Prompt vom 19.05.2020
Einst, kaum jemand erinnert sich noch an das Land, das vor mehreren tausend Jahren inmitten des Ozeans erbaut worden war, wurde ein Kind im Königshause geboren. Jedermann hatte das Kind gern und wenn es zusammen mit den Eltern in das Königreich reiste, so hatte man nur Augen für die wunderschöne Tochter des Königs. Man schenkte ihm Blumen und übergab ihm Geschenkte von fernen Ländern und das Kind nahm sie dankend an.
Und so geschah es, dass das Zimmer des Kindes von Geschenken nur so überquoll und das Königspaar eifersüchtig wurde. Niemand mehr interessierte sich für die Güte der Beiden, für all die Errungenschaften, die das Land nur mit ihrer Hilfe hatte erreichen können. Sie freuten sich zwar über die Beliebtheit des Mädchens, doch entschlossen sie sich, etwas dagegen zu unternehmen.
Der König organisierte der jungen Prinzessin das größte Zimmer im Palast und ließ all ihre Geschenke und Gaben dorthin schaffen. Denn trotz all der Eifersucht, so war das Mädchen noch immer seine Tochter, die er über alles liebte. Die Königin sperrte das Kind in sein Zimmer, das es nur noch zu den Mahlzeiten verlassen durfte. Außerhalb des Palastes bekam sie nie wieder jemand zu Gesicht.
Doch das Mädchen, das langsam zu einer jungen Frau heranwuchs, war gütig und verzieh ihren Eltern, all die Schande, die sie ihr angetan hatten. Die Zeit vertrieb sie sich mit dem Studieren der Blumen und Bäume vor ihrem Fenster, mit dem Lesen der kostbarsten Bücher und dem Malen wunderschöner Formen. Doch nach Jahren der Ödnis wurden ihre Beschäftigungen langweilig und stundenlang starrte sie auf die ihr zu Füßen gelegte Stadt. Sie sehnte sich nach Freiheit, doch verließ sie ihr Zimmer nie.
Und dann geschah etwas, das niemand erwartet hatte. Ein Personalwechsel stand an und die Prinzessin freute sich auf die kleine Veränderung. Nicht immer nur das gleiche Gesicht, das ihre Wäsche zum Waschen abholte. Nicht immer die gleichen Bewegungen, die ihre Putzkraft tat, wenn sie das Zimmer sauber machte. Endlich eine neue Person, die in ihr Zimmer kommen durfte.
Das erste Mal seit Jahren sah sie ein unbekanntes Gesicht. Der Mann lächelte die Prinzessin an, als er anfing die Fenster zu putzen und auf bitten der Frau fing er an von der Welt da draußen zu erzählen.
Und zum ersten Mal seit Jahren erfuhr sie von den Dingen, die sich außerhalb des Palastes abspielten.
Der Mann erzählte ihr vom alltäglichen Markt, auf dem Fisch und Obst, sowie Vieh und Wolle angeboten wurden. Von den Menschen die dort einkauften und von Kindern, die dort spielten. Still hörte die Prinzessin zu und ihre Augen wurden immer größer, je mehr der Mann erzählte.
Doch seine Arbeit war bald getan und so verließ er die Frau, die noch immer die Sehnsucht hegte, dies alles selbst einmal zu Gesicht zu bekommen.
Tag für Tag kam nun der Angestellte und erzählte der Prinzessin Geschichten von außerhalb. Sie erfuhr von den wunderschönen Seiten des Lebens, doch auch von den Waisenhäusern und Arbeitslosen, die kaum Geld besaßen. Sie hörte den Ungerechtigkeiten zu, die er ihr erklärte und warum dies alles so geschah, wie es geschah.
Die Prinzessin, die trotz des langen Alleinlebens noch immer Sympathie für die Menschen unter ihres Standes aufbrachte, wies dem Diener an, einige ihrer Goldstücke, die sie besaß, an die Menschen auszuteilen. Er sollte diese ausfindig machen und dafür ebenfalls ein fürstliches Honorar erhalten.
Der Mann tat wie geheißen und wurde zum Spion der Prinzessin, die jedoch nie wieder in das Königreich hinabtreten sollte.