Gertrud ließ sich stöhnend aufs Sofa sinken. Die Schule ging ihr so auf den Keks! Bald waren Ferien, wenigstens war sie den Mist dann los. Aber sie hatte auch keinen Bock auf die Ferien, denn dann würden sie wieder nach Mallorca fliegen und da war sie schon so oft gewesen, dass es ihr zum Hals raushing. Sie griff gerade nach der Fernbedienung, um nachzusehen, ob wenigstens im Fernsehen irgendetwas Brauchbares kam, als ihre Eltern reinkamen.
"Ach Gertrud, wir wollten noch mit dir reden", sagte ihre Mutter. "Wir haben entschieden, dass wir doch nicht nach Mallorca fliegen."
Gertrud stöhnte laut. "Oh nee, nicht schon wieder was anderes! Ich hab keinen Bock, ständig woanders hinzufliegen!"
Ihre Eltern blickten sie verwundert an. "Wir dachten, du hättest keinen Bock auf Mallorca, weil wir seit fünf Jahren jeden Sommer dort waren", sagte ihr Vater.
"Genau, und deshalb haben wir umgeplant und fliegen dieses Jahr nach Island", strahlte ihre Mutter.
Gott, war die immer so entsetzlich fröhlich. Allein schon dieser Tonfall! Erwarteten die etwa, dass sie sich jetzt freute oder was?
"Nee, oder? Das ist ja noch viel öder als Mallorca. Oh Mann, ey." Gertrud verdrehte theatralisch die Augen und zündete sich eine Zigarette an, obwohl sie eigentlich keinen Bock auf Rauchen hatte.
"Du sollst doch nicht rauchen. Schon gar nicht hier drin", motzte ihr Vater.
"Mir doch egal. Leckt mich", erwiderte Gertrud.
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Gelangweilt kaute Gertrud auf ihrem Kaugummi und sah aus dem Flugzeugfenster. Na, das war ja sogar noch öder, als sie gedacht hatte. Und natürlich regnete es. Echt, wie konnte man sich das bloß antun?
"So, wir gehen erst mal einkaufen", sagte ihre Mutter, als sie irgendwann endlich im Hotel angekommen waren. Sie war schon wieder so grässlich fröhlich, es war nicht zu ertragen. "Kommst du mit oder bleibst du lieber hier und ruhst dich aus? Oder vielleicht möchtest du gerne ein bisschen spazieren gehen? In Island soll es ja Elfen geben, vielleicht triffst du einen." Sie zwinkerte ihr zu.
Gertrud ließ sich schwer aufs Bett fallen, ohne sich die Mühe zu machen, vorher die Schuhe auszuziehen. "Im Leben nicht. Ich hab keinen Bock auf diese Scheißinsel, ich bleib hier im Bett, bis ich sterbe."
"Na ja, wie du willst", antwortete ihre Mutter unbekümmert. "Aber zieh dir die Schuhe aus, wenn du dich ins Bett legst."
"Und rauch nicht", fügte ihr Vater hinzu. "Das ist ein Nichtraucher-Hotel."
Gertrud verdrehte die Augen und zeigte ihnen den Stinkefinger.
Ihre Eltern verließen den Raum. Gertrud sah an die Decke, verdrehte intensiv die Augen und stöhnte lang und anhaltend. Das Hotelzimmer war entsetzlich. Schon die Decke war in so einem fürchterlich langweiligen Weißton gestrichen. Und das sollte jetzt zwei Wochen so gehen!
Immer noch seufzend und stöhnend griff sie nach der Schokolade, die sie noch übrig hatte, sowie ihrem Handy und öffnete Whatsapp. Anna, ihre BFF, war gerade online. Die dumme Schnepfe hatte ein neues Profilbild eingestellt, auf dem sie selbst an einem Strand auf Mallorca zu sehen war. Im Bikini und mit einer Bierdose. Sie sah ekelerregend fröhlich aus.
Mann, hast du's gut, schrieb Gertrud. Ich sitz hier und sterbe vor Langeweile, während du es dir gut gehen lässt.
Anna schrieb sofort zurück. So toll ist es auch nicht. Wir baden den ganzen Tag im Meer, saufen Bier und liegen in der Sonne. So langsam geht es mir schon auf den Geist. Ich würd auch mal gern woanders hinfahren.
Alles besser als hier, schrieb Gertrud zurück. Hier ist es arschkalt, meine Zehen sind schon abgefroren. Du hast es wenigstens warm und du hast Bier.
