Geschockt riss Dylan die Augen auf und drückte sich winselnd an Brianna, die ihm beruhigend über die Wange leckte.
Jaden verwandelte sich ebenfalls zurück. Nackt stand er zwischen seinen Betas und sah zu Dylans Erstaunen sogar recht entspannt aus. „Ich bin Jaden. Ich nehme die Herausforderung an.“ Er schnaubte belustigt. „Aber mein Rudel wirst du nicht bekommen.“
Gregory kniff die Augen zusammen und funkelte Jaden an. „Das werden wir ja noch sehen.“
„Werden wir.“ Jaden wandte sich an Tyler, Robert und Mason, die rechts und links neben ihm standen und die Zähne immer noch gebleckt hatten. „Wenn seine Betas irgendwas versuchen, schaltet sie aus.“
Tyler nickte. Die beiden fremden Betas knurrten, bewegten sich jedoch nicht.
„Auch das wird dir nicht helfen. Aber wenn ich mit dir fertig bin, werde ich deinem kleinen Omega da mal zeigen, wie es ist, von einem richtigen Mann rangenommen zu werden!“ Gregory grinste böse.
Schaudernd drückte sich Dylan an Brianna, die ihm beruhigend über die Schnauze und die Ohren leckte. Auch die anderen Rudelmitglieder drückten sich an ihn, stupsten und leckten ihn.
Jaden spannte sich an und knurrte drohend. „Wenn du glaubst, dass du auch nur einen Finger an meinen Gefährten und mein Rudel legen kannst, bist du dümmer als erwartet.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, verwandelte Jaden sich in seine Wolfsform und ging in Stellung.
Höhnisch lachend verwandelte sich auch Gregory.
Jadens Betas hielten sich weiterhin zwischen den fremden Wölfen und ihrem Rudel. Gregorys Betas gingen zur Seite und setzen sich, um die beiden Alphas zu beobachten, die sich beide mit gebleckten Zähnen und aufgestelltem Fell und Rute anknurrten.
Das Rudel um Dylan drückte sich weiterhin unruhig aneinander. Dylan spürte ihre Angst und Unsicherheit. Als Brianna ihn energisch anstupste, erinnerte er sich aber wieder an seine stärkste Fähigkeit. Trotz des ganzen Chaos um ihn herum konzentrierte er sich, seine innere Mitte wieder zu finden. Es dauerte etwas, aber während Jaden und Gregory sich nun umkreisten, beruhigte Dylan sich und übertrug dieses Gefühl auf seine Rudelmitglieder und auch Jaden.
Durch sein Gefährtenband spürte Dylan, wie Jadens Anspannung und Zorn zu fokussierter Entschlossenheit wurde. Das war eines der Dinge, die den Bund so mächtig machten. Während andere Alphas in blinde Raserei verfallen konnten, konnten Alphas mit einem starken Omegagefährten durch dessen beruhigenden Effekt selbst in den chaotischsten Situationen einen kühlen Kopf behalten. Dies galt auch für ihr Rudel.
Laut grollend gingen die beiden Alphas nun aufeinander los. Dylan bemühte sich, nicht so genau hinzusehen und konzentrierte sich stattdessen darauf, Jaden und sein Rudel zu beruhigen.
Das Knurren, Grollen, Jaulen und Winseln der beiden kämpfenden Alphas nahm ihn dennoch extrem mit. Dylan war klar, dass die beiden Wölfe sich nichts schenkten und mit einer Brutalität aufeinander losgingen, die ihm Angst machte.
Und Jaden, den er bisher nur als sanften, wenn auch bestimmten Alpha erlebt hatte, so zu erleben, war schockierend. Dylan wusste, dass Jaden nur kämpfte, um sein Rudel zu verteidigen. Aber er zögerte keine Sekunde, jede Schwäche seines Gegners hemmungslos und effizient auszunutzen.
Innerhalb kürzester Zeit war das Fell der Alphas von Blut und Speichel nass und dunkel gefärbt. Immer wieder trennten sie sich, umkreisten sich, um dann erneut lautstark aufeinander loszugehen und sich ineinander zu verbeißen. Immer mehr Fellfetzen und Blutspritzer zierten den nun aufgewühlten Waldboden.
Gregorys Arroganz wunderte Dylan mittlerweile nicht mehr. Seine Angriffe waren präzise und zeugten von Training. Jaden hatte es nicht leicht, sich gegen dessen Attacken zu verteidigen. Beide Wölfe atmeten schwer. Blutiger Speichel spritzte durch die Gegend. Wäre Dylan in Menschengestalt gewesen, er hätte sich die Fingernägel abgekaut.
