Dies ist eine Fortsetzung! Die Geschichte beginnt hier: https://belletristica.com/de/books/17559-writeinktober-2019/chapter/65204-01-gold
Ich habe den Lageplan des Anwesens in meinem Kopf gespeichert, kenne den Rhythmus der Wachhabenden, weiß um die Lage des Arbeitszimmers – ich fühle mich auf meinen Einbruch in der kommenden Nacht gut vorbereitet! Einzig die verschlossenen Türen könnten mir noch zum Verhängnis werden, doch auch dafür werde ich noch eine Lösung finden.
Moment ... wie gelange ich später ins Gebäude? Die göttliche Macht, die Phex mir schenkte, reicht nicht mehr aus, um Verborgen wie der Neumond ein weiteres Mal zu verwenden. Es wird mir kaum gelingen, heute Nachmittag noch eine Quest durchzuführen, die ihn so erfreut, dass er meine liturgische Macht wieder vollständig erneuert.
Ach, was soll’s – ich werde einen anderen Weg hinein finden! Die Untersuchung des Anwesens bei Tageslicht war den Preis der verbrauchten Karmalenergie wert! Für das eine oder andere Gebet um Glück wird es noch ausreichen. Und mein Erfolg wird Phex gefallen – vielleicht erkennt er diese Tat ja als Karmalqueste an und füllt meine Macht wieder auf! Er wird schon sehen, dass ich ein wertvoller Geweihter bin!
Aufmerksam lasse ich meinen Blick durch die Gasse wandern. Niemand beobachtet mich, sodass ich der Gartenmauer mehr Aufmerksamkeit widmen kann.
Woraus sie besteht, kann ich nicht erkennen, denn sie wurde vor einigen Jahren weiß verputzt. Die ursprüngliche Farbe ist jedoch einem Flickenteppich aus undefinierbaren Flecken gewichen. Die Abgeschiedenheit der Gasse lässt mich vermuten, dass es für viele ein beliebter Platz ist, um sich nach einem Tavernenbesuch auf die eine oder andere Art zu erleichtern. Stellenweise wird der unappetitliche Anblick von Efeu überwuchert, das die Mauer vom Garten aus erklommen hat und sich nun nach unten vortastet.
Behutsam ziehe ich an einer der stärkeren Ranken, um ihre Festigkeit zu prüfen. Das leichte Rascheln, das diese Berührung hervorruft, wäre noch zu tolerieren, doch ich merke sofort, dass die Pflanze mein Gewicht nicht wird tragen können. Das wäre ja auch zu einfach gewesen ...
Langsam folge ich dem Verlauf der Gasse, betrachte kritisch jede ungewöhnliche Stelle im Mauerwerk. Nach einigen Schritten entdecke ich, was ich gesucht habe.
Ein kleiner, unauffälliger Riss zieht sich von der Mauerkrone bis hinunter aufs Pflaster. Durch ihn hat sich der Regen der letzten Jahre einen Weg unter die ehemals weiße Verkleidung gebahnt, und ein vorsichtiges Abklopfen bestätigt mir, dass es nur eines leichten Schlags bedarf, um den Putz abbröckeln zu lassen und einen Hohlraum dahinter freizulegen. Er ist auf der perfekten Höhe, um meiner Schuhspitze den benötigten Halt zu geben, sodass ich mich auf die Mauer hinaufschwingen kann – und von dort in den Garten gelange!
Ich wusste, dass mir das Glück hold sein würde! Jetzt muss ich mich nur noch um eine Möglichkeit kümmern, die Türen im Gebäude zu öffnen.