger im Impala mit Blick auf das Haus von Norman Scaddy.
„Boh, irgendwann muss der Scheißkerl doch mal rauskommen!“ Für Dean ist diese Warterei die Hölle.
„Ganz ruhig, Dean“, flüstert Garth ihm zu. „Gut Ding braucht Weile.“
„Gut Ding?“, zischt Dean. „Ich will diesen Scheißkerl endlich drankriegen.“
„So kriegen wir ihn aber nicht, Dean. Bleib ruhig.“, versucht Sam seinen Bruder zu beruhigen.
„Da! Jetzt kommt er!“, warnt Garth von hinten.
Die Haustür öffnet sich und die drei sehen Norman mit Ginger aus der Tür treten.
„Er führt seinen Hund Gassi“, bemerkt Sam.
„So sieht es aus, ja, so sieht es aus“, sagt Garth langsam.
Norman geht mit dem Hund ein Stück die Straße entlang. Er wirkt, als scanne er die Gegend ab.
„Los jetzt! Hinterher!“ kommandiert Dean.
Die drei Jäger verlassen möglichst unauffällig den Wagen und schleichen hinter Norman her.
Norman schlägt den Weg in den kleinen Park neben dem Einkaufzentrum ein. Die drei Jäger folgen Norman möglichst unauffällig in den Park. Er läuft mit seinem Hund die Wege ab, scheinbar auf der Suche nach etwas. Dann bleibt er an einer Bank stehen, auf der zwei tuschelnde Mädchen sitzen. Er unterhält sich mit ihnen, ohne dass Sam, Dean oder Garth verstehen können, um was es geht. Die Mädchen scheinen Norman zu kennen. Sie kichern über irgendetwas, was er gesagt hat. Jetzt streichelt die eine seinen Hund, der ihr hingebungsvoll das Handgelenk leckt. Das zweite Mädchen, mit einem hübschen blonden Bubikopf rückt zur Seite und lädt Norman ein, sich zu ihnen zu setzen. Norman setzt sich zwischen die beiden und erteilt dann offensichtlich zum Entzücken der jungen Damen seinem Hund Befehle, die dieser ausführt. Jedenfalls applaudieren die Mädels dem Hund immer und immer wieder.
„Wenn ich bloß verstehen könnte, was der Typ da für eine Show abzieht!“, schimpft Dean leise vor sich hin.
Jetzt steht eins der Mädchen auf und mit einem Blick auf ihre Uhr bedeutet sie den beiden anderen, dass es für sie Zeit ist zu gehen. Sie winken sich zum Abschied zu. Die Dunkelhaarige geht Richtung Einkaufzentrum aus dem Park heraus, und Norman bleibt mit dem Bubikopfmädchen auf der Bank zurück.
Sam, Dean und Garth ziehen sich weiter ins Gebüsch zurück, als die Dunkelhaarige an ihnen vorbei geht.
„Wir müssen näher ran“, flüstert Garth, nachdem das Mädchen an ihnen vorbei ist.
In dem Moment haben sich auch Norman und die Blonde von der Bank erhoben und schlendern langsam weiter hinein in den Park. Der Hund trabt ein Stück neben ihnen her und verschwindet dann zwischen die Bäume.
„Hast du keine Angst, dass sie dir weg läuft?“, fragt das Mädchen.
„Nein. Ginger kennt sich hier aus. Außerdem kommt sie immer zu mir zurück.“
„Upps, ich hätte Angst, dass sie verloren geht oder gestohlen wird.“
„Einen Hund wie Ginger stiehlt man nicht.“
„Na, du scheinst dir da ja sehr sicher zu sein!“, antwortet das Mädchen herausfordernd.
Norman überlegt einen Augenblick. Dann sagt er:
„Du hast vielleicht Recht. Hier gab es doch diese Überfälle von wilden Tieren auf Menschen. Wenn sie jetzt meinen Hund angreifen?“
„Hm….“
„Lass uns lieber nach ihr suchen!“, damit fasst er das Mädchen am Arm und zerrt sie vom Weg herunter.
