"Happy Birthday, to you ..."
Murmelnd rollte Felix sich auf die andere Seite. Was immer das für ein Katzengejaule war, irgendjemand sollte das arme Tier bitte von seinem Leid erlösen.
"Happy Birthday, to you ..."
Ach du Schreck, es kam auch noch näher, dabei hatte er so sehr gehofft, wenigstens heute ausschlafen zu können.
"Happy Birthday, dear Jeeeeeeegeeeer! Happy Birthday, to you!"
Nun musste Felix aber doch lachen, konnte er nicht mehr an sich halten, als sein Partner aus vollem Halse den Geburtstagsklassiker schmetternd neben seiner Seite des Bettes zum Stehen kam.
Anton mochte zahlreiche Talente haben, singen gehörte beileibe nicht dazu. Gepaart mit einem österreichischen Akzent führte dieser herrlich verschrobene Mann die sich dem Maler bietende Situation schon fast ab absurdum, denn als Felix unter seinem Kissen hervorlugte, stand dieser doch wahrlich mit einem Kuchen vor ihm, auf dem die Kerzen mit seinem Zahnpastalächeln um die Wette strahlten. Noch recht verschlafen rappelte sich Felix in eine aufrechte Sitzposition, kopfschüttelnd über das Aufgebot, das sein Partner hier auffuhr, war es doch nun wirklich keine große Leistung, die es wert war, gefeiert zu werden, wenn man das Licht der Welt erblickt hatte.
Genau genommen machte man damit seiner Familie nur Scherereien, denn alles geriet in Aufruhr, die Mutter litt stundenlang Schmerzen, machte die ganze Arbeit und am Ende? Wurde das Kind beglückwünscht und beschenkt. Wozu? Das erschloss sich dem jungen Blonden nicht.
Oder besser, so hatte er es gelernt. Seine Schwestern waren adoptiert, da war das was anderes, die hatten etwas geleistet, waren sie doch aus einem weit entfernten Land hierher geflüchtet, mussten Schreckliches durchleiden, da durften die sich etwas drauf einbilden, ihren Geburtstag erleben zu dürfen. Aber Felix? Nein, er war privilegiert aufgewachsen, wenn überhaupt, dann diente der Brauch lediglich dazu, um ihm neue Pinsel, Farben und andere Materialien zu schenken, für die er dann auf ewig dankbar zu sein hatte. War er auch, denn die Kunst war schließlich immer das höchste Gut für ihn gewesen. War es noch immer, nur auf eine andere Weise. Dank Anton. Vielleicht sollte Felix lieber diesem etwas schenken?
"Willst du nicht auspusten?"
Was sollte -? Ach so. Verlegen fuhr Felix sich durch das dunkelblonde Haar und holte tief Luft, um auch ja alle Kerzen zu erwischen, deren Strahlung doch noch ein wenig hell für seine müden Augen war.
Leicht zupfte ein wehmütiges Lächeln an seinen Mundwinkeln, als sein trainiertes Gehirn erfasste, dass es sich genau um einundzwanzig Kerzen handelt, die auf der wirklich köstlich riechenden Schokoladentorte thronten. Bei dieser Zahl, die so wunderbar praktisch in sein System passte, rieselte es wohlig seinen Rücken hinunter.
"Rutsch mal", fordert Anton ihn auf und wie immer, gehorchte der Körper des Malers diesen Worten ganz von allein, "jetzt gibt's Feines."
Diese kindliche Freude war schon niedlich. Anton schlüpfte zu ihm unter die noch angewärmte Decke, den Kuchen und zwei Teller balancierend. Das Messer, das er scheinbar in seinem Gürtel transportiert hatte, konnte Felix gerade noch herausfischen, bevor ein Malheur passierte.
"Aha, und wo ist das Frühstück?", wollte das Geburtstagskind wissen, denn wenn sein Partner dies nicht aus seinen Hosentaschen zaubern wollte, sah es schlecht für seinen hungrigen Magen aus.
"Pff, na hier!", meinte Anton auf den Kuchen deutend, schnappte sich das Messer und begann, mit einer abstrusen Haltung seiner Hände, den Versuch zu wagen, diesen anzuschneiden.
Eilig bremste Felix dieses Unterfangen, entwand dem Älteren das gefährliche Küchenutensil und schnitt ein kleines und ein etwas größeres ... okay, nach einem entrüsteten Brummen seitens des Mannes neben ihm, ein weitaus größeres Stück vom Schokoladenkuchen ab.
"Hast du den selbst gebacken?" nuschelte er interessiert an der ersten Gabel vorbei, schloss genießend die Augen und seufzte angetan.
Irgendwie kam ihm dieser Geschmack so vertraut vor. Die Matratze erzitterte leicht, als Anton tief lachte.
"Ich habe sie selbst von deinem Lieblingspatissier liefern lassen", gab der freche Mann zu.
Zufrieden kuschelte sich Felix einige Zeit später an seinen liebsten Chaoten, als dieser aufseufzend in die Kissen zurück sackte, seinen Gürtel löste und etwas davon brummelte, langsam dringend etwas Acht geben zu müssen. Leise kichernd bettete Felix seinen Kopf auf den runden Bauch Antons und zeichnete mit den Fingerspitzen Kreise. Er mochte seinen Partner mit den zusätzlichen Kilos genauso, wie er ihn gertenschlank gemocht hatte.
"Nicht wieder einschlafen, Hascherl", mahnte Anton ihn, während er zärtlich durch die wuschliegen Haarsträhnen des Malers fuhr, "ich habe schließlich Programm für heute geplant."
