Dylan zählte bereits die Stunden, bis sie endlich zurück zum Rudel konnten. In zweieinhalb Tagen würden sie da sein. Dieses Mal würden sie fliegen und er war deswegen noch aufgeregter. Wie sich das wohl anfühlen würde? Er konnte es kaum erwarten.
Ihre Taschen standen schon seit drei Tagen gepackt im Schlafzimmer, sodass sie eigentlich nur noch ein paar Kleinigkeiten hineinwerfen mussten und dann loskonnten.
Jaden saß auf dem Sofa und sah Dylan beim Herumlaufen zu. „Dylan?“
Dylan drehte sich um und sah Jaden an. „Was denn?“
„Was machst du da schon wieder?“ Jaden hob die Augenbraue.
„Ich will schauen, dass wir wirklich alle Geschenke eingepackt haben. Nicht, dass wir doch irgendwas vergessen und dann kein Geschenk haben!“ Alleine der Gedanke verursachte ihm Magenschmerzen.
„Komm her, kleiner Wolf“, sagte Jaden und streckte lächelnd seine Hand aus.
Dylan zögerte. „Aber ...“ Er drehte sich Richtung Schlafzimmer.
„Das kannst du gleich noch machen. Komm her.“ Jaden winkte ihn mit dem Zeigefinger zu sich.
Grummelnd drehte sich Dylan wieder um und ging zu Jaden. Er stellte sich zwischen Jadens Beine und sah ihn bittend an.
„Schau nicht so, kleiner Wolf. Küss mich lieber.“ Jaden grinste.
„Aber ich will doch nur ...“ Dylan seufzte.
Jaden legte ihm den Arm um die Hüfte und ließ sich rückwärts aufs Sofa sinken, sodass Dylan auf ihm zu liegen kam. „Später!“
Dylan drückte sein Gesicht an Jadens Brust und brummte.
„Hör auf, dir so einen Stress zu machen. Du hast alles eingepackt. Und selbst wenn nicht wäre es auch egal. Davon würde die Welt auch nicht untergehen.“ Jaden streichelte ihm sanft über den Rücken.
„Aber ich will nicht, dass irgendwer enttäuscht ist“, murmelte Dylan in Jadens T-Shirt.
Lächelnd drehte Jaden sie, sodass er auf Dylan zu liegen kam und ihn küsste. „Solange ich dich dabei habe ist alles andere nicht so wichtig.“
Unsicher sah Dylan ihn an. „Ich will doch nur, dass sich alle freuen.“
„Du bist unser größtes Weihnachtsgeschenk. Alles andere ist nur Bonus. Und das sehe nicht nur ich so, sondern der Rest der Familie auch.“ Jaden küsste ihn sanft. „Versuch, dich zu entspannen.“
„Ich weiß aber nicht wie!“ Dylan seufzte.
Jaden grinste frech. „Hmmm. Ich hätte da eine Idee.“
„Die da wäre?“, fragte Dylan unschuldig. Er hatte zwar eine Ahnung, aber er wollte dennoch wissen, was Jaden im Sinn hatte.
Jadens Grinsen wurde breiter und er küsste Dylan. „Hm. Als Erstes schleppe ich dich ganz Steinzeitwolf in unsere Höhle und dann ins Bad.“ Er küsste Dylans Wange. „Dann schäle ich dich ganz langsam aus deinen Sachen.“
Dylan wimmerte, als Jadens Lippen an seinem Ohrläppchen zupften.
„Dann nehmen wir ein Bad und ich massiere dir die Schultern bis du wegfließt“, flüsterte Jaden und küsste Dylans Hals.
Schaudernd schnappte Dylan nach Luft.
„Und dann ...“, setzte Jaden an, wurde aber unterbrochen.
„Und dann besorgt er Bleiche für seinen besten Freund, damit der die Bilder aus dem Kopf bekommt“, sagte Tyler trocken und ging in die Küche.
Jaden ließ den Kopf hängen, während Dylans Wangen brannten. Wie peinlich!
„Spaßbremse!“, rief Jaden Tyler hinterher.
Tyler kam mit einer Schale Obstsalat und einer Packung Kekse aus der Küche zurück. „Ich möchte nur vermeiden, dass du irgendwem deinen blanken Hintern ins Gesicht hältst, wenn er ins Wohnzimmer kommt.“
„Was hast du gegen meinen knackigen Hintern?“, fragte Jaden und wackelte mit den Augenbrauen.