„Au! Du tust mir weh!“
Norman zerrt weiter an ihrem Arm und versucht sie in die Büsche zu ziehen. Aus dem Unterholz wird das heisere Knurren von Ginger vernehmbar. Sam, Dean und Garth, die die Szene aus der Entfernung beobachtet haben, sprinten los. Dean stürzt wie ein Berserker mit dem vorgestreckten Dolch zwischen die Bäume.
„Komm her, du Scheißkerl!“, schreit er und lässt zusätzlich den Säbel über seinem Kopf kreisen. „Zeig dich oder machst du dir vor Angst in die Hosen?“
Sammy hat jetzt aufgeschlossen und leuchtet ins Unterholz hinein. Er erkennt Norman, der das Mädchen auf den Boden drückt. Als Dean die Szene begreift, stürmt er auf Norman zu, um ihm den Kopf abzuschlagen. Blitzschnell springt Ginger von der Seite an Dean hoch und bringt ihn zu Fall. „Verdammte Sch……“, schimpft Dean, dann beißt er ins feuchtes Laub. Als sich die beiden Brüder wieder auf Norman konzentrieren, ist dieser verschwunden.
„Ist alles in Ordnung?“, fragt Sam und berührt das Mädchen vorsichtig am Arm. Sie schreit hysterisch auf und versucht weiter in die Büsche zu robben.
„Ganz ruhig“, sagt Sam, „wir haben gesehen, wie dich der Typ vom Weg gezerrt hat. Ist alles in Ordnung?“
Sie nickt stumm. Dann bricht ein Schluchzen aus ihr hervor: „Er war auf einmal so anders! Ich hatte solche Angst, dass er mir was antun würde… ich…ich..“ Dann haben die Brüder nur noch ein Häuflein Elend vor sich.
„Komm“, sagt Sammy und zieht das Mädchen vom Boden hoch. „Wir bringen dich nach Hause.“
„Wird schon wieder“, wendet sich jetzt auch Dean an die Kleine und setzt sein Ich-bin-doch-dein-bester-Kumpel-Lächeln auf. Aus seiner Jackentasche holt er einen Schokoriegel und reicht ihn dem Mädchen rüber: „Hier. Iss. Das hilft.“
Garth, der auf dem Gehweg geblieben ist, um Norman abfangen zu können, sieht die drei kommen. Er macht Sam Zeichen, weil er wissen will, ob das Mädchen gebissen worden ist. Sam schüttelt den Kopf, und Garth macht das Daumen-hoch-Zeichen.
Sie bringen das Mädchen bis zu ihrer Haustür. Während der Fahrt hat Garth hinten im Wagen ihre Hand gehalten und beruhigend auf sie eingeredet. Als das Mädchen aussteigt, ist sie ganz ruhig.
Dean dreht sich zu Garth um: „Hey Garth, was war das für eine Endlosplatte die du da abgespult hast?“
„Ein Mantra.“
„…?“
„Die Wiederholung eines kurzen Satzes oder eines heiligen Wortes, ein Mantra eben.“
„Echt jetzt, Mann? Ein Mantra?“ Dean zuckt die Achseln, dreht sich wieder nach vorne und gibt Gas. Dann schaltet er die Musik laut.
Bevor sie sich am Motel trennen und auf ihre Zimmer gehen, fragt Sam Garth noch:
„Und, dein Plan, Garth, wie sieht der jetzt aus?“
„Morgen, Jungs, morgen.“
Aber bevor sich Garth Sam und Dean zu einem Gute-Nacht-Drückerchen nähern kann, dreht sich Dean auf dem Absatz um und Sam streckt ihm demonstrativ die Hand entgegen.
„Nacht, Garth.“
NÄCHSTER TAG.
„Wo will er sich mit uns treffen?“, fragt Dean.
