Prompt vom 24.11.2020
„Sieh durch die Blume“, forderte er sie auf und sie runzelte nur die Stirn.
Verwirrt blickt sie auf die gelbe Rose in ihren Händen, die er ihr gerade eben geschenkt hatte.
„Durch die Blume?“, fragte sie nicht besonders aufgeklärt nach, doch er schien sie keinesfalls auf den Arm nehmen zu wollen. Er meinte seine Aufforderung vollkommen ernst, auch wenn ein sanftes Lächeln seine Lippen umspielte.
Sie zögerte noch einmal, doch dann hob sie die Rose an ihre Augen und blickte durch die zarten Blütenblätter. Das Gelb drang in ihre Augen ein, doch mehr als die grelle Farbe konnte sie nicht erkennen.
„Was soll da sein?“, fragte sie frustriert nach, aber er lächelte noch immer. „Sieh genau hin“, belehrte er sie und nickte leicht.
Erneut starrte sie in die Blüten, doch dann konnte sie es urplötzlich sehen. Die gelbe Farbe schwand und löste sich beinahe auf, sodass nur noch ein sanfter Schimmer zurückblieb. Sie spürte, wie ihr Haut gleichzeitig kalt und heiß an ihr Gehirn weitergab und ihre Gefühle vollkommen durcheinanderbrachte. Sie kniff ihre Augen zusammen und konnte dann in das Innere der Blume sehen.
Ein Herz, ein menschliches Herz, befand sich darin, in einen dünnen und vor allem zerbrechlichen Glaskasten eingesperrt. Kein Blut rann daran herab, aber es war eindeutig ein menschliches Herz. Ihre Augen wurden noch größer, als sie bemerkte, dass es pochte. Immer und immer wieder, niemals aussetzte.
Sie löste den Blick von dem Geschehen und blickte ihn ungläubig an. „Was… Was ist das?“, stotterte sie mit zitternder Stimme. Um ein Herz zu sehen, dafür war sie nicht gemacht worden.
Aber seine Gesichtszüge änderten sich kaum, sein leichtes und sanftes Lächeln blieb bestehen. „Das ist mein Herz.“
Sie runzelte nur erneut verwirrt die Stirn. „Wir meinst du das? Das kann doch unmöglich dein Herz sein. Das hast du doch…“ Sie griff sich an die Brust. „…dort.“
„Ja. Doch ich schenke es dir. So siehst du, ob ich noch lebe, denn das Herz der Blume ist verbunden mit meinem eigenen. Hört es auf zu schlagen, so werde ich sterben.“
Ungläubig blickte sie ihn an, doch er war noch nicht fertig. „Wenn eines der Herzen stehenbleibt, dann werde ich tot sein. Achte auf die Blume, denn wird der Glaskasten oder die Blume zerstört, dann bleibt auch mein Herz, dort…“, er griff sich ebenfalls auf die Brust, „…stehen.“