Wie sehr ihn dieser Mann den letzten Nerv raubte. Felix hasste doch Überraschungen! Alarmiert stützte er sich auf einen Ellenbogen, um dem Bildhauer forschend ins ihm frech entgegen zwinkernde Gesicht blicken zu können. Wenn sie noch etwas vorhatten, dann - ja - also - dann sollt er sich sputen. Zähneputzen, etwas Vernünftiges anziehen, Duschen ... nicht zwingend in der Reihenfolge, aber in jedem Falle alle genannten Punkte abhaken. Wie von der Tarantel gestochen hechtete Felix aus den Federn, während Anton sich weiterhin träge in den Laken räkelte und vor sich hin lachte.
Zum Haareraufen, dieser Mann war zum Haareraufen!
Mit zwei verschieden Socken an den Füßen und damit mehr als unzufrieden, war er sich doch sicher, dass das nur ein schlechtes Omen sein konnte, trat er aus dem Bad und in den Flur, hielt Ausschau nach seinem Partner, nur, um diesen dann schnarchend noch immer im Schlafzimmer vorzufinden. Grummelig bewarf er Anton kurzerhand mit einem Kissen, brachte den dunkelhaarigen Sturkopf damit zum Grunzen.
"Och, Jeger", maulte Anton, "was strafst' mich denn, wenns ewig brauchst?"
Felix' mürrischer Blick schien Bände zu sprechen, denn der Bildhauer rollte lediglich entzückend mit den Augen, hievte sich aus dem Bett und richtete sich wieder ansehnlich her.
Zur Feier des Tages - ob dieser es wert war, gefeiert zu werden, würde wohl lange ein Streitthema zwischen ihnen bleiben - hatte Anton sich sogar eine graue Fliege um den Kragen seines schwarzen Hemdes gebunden. Der einzige farbliche Akzent, den er seiner Garderobe zugestand. Sich daran orientierend, hatte Felix sich ebenfalls in eine Stoffhose und ein Hemd geworfen, allerdings auf Turnschuhe und lässig offenen Kragen gesetzt. Er war jung, warum den Spießer in sich suchen, wenn der gern noch etwas eingekerkert bleiben durfte?
Es war eine Wohltat den Helm abzustreifen und sich aus der Lederjacke zu schälen. Auf die engen Hosen hatten die beiden Männer auf der kurzen Strecke und hinsichtlich ihres Vorhabens verzichtet, obwohl es Felix sauer aufgestoßen war, machte er sich doch Gedanken, was da alles passieren konnte. Vor allem, wenn er am Lenker saß, aber gut, Anton wusste schon, was er tat. Sicher ließe er ihn nicht fahren, wenn es nicht eigentlich ganz sicher war. Bis zum Atelier zumindest fühlte Felix sich recht zuversichtlich mit der Höllenmaschine umgehen zu können, hatte er sie auch ohne große Vorkommnisse hierhergebracht. Nervös und bei jedem Auto, das ihnen entgegenkam zusammenzuckend, aber immerhin stotterte der Motor nicht mehr und soff bei jedem Anfahrversuch direkt ab. Für den zweiten Versuch also nicht schlecht, wie der Jungkünstler fand.
"Du bringst mich in den Klamotten zur Arbeit?", fragte Felix skeptisch.
"Nee, wir machen nur kurz einen Stopp, damit ich dir dein Geschenk zeigen kann. Reserviert habe ich für uns im Gipfelstürmer."
Angetan blickte Felix zu Anton hinüber, der entspannt an der Maschine lehnte und einigen Arbeitern dabei zusah, wie sie ein auf alt getrimmtes Ladenschild anbrachten, das von unten von einigen Lampen bestrahlt werden sollte.
Erst, als Anton ihn anstieß und nach oben deutete, wurde dem Maler bewusst, dass es sich um das Atelier des Bildhauers handelte, über dem die Arbeiten stattfanden. Schweigend sahen sie zu, bis die Lichter erleuchteten. Zunächst blendete ihn die Strahlung, doch dann erkannte er, was sie so kunstvoll in Szene setzten und Felix stockte der Atem.
"Das hast du bitte nicht getan", hauchte er überwältigt.
Über dem Atelier prangte dasselbe Symbol, wie auch an der Silberkette um Felix' Hals. Der dreist dreinblickende Fuchs und der auf die Flinte gestützte Jäger, umrahmt, als sei es ein mittelalterliches Wappen. In einer darunter befindlichen Borte stand der Name des Ateliers. Das eben noch vor Rührung zerfließende Geburtstagskind stutzte.
Fuchs & Jäger
Kunst und Handwerk mit Gefühl
"Ich glaub's nicht! Nicht einmal diese Typen von der Firma, die du beauftragt hast, bekommen das hin. Die mussten doch nur von einem Zettel abschreiben! Ein 'e' verflucht einfach nur ein 'e', was haben die Leute mit ihren ewigen Umlauten! Man sollte meinen, sie stehen auf Sonderzeichen", zeterte Felix aufgebracht, hatten diese Menschen doch einfach Antons wunderschönes Geschenk -
"Warum lachst du?", fragte Felix misstrauisch.
Doch Anton zuckte nur weiterhin Schultern bebend mit den Achseln.
"Das geht auf deine Kappe", erlangte der pedantische Kunstmaler die Erkenntnis, brachte den chaotischen Bildhauer zum Prusten, "gib es zu, Toni!"
Unschuldig dreinblickend setzte dieser sich den Helm auf und schwang sich aufs Motorrad, klopfte auffordernd vor sich.
"Also wirklich, das zahle ich dir sowas von heim. Du bist doch echt eine doofe Nuss."
"Nö", erklang es dumpf unter dem Visier, "ich bin ein durchtriebener Fuchs."
Felix stöhnte augenrollend und schwang sich in den Sattel.