Sam: „An dem Parkplatz. Corners Road Ecke Miners Steed.“
„Warum auf einem verdammten Parkplatz?“
„Keine Ahnung. Ist sein Plan.“
Sam und Dean stehen in der Dämmerung auf dem menschenleeren Parkplatz neben dem Impala und warten. Dann rollt ein Pickup neben den Impala und so ein Nerdtyp steigt aus. Schmal, Nerdbrille, zurückgegelte Haare, Kopfhörer lässig um den Hals gelegt und daddelt auf seinem Handy. Dean will schon auf ihn zu und ihm sagen, dass er sich verpissen soll, weil, der Parkplatz hier ist sozusagen reserviert, nämlich für sie und Garth, aber Sammy hält ihn zurück.
„Warte“, zischt Sam seinem Bruder zu.
Der Typ setzt die Kopfhörer auf, begleitet den Groove mit seinem Kopfwippen und schlendert, die Baggy tief in den Knien sitzend so nerdmäßig auf die Jungs zu. Es gibt kein Halten mehr für Dean:
„Hey, du Penner! Sieh zu, dass du Land gewinnst. Siehst du nicht?!“ – und er macht eine typische Bist-du-bescheuert-Mann-Geste- „hier ist besetzt!“
Der Nerd aber kommt den Jungs noch näher, nimmt die Brille ab und grinst über’s ganze Gesicht: „Hey, ich bin’s! Euer Kumpel Garth!“
Sammy fängt sich als erster: „Garth, wir dachten du wär’s…“
Dean: „Mach das nicht noch einmal mit uns, Garth!“
„Aber Jungs“, sagt Garth und öffnet die Arme. „Das ist genau der Plan! Wenn ihr mich für einen abgefuckten Nerd haltet, dann tut Norman das auch!“
„Hä?“
„Ich tauche hier in der Stadt auf. Ein gutaussehender Nerd. Total angepasst und unauffällig. Ein typischer Vampir auf der Durchreise. Norman wird mich finden. Wir freunden uns an. Wir tauschen uns aus. Ich locke ihn in die Falle. Und zack! Kopf ab.“
„Und du hälst das für einen guten Plan?“
„Hast du einen besseren?“
„Äh, nee….“
„Also! Vertraut mir, Jungs! Ich bau auf die Erfahrungen aus Forks. Wir haben uns da wochenlang unter Vampiren bewegt. Gebt mir drei Tage. Dann nenne ich euch den Ort an dem es passieren wird. Und besorgt in der Zwischenzeit das Blut eines Toten.“ Damit schlendert Garth zurück zu seinem Wagen, winkt den Jungs noch einmal über die Schulter zu und fährt.
„Also echt jetzt Mann, Garth als Vampir?“, fragt Dean.
Sammy zuckt nur mit den Schultern.
„Abgefahren!“
GARTH.
Garth lehnt über dem Geländer und spukt in den „Lonely Man“, einen Bachlauf, der durch Breston fließt. Neben sich einen Becher Coffee to go, starrt er in das vom Mondschein schwach beleuchtete glitzernde Wasser.
„So alleine unterwegs, in der Nacht?“, fragt ihn die Stimme von Norman Scaddy, der das Blut in dem Kaffeebecher gerochen hat.
Garth dreht sich halb zu ihm um: „Genieße ein wenig die Ruhe der Nacht.“ Grinst.
„Ah“, sagt Norman langsam. „Und wie ich sehe, magst du exotische Getränke.“
Garth lächelt und nickt. „Willst du einen Schluck?“ Er reicht Norman den Becher. Norman ergreift den Becher, nimmt einen Schluck und verzieht das Gesicht. „Brrrr. Diätdrink?“
„So was in der Art. War nix anderes im Angebot“, erwidert Garth und tut so, als nähme auch er noch einen Schluck.
Norman stellt sich neben ihm, stützt die Arme auf das Geländer und starrt gleichfalls in den Bach.
