Dies ist eine Fortsetzung! Die Geschichte beginnt hier: https://belletristica.com/de/books/17559-writeinktober-2019/chapter/65204-01-gold
Es war nicht besonders schwierig, herauszufinden, wo sich das Anwesen der Familie Burkherdall befindet. Selbstverständlich liegt es in Hochwarunk und nicht in der Unterstadt, einer stinkenden Kloake, in der sich angesehene Warunker niemals blicken lassen. Und der warunkische Ordnungswahn macht das Auffinden des Gebäudes auch ohne Beschreibung sehr einfach: Hier werden nicht nur Straßennamen verwendet, wie in vielen anderen Orten auch, nein, die Gebäude sind in jeder Straße durchnummeriert!
Die Beilunker Straße bietet keinerlei Deckung für eine unauffällige Langzeitbeobachtung. Scheinbar ziellos wandere ich zweimal vor dem Gebäude auf und ab, erkunde die Seitengassen sowie die Straße hinter dem Anwesen. Zwar kann ich von meinen Positionen aus keine Wachen ausmachen, aber das bedeutet nicht, dass sie nicht vorhanden sind und aufmerksam die Passanten beobachten. Allzu häufiges Auftauchen fiele mit Sicherheit auf.
Aber natürlich rechnen sie nicht mit einem Phexgeweihten! Der Gott der Händler und der Diebe hat uns mit hilfreichen Liturgien ausgestattet, die uns unsere Streifzüge erleichtern und es ermöglichen, anderen in seinem Namen eine Lektion in Sachen Demut oder Bescheidenheit zu erteilen. Er überlässt es uns, wann wir sie einsetzen, und ich werde die mir überlassene Macht für diese Spionagetätigkeit nutzen.
Kurz bevor ich die Seitengasse verlasse, spreche ich die Liturgie und werde unsichtbar.
Verborgen wie der Neumond.
Es erfordert Konzentration, sich auf die Formel zu fokussieren und dennoch Informationen zu sammeln, doch ich traue es mir voll und ganz zu. Wenn Phex noch Interesse an mir und meinen Diensten hat, wird er mich nicht scheitern lassen!
Verborgen wie der Neumond.
Ein Dienstbote klopft an das Eingangsportal und erbittet Einlass. Wie vermutet öffnet eine bewaffnete Söldnerin die Tür, erkundigt sich nach seinen Wünschen, lässt ihn warten.
Ich stelle mich hinter ihn.
Verborgen wie der Neumond.
Als er eingelassen wird, schlüpfe ich hinter ihm ins Anwesen und beginne meine Spionagerunde.
Verborgen wie der Neumond.
Eine halbe Stunde streife ich durch das weitläufige Gebäude, erforsche die Ein- und Ausgänge, sondiere den Innenhof, erkunde den Verlauf der den Garten begrenzenden Außenmauer, kundschafte die verschiedenen Zimmer – insbesondere das Arbeitszimmer – aus und analysiere die Bewegungen der vier Bewaffneten. Ihre Patrouillen folgen einem strengen Muster – wie töricht! Es wird mir ein Leichtes sein, ihnen auszuweichen.
Unbemerkt verlasse ich das Anwesen und begebe mich in die Seitengasse, die parallel zum Garten verläuft, um die Liturgie und damit meine Tarnung fallenzulassen.