Dies ist eine Fortsetzung! Die Geschichte beginnt hier: https://belletristica.com/de/books/17559-writeinktober-2019/chapter/65204-01-gold
„Wer ist da?“ Atemlos lausche ich ins Dunkel, höre das Rascheln von Kleidung neben meinem Bett.
„Mein Name ist nicht von Belang, Bruder. Ich wurde geschickt, um zu erfahren, was genau im Anwesen der Burkerdalls geschehen ist.“
Misstrauen regt sich in mir, und ich wiederhole meine Frage. „Wer, bei den Zwölfen, will das wissen? Wer bist du?“ Er mag mich Bruder genannt haben, doch das beweist noch lange nicht, dass er Phex dient.
„Ich bin der, der bestimmt wurde, ein Auge auf dich zu haben, junger Geweihter. Wir wissen schon lange von dir. Ich folge deiner Spur, seit du Warunk betreten hast, und wie sich zeigt, ist es auch bitter nötig, ein Auge auf dich zu haben.“ Die Stimme trieft vor Verachtung. „Gestern Abend hatte ich dich verloren, das muss ich dir lassen. Dich hier wiederzufinden überrascht mich allerdings überhaupt nicht.“
Man hat mich beschattet und ich habe nichts bemerkt? Betroffen schweige ich einen Moment. Ich habe keinen Beweis, dass er ist, wer zu sein er vorgibt, doch mein Instinkt glaubt ihm. Ob es daran liegt oder ob ich schlicht meine Gedanken und Zweifel laut aussprechen will, sei dahingestellt – ich berichte ihm leise von meiner nächtlichen Aktion, angefangen beim Gesprächsfetzen auf dem Marktplatz bis hin zu meiner Ankunft hier im Perainetempel.
Er hört schweigend zu. Als ich geendet habe, höre ich seine nüchterne Stimme. „Du bist wirklich Witzbold. Hast du ernsthaft geglaubt, besser als Phex zu wissen, bei wem sich ein Einbruch lohnt?“
Ich runzle die Stirn. „Nein, aber –“
„Glaubst du nicht, dass es unklug ist, einen Gott so vor den Kopf zu stoßen? Wenn er das Gefühl bekommt, du vertraust ihm nicht, wie wird er dann wohl reagieren?“
„Aber ich habe ihm doch vertraut“, widerspreche ich verwirrt.
Der Mann neben mir schnaubt verächtlich. „Du hast nicht warten können, bis er dir zeigt, wofür du deine Fähigkeiten einsetzen solltest, und dir kurzerhand selbst was gesucht. Das klingt nicht gerade nach Vertrauen!“
Verärgert verziehe ich das Gesicht. „Ich war mir sicher, dass er mir beistehen würde! Das ist Vertrauen!“ Es fällt mir schwer, weiterhin leise zu sprechen.
Der andere seufzt, als würde er einem Kind etwas zu erklären versuchen. Er nimmt mich wohl nicht ernst, und meine Laune verschlechtert sich weiter.
„Du hast dich Hals über Kopf in eine Aktion gestürzt und dann einfach angenommen, dass er dich gegebenenfalls retten wird. Du zwingst ihm also die Aufgabe auf, dich im Zweifelsfall wieder rauszuholen. Sei froh, dass er so gnädig war, Kleiner!“
Wie er es formuliert, klingt das wirklich nicht sehr gut. Hat er Recht? War ich zu ungeduldig? Habe ich meinen Gott brüskiert?
„Hat er mich denn rausgeholt?“ Immer noch zweifle ich, ob er mir am Ende beistand.
Wieder ein geringschätziges, leises Lachen. „Überleg mal, wo der Gott des Glücks dich heute Nacht überall gerettet hat. Sei froh, wenn die Wunde die einzige Strafe ist, die du davonträgst. Vielleicht vergibt er dir deine Anmaßung ja nochmal, Brüderchen.“
Kein Wort des Abschieds. Nur erneutes Rascheln von Kleidung verrät mir, dass er den Raum verlässt und ich mit meinen Gedanken alleine bin.