„Wo kommst du her?“
„Von überall und nirgends. Bin auf der Durchreise.“
„Wohin?“
„Mal sehen, kein Plan.“
Dann schaut ihm Norman direkt in die Augen: „Bist du einer von uns?“
„Ja. Ja und nein“, antwortet Garth.
„Wie meinste das denn“, fragt Norman nach.
„Irgendwas läuft bei mir nicht ganz rund. Liegt vielleicht an den Genen meiner Mutter.“
„Ha“, lacht Norman. „Genau, wie bei mir. Da lief auch irgendwas nicht ganz rund. Ich hatte mein Coming-out erst vor ein paar Monaten.“ Jetzt lacht er laut, was Ginger dazu bewegt näher zu kommen. „Sie dachten, ich hätte Tollwut oder Leukämie.“
Norman tätschelt seinem Hund den Kopf.
„Freut mich, dich kennen zu lernen. Ich bin Norman.“
Garth nickt ihm zu: „Garth.“
„Okay, Garth, dann sind wir schon zwei freakige Vampire. Ach ja, und das ist Ginger.“ Der Hund schnüffelt an Garth und dann an seinem Becher.
„Oh“, sagt Garth. „Hallo Ginger. Möchtest du auch was haben?“ Garth beeilt sich den Inhalt des Kaffeebechers für den Hund in einen Rinnstein zu gießen, heilfroh, nicht noch einmal in die Verlegenheit zu kommen, den Verzehr dieses Gesöffs vortäuschen zu müssen. „Na, das schmeckt dir, was?“
„Und, Garth, bist du so ganz alleine unterwegs? Wo ist deine Familie?“
„Tja, weißt du, wie soll ich es sagen… es lief nicht alles rund bei mir… und… und deshalb verzichten sie sozusagen auf meine Anwesenheit…Sind mehr so die Sorte Reinblüter“
„Ah, verstehe.“
Sie stehen eine Weile zusammen und schweigen. Man hört nur das Schlabbern von Gingers Zunge, die das Blut aufleckt.
Dann stößt Norman Garth in die Seite und sagt: „Weißt du was Kumpel? Ich schmeiß ‚ne Party für uns beide. Was hältst du davon?“
„Ne Party?“
„Ja. Ich organisiere uns zwei drei Mädels und wir besaufen uns mal ordentlich. Frischfleisch statt Konserve“ sagt er mit einem verächtlichen Kopfnicken auf den Rest der Blutlache. „Was hältst du davon?“
Garth bemüht sich zu grinsen und angetörnt zu wirken: „Das klingt nach ‚nem Plan!“
BRESTON. VOR DER ALTEN MÜHLE. NACHT.
„Boh ey, voll der Vollmond!“, quietscht eins der beiden Mädchen, ein völlig bekiffter Teeny.
Von der zweiten ist nur ein hysterisches Gibbeln zu hören.
„Voll romantisch und so“, sagt dann wieder die erste und schüttelt ihre Haare über die Schulter. „Und, was ist jetzt die Überraschung?“, wendet sie sich wieder an Norman und zerrt spielerisch an seinem Arm. „Sag schon! Sag schon! Sag schon!“
„Wahrscheinlich Vampire!“, prustet jetzt die zweite wieder los. „Ich… hihihi, ich… ich seh es schon glitzern…. Hihi“
„Ganz richtig, Ladies“, lacht auch Norman und zeigt auf die ausgebreitete Picknickdecke auf der Wiese. „Dürfen wir euch dann zu Tisch bitten?“
Gibbelnd lassen sich die Mädchen mit Norman und Garth auf der Decke nieder.
„Und jetzt?“, sagt die erste mit leuchtenden Augen, „jetzt trinkst du mein Blut?“
Die zweite lässt sich kichernd auf den Rücken fallen.
„Genau, meine Süße“, antwortet ihr Norman und beugt sich zu dem Mädchen.
