Dies ist eine Fortsetzung! Die Geschichte beginnt hier: https://belletristica.com/de/books/17559-writeinktober-2019/chapter/65204-01-gold
Wie ein Schock fährt ein wenig Kraft in meinen Körper und ermöglicht mir, mühsam die Augen zu öffnen.
„Gelobt sei Peraine“, sagt eine ältere Dame, die erleichtert auf mich hinunter lächelt, „Das war knapp.“ Dann wendet sie sich an Umstehende. „Bringt ihn rein, wir müssen ihn genauer untersuchen. Aber mit einer Trage, das wird so schon schmerzhaft genug.“
Schmerzhaft? Das Wort ruft mir die Wunde ins Gedächtnis, und sofort dominiert sie wieder meine Wahrnehmung. Doch ich kann wieder klarer denken. Die Frau muss Perainegeweihte sein und einen Heilsegen über mich gesprochen haben – das erklärt das bisschen mir plötzlich zur Verfügung stehender Kraft. Erleichtert schließe ich die Augen, murmle ein fast lautloses Gebet an die Gütige und danke ihr für die Gnade, die sie mir durch ihre Geweihte zukommen ließ.
Warum hat Phex mich nicht vor der Verletzung bewahrt?
Ich erhalte keine Gelegenheit, weiter darüber nachzudenken, denn man bringt mich ins Tempelinnere und beginnt mit einer Untersuchung. Obwohl ich all meine verbliebene Kraft aufbiete, um mich zu erklären, zu versichern, dass die Bauchwunde mein einziges Problem ist, Berührungen auszuweichen, tastende Hände fortzuschieben und meine Kleidung zu behalten, lassen sich die Geweihten und Akoluthen Peraines nicht aufhalten. Mit ruhigen, geübten Bewegungen entkleiden und untersuchen sie mich.
Nach kurzer Zeit gebe ich meine Gegenwehr auf und lasse die Prozedur über mich ergehen. Der Blutverlust hat zu viel Kraft gekostet, um ihnen ernsthaft etwas entgegenzusetzen. Außerdem befinde ich mich unter Zwölfgöttergeweihten, im Tempel der Hüterin des Lebens. Ich muss die Berührungen ihrer Diener nicht fürchten. Trotz dieser Erkenntnis gebe ich mich nur widerwillig in die Hände meiner Glaubensgeschwister.
Ich fühle mich völlig am Ende, als ich endlich mit gesäuberter, verbundener Wunde und einem grünen Tempelgewand bekleidet in einem der Betten im Krankensaal liege. Erschöpft schließe ich die Augen.
„Hier, trinkt das. Ihr habt viel Blut verloren.“ Die Frau, die den Segen über mich gesprochen hatte, hält mir einen Becher vors Gesicht. Tatsächlich bin ich schrecklich durstig, und sie füllt zweimal nach, bis ich endlich genug habe.
„Danke.“ Ich setzte mein charmantestes Lächeln auf. „Ihr habt mir mit Eurem Segen vorhin Kraft zurückgegeben. Ich wurde angegriffen und verdanke Euch vermutlich mein Leben. Könnt ihr meine Wunde heilen?“ Ich möchte so schnell wie möglich wieder hier weg, bevor jemand auf den Gedanken kommt, meine Habseligkeiten zu untersuchen.
Sie nickt nachdenklich. „Wenn Peraine uns ihre Gnade gewährt, könnten wir das, ja. Doch euer Blutverlust würde dadurch nicht ausgeglichen. Ihr müsst euch ohnehin ein paar Tage gedulden – dann sehen wir, wie weit die Heilung vorangeschritten ist. Schlaft jetzt ein wenig – Euer Körper kann es brauchen.“ Lächelnd lässt sie mich wieder alleine.
Mit einem schicksalsergebenen Seufzen schließe ich die Augen. Ein paar Tage ohne heilenden Wundsegen ... Nun, sie wird wissen, wovon sie spricht. Und ich an ihrer Stelle würde meine Karmalenergie auch nicht ausgeben wollen, wenn dadurch kein deutlicher Vorteil gewonnen werden kann. Ob ich will oder nicht – ich werde mich in Geduld üben.