Die Sonne brannte mit voller Kraft vom Himmel herab in die Arena und wenn der Kaiser in ihrem gleißenden Licht etwas erkennen wollte, dann musste er seine Augen mit der Handfläche über der Stirn schützen. Er war es gewohnt, dass man ihm zu Ehren so allerhand Spektakel aufbot. Oftmals begann es schon vor den Toren der Stadt, wo man ihn mit langwierigen Höflichkeiten begrüßte und sich nach dem Verlauf seiner Reise und ihres Zwecks erkundigte. Dieser war stets derselbe. Als Kaiser zeigte er seine Präsenz und vergewisserte seine Untertanen auch im letzten Winkel des Reiches der Macht und des Einflusses Roms. Er zeigte sich gern großzügig, förderte den Bau von Straßen, Tempeln, Aquädukten und anderen Gebäuden, die ihm zu Ehren seinen Namen erhielten. So war auch diese Arena zu dem ihren gekommen. Doch an diesem vor Hitze flirrenden Sommertag war etwas anders als sonst. Die Kämpfe und sportlichen Darbietungen der jungen Athleten zogen den Mann in ihren Bann. Einer von ihnen tat dies vor allen anderen.
Zunächst schien es dem Kaiser wie ein Zufall. Der auffällige Krauskopf hatte tatsächlich zweimal einen Wettkampf für sich gewonnen. Zuerst das Speerwerfen und dann ein Wettrennen. Was für ein Ehrgeiz ihn wohl antrieb, sich hier bei nicht mehr als einem pompös angelegten Schauspiel so sehr anzustrengen? Der Mann gab einer Dienerin ein Zeichen, woraufhin sie seinen Pokal erneut mit Wein füllte. Dann wandte er sich an seinen Gastgeber. Wer der Jüngling sei, verlangte er zu wissen. Der, welcher soeben in den Ring getreten war, der mit den wilden Locken und den kräftigen Gliedern. Die Antwort war nicht zufriedenstellend. Vermutlich der Sohn irgendeines Pferdehändlers oder Verwalters aus der Provinz.
Der Kaiser schnaufte, nahm einen Schluck und widmete sich wieder der Vorstellung. Dieses Mal verlor der hübsche Athlet. Er kämpfte ganz so wie ein junger Löwe, mit viel Geschick, Wendigkeit und Ausdauer, doch sein Gegner war ihm an Körpergröße und Gewicht überlegen, was den Jüngling keinesfalls davon abhielt, unermüdlich bis zum Ende zu ringen. Sein Beobachter konnte derweil für keinen noch zu kurzen Moment die Augen von ihm abwenden. Da war eine Harmonie in den Bewegungen, eine Anmut, selbst in der Niederlage, die seinen Blick gefangen nahm. Und mehr noch; Als der Kampf beendet war und sich Sieger und Verlierer kameradschaftlich die Hand gaben, lächelte der Jüngling und schaute kurz zu dem Baldachin herüber, unter dem der Kaiser mit seinem Gefolge saß. Hatte er die Aufmerksamkeit, die auf ihm lag bemerkt? Wenn ja, dann schien sie ihm nicht viel zu bedeuten, denn er gesellte sich rasch zu einem anderen Jungen, dem er den Arm um die Schulter legte. Gerade als beide sich zum Gehen wandten, ertönte plötzlich ein Ruf von der Balustrade und gebot ihnen, zu bleiben.
„Du da, der Ringer. Komm her!“
Erstaunt befolgte der Jüngling den Befehl und trat vor den Kaiser. Um ihn sehen zu können, legte er eine Hand über die Augen. Dann lächelte er wieder
„Wer bist du?“
„Ich? Man nennt mich Antinous.“
Als er die Hand jetzt fortnahm, blickte der Kaiser in bernsteinfarbene Augen.