Dann geht alles ganz schnell. Während sich Norman zu dem Mädchen herunterbeugt, öffnet er den Mund und entblößt sein riesiges Gebiss mit den langen Fangzähnen. Das Mädchen erkennt durch ihren Drogennebel hindurch ihren Fehler und beginnt zu schreien. Garth hat sich über Norman gebeugt und ihm die Spritze mit dem Blut eines Toten in den Rücken gejagt. Sam und Dean rennen aus ihrem Versteck auf Garth und Norman zu. Dolch, Axt und Säbel schwingend. Ginger, die in der Nähe herumschnüffelt, erkennt die Gefahr und jagt davon.
Norman hält in seiner Bewegung inne, als das Totenblut seinen Körper erfasst. Er wirft einen verständnislosen Blick auf Garth, bevor ihn Dean mit einem gezielten Schwung des Säbels von seinem Kopf befreit.
„Sicher ist sicher“, entschuldigt er sich. Die Mädchen kreischen.
NÄCHSTER TAG.
Die beiden Mädchen haben nach gestern geschworen, nie wieder Drogen anzurühren. Sam und Dean haben sie noch in der Nacht in der Polizeistation abgeliefert und behauptet, die beiden schreiend und halluzinierend in der Nähe des Highways aufgegriffen zu haben.
Die sterblichen Überreste von Norman Scaddy liegen im weichen Waldboden.
Sam, Dean und Garth stehen beieinander und nehmen Abschied.
„Guter Job, Garth“, sagt Dean anerkennend, die Hände in den Hosentaschen.
„Ja, Garth“ sagt jetzt auch Sam und reicht ihm die Hand. „Sehr gute Arbeit.“
„Ja, oder auch nicht. Ich fing gerade an, mich an ihn zu gewöhnen. Naja. Ich muss dann aber auch. Macht’s gut Jungs.“ Er will sich schon wegdrehen. „Ach was, lasst euch noch mal drücken!“ Widerstrebend fügen sich Sam und Dean Garths’ Abschiedskuscheln. Dann braust der Pickup davon.
„Können wir?“, fragt Sam.
„Nichts lieber als das!“, antwortet Dean. „Je schneller wir dieses verdammte Kaff hinter uns lassen, desto besser!“
Als sie ihr Gepäck ins Auto werfen wollen, sitzt ein Australian Shepard daneben und schaut sie an. Dann läuft er auf Sammy zu und wedelt mit dem Schwanz. Sam beugt sich zu dem Hund herunter und streichelt ihm über den Kopf. „Ist das nicht der Hund von Norman?“, überlegt Sammy.
„Keine Ahnung, wem das Mistvieh gehört.“
„Der ist doch jetzt ganz alleine.“
„Er steigt nicht mit in Baby!“
Der Hund springt an Sammy hoch und leckt ihm das Gesicht. „Oh, du bist aber ein ganz Lieber!“, säuselt Sammy entzückt.
„Sammy, ich sage dir, das Vieh fährt nicht mit.
„Dean, wir haben sein Herrchen getötet! Es ist das mindeste, das wir uns um ihn kümmern!“
„Kommt gar nicht in Frage! Wahrscheinlich hat der Flöhe, Wanzen und Läuse!“
„Dean, bitte!“
„Außerdem ist das der Hund eines Vampirs. Vielleicht ist er auch ein Vampir. Ein Vampirhund!“
„Jetzt spinnst du total! Ein Vampirhund! Dean!“
„Der Hund fährt nicht mit!“
Während die beiden einsteigen wollen, schlüpft Ginger an Sammy vorbei auf die Rückbank des Wagens, legt sich auf die Bank und schaut Sammy mit Dackelaugen an.
„Wenigstens, bis wir ihn untergebracht haben, Dean. Der Hund ist jetzt Waise. Das sind wir ihm schuldig…… Ich kümmere mich um ihn.“
Dean sagt gar nichts, startet den Wagen, gibt Gas und kurbelt das Fenster weit runter. Sam beugt den Arm nach hinten und krault das Fell des Hundes.