Mary hatte sich vergeblich gewehrt. Sie hatte gekratzt und sogar gebissen, sich geweigert zu laufen. Die Wachen des Gefängnisses aber hatten sie im Nu überwältigt, ihr die Hände auf dem Rücken fixiert und einen Knebel in den Mund gesteckt. „Gleiches Recht für Frauen!“, hatte Mary immer wieder ausgerufen. Bis zuletzt. Aus den anderen Zellen tönten laute Stimmen mit ein.
„Halte durch, Schwester!“
„Sie können dich festhalten, aber nicht deinen Kampfgeist brechen!“
„Zeig ihnen, dass wir nicht das schwache Geschlecht sind!“
„Niemals wieder unter der Knechtschaft der Ehemänner!“
Mary versuchte ruhig zu atmen und sich auf das Kommende vorzubereiten, während man sie durch den langen Gang des Zellenblocks schleifte. Zu jenem Raum, von dem sie schon so viel gehört hatte. Im Geiste begann sie zu beten.
„Vater unser, der du bist im Himmel … lass nicht zu, dass sie mich brechen, wie du es nicht zugelassen hast bei deinem Sohn…“
Mary war nie besonders gläubig gewesen, doch es konnte nicht schaden.
Als sich die Tür öffnete, erkannte sie sogleich, was ihr bevorstand:
Ein Stuhl, auf dem man sie fixieren würde.
Ein Tisch, auf dem alles schon bereitstand.
Ein Trichter, daran ein Schlauch aus rotem Gummi.
Ein Krug mit Haferschleim darin.
Schon der Anblick ließ Marys Kehle zusammenkrampfen.
Jetzt nur keine Schwäche zeigen, nahm sie sich vor.
Sie wusste, dass die Zwangsernährung eine Tortur war, die schon viele Schwestern erlitten hatten. Es würde nicht lange dauern. Dann würde man sie zurück in die Zelle bringen.
Noch zehn weitere Tage. Dann wäre ihre erste Haft überstanden. Sie würde einen Strauß mit violetten Veilchen bekommen, eine Schärpe in den Farben der Suffragetten und eine Urkunde, die ihr im Namen von Mrs. Pankhurst bescheinigte, dass sie nun ganz offiziell zu ihnen gehörte.
Eine wahre Kämpferin für’s Frauenrecht.
Inzwischen hatten die Männer sie mit Riemen gebunden und einer, der eine Schürze trug, wie ein Arzt oder Metzger, zog ihren Kopf am Haar nach hinten, um den Schlauch in ihre Speiseröhre einzuführen.
Mary holte noch einmal tief Luft.
Sie würde es diesen Kerlen beweisen!
Keine Schwäche!