Als Dylan sah, dass Jaden langsam in die Defensive getrieben wurde, bemühte er sich, seinem Gefährten neuen Kampfgeist einzuhauchen. Er sendete all seine Liebe und Hoffnung über ihr Band zu Jaden. Und es schien zu wirken.
Gregory sprang erneut auf Jaden zu. Doch anstelle wie zuvor auszuweichen, stürzte Jaden sich ihm entgegen und bekam das Bein seines Gegners zu fassen. Einem scharfen Knacken folgte ein lauter Schmerzensschrei. Jaden nutzte Gregorys Bewegung und schleuderte ihn zur Seite. Gregory prallte gegen einen Baum und schlug hart auf dem Boden auf. Ohne zu zögern, schoss Jaden auf ihn zu und packte ihn an der Kehle. Gregory winselte, als Jadens Kiefer sich um seinen Hals schlossen und ihm die Luft abdrückten. Dylan hoffte, dass Jaden Gregory nicht umbrachte, und sandte ihm Liebe und Ruhe über ihr Band.
Einer von Gregorys Betas sprang plötzlich auf und versuchte, seinem Alpha zu Hilfe zu kommen. Doch er hatte seine Rechnung ohne Tyler gemacht, der deutlich größer und massiger war als er selbst. Trotz seiner Größe packte Tyler den fremden Beta blitzschnell am Nacken und riss ihn zu Boden, noch bevor dieser drei Schritte weit gekommen war.
Der andere Beta machte sich klein und legte sich auf den Boden, als Robert und Mason ihn fixierten. Ihm schien klar, dass er keine Chance hatte, und versuchte erst gar nicht, sich mit den beiden anzulegen.
Gregory versuchte, sich aus Jadens Griff zu befreien, gab aber nach wenigen Sekunden auf und ließ sich schlaff auf den Boden sinken, um sich zu ergeben. Jaden lockerte seine Kiefer etwas, ließ aber nicht los. Dylan atmete auf.
Der Beta, den Tyler abgefangen hatte, unterwarf sich endlich und kroch dann unter Tylers skeptischem Blick und mit eingezogenem Schwanz zu seinem Kumpel.
Jaden beobachtete ihn aus dem Augenwinkel heraus, bis Tyler ihn mit der Schnauze vorsichtig an der blutigen Flanke anstupste. Langsam und skeptisch ließ Jaden Gregory los und ging schnell einige Schritte rückwärts, bevor er sich schwer atmend hinsetzte. Er blieb jedoch weiterhin angespannt und bereit jederzeit wieder loszuschlagen, sollte Gregory irgendetwas versuchen.
Dylan schauderte, als er die beiden Alphas nun genauer betrachten konnte. Ihr Fell konnte man bestenfalls noch als blutigen Fetzen bezeichnen, eines von Gregorys Ohren fehlte zur Hälfte und über Jadens Flanke zog sich ein langer, blutender Riss.
Winselnd verwandelte Gregory sich zurück, wobei er in Menschengestalt noch gruseliger aussah. Die ersten Wunden hörten bereits auf zu bluten, aber Dylan war sicher, dass es eine ganze Weile dauern würde, bis er wieder fit war.
Die Selbstheilungskräfte der Wölfe waren zwar deutlich verbessert und konnten kleinere Wunden binnen Minuten verschwinden lassen. Aber bei dem exzessiven Schaden, den sich die beiden Alphas zugefügt hatten, würde sie maximal ausreichen, die lebensgefährlichen Verletzungen zu heilen.
Gregory keuchte und hielt sich dann wimmernd den gebrochenen Arm. Er lag mit geschlossenen Augen auf der Seite.
Während Tyler Gregory im Auge behielt, verwandelte sich nun auch Jaden. Er kniete sich hin und schnaubte angewidert. „War das jetzt wirklich nötig?“
„Ich war mir sicher, ich würde gewinnen“, antwortete Gregory mürrisch.
Jaden kniff die Augen zusammen. „Und dafür riskierst du dein Leben? Wie hirnverbrannt bist du?“ Er sah Gregory fassungslos an. „Zumal selbst dir klar sein sollte, dass das ein temporäres College-Rudel ist. Wenn du den Mitgliedern nicht passt, gehen sie einfach.“
„Ja, aber ich hätte immer noch deinen Omega“, sagte Gregory trotzig.
Dylan und Jaden fingen beide an zu knurren. „Auch der muss dich nicht annehmen! Um im Gegensatz zu dem, was manche Hinterwäldler-Alphas glauben, sind Omegas keine willenlosen Sklaven, die man sich einfach klauen und wegsperren kann!“, antwortete Jaden aufgebracht.