So toll ist es echt nicht. Wir haben nur Bier, Rotwein, Sangría, Weißwein, Rosé, Orangensaft, Apfelsaft, Radler, Kaffee, Tee, Eistee, Cola und Schnaps. Und die Hitze ist unerträglich. Und was machst du so?
Ich lieg im Bett, ess Schokolade und warte darauf, dass endlich mal was Spannendes passiert, schrieb Gertrud und garnierte die Nachricht mit einer Reihe genervt dreinblickender Smileys.
Anna antwortete mit einem sabbernden Smiley. Schokolade? Mensch, bin ich neidisch!
Kauf dir doch welche.
Spinnst du? Da müsste ich 50 Meter laufen und dazu müsste ich von meiner Liege aufstehen! Glaubst du, darauf hab ich Bock?!
Was für eine dumme, faule Ziege ihre BFF doch war.
Oh Mann, bist du eine faule Sau und dann bemitleidest du dich auch noch, antwortete Gertrud. Weißt du was, ich hab keinen Bock mehr auf dein Getrolle.
Selber! Leck mich, lautete die Antwort.
Gertrud legte ihr Handy zur Seite und nahm stattdessen die Fernbedienung in die Hand. Sie zappte gelangweilt durchs Programm, aber da kam auch nur Mist. Ihr Handy piepste. Hoffentlich wollte die dumme Ziege sich nicht schon wieder mit ihr versöhnen, darauf hatte sie überhaupt keinen Bock. Sollte sie doch in ihrem Bierfass versaufen. Oder auf ihrer Liege verdörren.
Das Handy piepste schon wieder. Anna hatte ihr einen Stinkefinger geschickt. Und außerdem hatte sie eine Nachrichtenanfrage auf Facebook. Himmel, musste das sein? Konnten die Leute sie nicht einfach in Ruhe lassen? Gertrud öffnete die Nachricht. Sie stammte von einem Typen, der sich "Elf" nannte, und lautete:
Hey, ich hab gehört, dass du gerade in Island bist. Ich bin ein Elf hier aus der Gegend und wohne ganz in der Nähe. Hättest du Lust, was zusammen zu unternehmen? Ich könnte dir ein paar schöne Ecken von Island zeigen oder wir könnten zusammen ins Elfenland gehen.
Was war das denn für ein Spinner? Glaubte der ernsthaft, sie würde sich für sein beschissenes Elfenland interessieren?
Kein Bock, schrieb sie zurück. Elfen sind voll langweilig und kindisch.
Sie legte das Handy zur Seite und zappte weiter durchs Fernsehprogramm.
Es piepte schon wieder. Gertrud stöhnte. Schon wieder dieser Typ.
Oh sorry, du denkst wahrscheinlich, ich will dich veräppeln. Also nein, so ist das nicht, ich bin ein echter Elf. Ehrlich. Ich kann's dir beweisen.
Sie schrieb zurück: Echte Elfen kann ich erst gar nicht leiden, die sind voll schwul und jetzt verpiss dich.
Nach einigen weiteren Minuten klingelte es an der Tür. Waren ihre Eltern tatsächlich zu blöd gewesen, um den Schlüssel mitzunehmen? Sollte sie jetzt etwa extra aufstehen, bloß um denen aufzumachen?!
"Zimmerservice", rief eine Stimme vor der Tür.
Der hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie stellte sich tot, in der Hoffnung, dass der Mitarbeiter wieder abhauen würde. Klappte nicht, die Tür öffnete sich. Anscheinend hatte er der einen Schlüssel. Na super.
Gertrud schielte kurz rüber und sah einen hässlichen großen Mann. Sie hatte definitiv keinen Bock, ihn näher zu betrachten, also schaltete sie wieder durchs Fernsehprogramm.
Plötzlich spürte sie den schweren Atem des Typen direkt neben sich. Er machte ein komisches Geräusch mit der Zunge.
"Ey, was rückst du mir so auf die Pelle?", fragte Gertrud genervt. "Hast du nichts Besseres zu tun?"
Er lachte. "Ich Troll und ich Hunger."
"Schön und was hab ich damit zu tun?" Heute hatten es wirklich alle auf sie abgesehen.
"Du mein Essen."
Das auch noch! "Oh nee, darauf hab ich jetzt echt keinen Bock."
"Ich aber", sagte der Troll und packte sie. Da Gertrud keinen Bock hatte, sich zu wehren, fraß er sie.