Gregory verdrehte die Augen. „Blabla-sülz. Erspar mir das Gesabbel.“
„Du solltest zusehen, dass du so schnell wie möglich wegkommst, ansonsten hält mich nicht mal mehr mein Gefährte davon ab, dir die Kehle durchzubeißen“, sagte Jaden kalt.
Beleidigt schnaubte Dylan. Ein zweites Mal würde er Jaden jedenfalls nicht aufhalten.
„Und bevor du auf komische Gedanken kommst. Das nächste Mal versuche ich garantiert nicht, dich am Leben zu lassen!“ Jaden grollte.
Langsam schien nun auch bei Gregory anzukommen, dass er in Lebensgefahr schwebte. Laut den Regeln einer Herausforderung lag es alleine beim Gewinner, ob er den Verlierer am Leben ließ. Und dies nicht nur während der Herausforderung, sondern auch danach. Ächzend, aber ohne etwas zu sagen, rappelte Gregory sich unter den wachsamen Augen von Jaden und dessen Betas auf und hinkte zu seinen eigenen Betas. Die beiden schlichen mit eingezogenem Schwanz und angelegten Ohren zu ihm. Mit einem hasserfüllten Blick zum Abschied verschwand Gregory mit den beiden im Wald.
Mason, Robert und Tyler positionierten sich so, dass sie das Rudel bewachen konnten, während Jaden erschöpft den Kopf in den Nacken legte.
Eilig wuselte Dylan auf vier Pfoten zu Jaden, um ihm vorsichtig und erleichtert übers Gesicht zu lecken. Dann verwandelte auch Dylan sich zurück und inspizierte Jadens Wunden. „Wir sollten das vernünftig auswaschen und verbinden“, murmelte er, während er mit den Fingern vorsichtig über Jadens zerschundenen Körper fuhr.
„Hmhm. Später“, murmelte Jaden.
„Nicht, dass sich das doch noch entzündet, du bist ein Wandler, aber nicht unsterblich!“, antwortete Dylan besorgt.
„Später!“ Jaden griff nach Dylans Händen und hielt sie fest. Er lächelte müde, als Dylan ihn endlich ansah und legte diesem dann sanft einen Finger unters Kinn. „Kann ich jetzt bitte erst mal einen Kuss haben? Oder zwei?“
Blinzelnd starrte Dylan ihn einige Sekunden an, bevor sein Hirn reagierte. Er beugte sich nach vorne und legte seine Lippen auf Jadens.
Wohlig brummend legte Jaden seine Hand um Dylans Nacken und vertiefte den Kuss.
Dylan vergaß alles um sich herum. Er spürte nur noch Jaden und gab sich ihm ganz hin. Nur ein lautes Räuspern von Tyler hielt ihn davon ab, auf Jadens Schoß zu krabbeln.
„Ich will euch ja nicht stören, aber wir sollten los“, sagte Tyler, dessen Verwandlung Dylan überhaupt nicht mitbekommen hatte. „Ich helfe, Jaden zum Auto zu bekommen, der Rest passt auf.“
Dankbar sah Jaden ihn an. „Gute Idee, verwandeln wird heute nichts mehr. Kannst du uns dann fahren?“
Tyler nickte. „Kein Thema.“
Gemeinsam schafften es Dylan und Tyler, Jaden zum Auto zu helfen. Sie waren zum Glück nicht mehr allzu weit von der Stelle entfernt gewesen, wo sie geparkt hatten. Das Rudel war um sie herum verteilt und hielt aufmerksam Ausschau nach weiterem Ärger. Aber es blieb zum Glück ruhig.
Nachdem alle zurückverwandelt waren, bedankten sich alle bei Jaden und gratulierten zum Sieg. Sie wünschten ihm gute Besserung und nahmen ihm das Versprechen ab, sich zu melden, falls er und Dylan irgendwas brauchen sollten.
Tyler und Dylan halfen Jaden derweil, eine lose Jogginghose und ein T-Shirt überzuziehen, die sie in seiner Trainingstasche gefunden hatten.
Vorsichtig lehnte sich Dylan an Jadens Schulter, als sie endlich beide auf dem Rücksitz des SUVs saßen und Tyler sie nach Hause fuhr. Jaden hatte seinen Kopf an die Lehne gelegt und die Augen geschlossen. Dylan verschränkte ihre Finger und streichelte mit dem Daumen sanft über Jadens Handrücken. Nun war es seine Aufgabe, sich um seinen Alpha zu kümmern.