„Nichts, solange ich ihn nicht sehen muss!“ Tyler schnaubte.
Seufzend stand Jaden auf, zog dann Dylan an sich heran und legte ihn sich über die Schulter. „Pah! Dann geh ich halt in meiner Höhle mit meinem Schatz spielen!“
Dylan quietschte erschrocken. „Jaden!“
Jaden tätschelte ihm den Hintern. „Was denn, kleiner Wolf?“
„Du lässt schon wieder den Steinzeitwolf raushängen“, antwortete Dylan amüsiert und kniff Jaden in den Hintern.
„Natürlich! Und ich verschleppe jetzt meine Beute und werde dann über sie herfallen!“ Jaden lachte und machte sich auf den Weg zum Schlafzimmer.
„Das wollte ich nicht wissen!“, quengelte Tyler.
Ohne zu antworten, ließ Jaden die Tür hinter sich zufallen und stellte Dylan vor dem Bett ab.
Dylans Handy begann zu klingeln und Jaden ächzte. „Ernsthaft?“
„Sorry“, murmelte Dylan und zog den Störenfried aus der Hosentasche. Verwundert sah er auf das Display, das einen Anruf seiner besten Freundin anzeigte. „Was will Bree denn? Ich dachte, sie wäre verabredet?“
Jaden seufzte und ließ sich nach hinten aufs Bett fallen. „Find’s heraus! Nachher ist der Typ creepy und sie braucht deine Hilfe?“
Dylan nickte und nahm den Anruf an. „Bree?“
Er hörte ein Lachen, das auf jeden Fall nicht von Bree kam.
„Ah, Dylan. Hast du mich schon vermisst?“, fragte die Stimme und Dylan lief es eiskalt den Rücken herunter. Er sah panisch zu Jaden.
Jadens Kopf ruckte hoch und er streckte Dylan die Hand entgegen. „Was ist?“, fragte er lautlos.
Dylan nahm die Hand und schüttelte den Kopf. Er stellte auf Lautsprecher um.
„Sei nicht so schüchtern“, kam es nun aus dem Lautsprecher. „Du willst deinem zukünftigen Alpha doch sicher ein gehorsamer Omega sein. Oder muss ich dir erst Manieren beibringen?“
Zitternd ließ Dylan sich auf Jadens Schoß ziehen, der ihn mit seinen starken Armen fest umschloss. Dylan lehnte sich an ihn. „Was willst du?“, fragte er verunsichert. War das Gregory? Und woher hatte er Brees Handy?
Die Stimme lachte gehässig und Dylan schauderte. Jaden legte ihm das Kinn auf die Schulter und drückte seine Wange an Dylans. Er schluckte.
„Was könnte ich wohl wollen?“ Es kam ein Schnauben. „Ich will den mir versprochenen Omega haben!“
Dylan wimmerte. Es war eindeutig Gregory. „Ich weiß nicht, wovon du redest“, flüsterte er.
Gregory schnaubte. „Dann sollte es dir wohl besser schnell einfallen oder deine kleine Freundin hier darf ein wenig mit meinen Betas spielen.“
Im Hintergrund war ein Wimmern zu hören, das ziemlich deutlich nach Brianna klang.
„Nein! Lass Bree in Ruhe!“, flehte Dylan.
Wieder höhnisches Gelächter. „Und warum sollte ich das tun?“, fragte Gregory. „Ohne einen Omega ist uns eben langweilig. Irgendwie müssen wir uns ja die Zeit vertreiben.“
Panisch drehte Dylan sich zu Jaden um. Dabei fiel ihm das Handy aus der Hand. Nur ein schneller Griff Jadens rettete es vor dem Absturz.
Jaden drückte auf Stummschalten. „Wir brauchen die anderen!“, sagte er. Er half Dylan, sich so zu drehen, dass er die Arme um Jadens Hals legen und die Beine um seine Hüften schlingen konnte. Mit dem an ihn geklammerten Dylan stand Jaden auf und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer.
„Du hast doch nicht etwa aufgelegt, oder?“, fragte Gregory nun ungeduldig.
Schnell gab Jaden das Mikro wieder frei.
„Nein, ich bin noch da“, sagte Dylan mit zitternder Stimme.
„Besser ist das. Du willst doch nicht, dass deine kleine Freundin für deine Fehler bestraft wird. Oder doch?“ Gregory schnaubte.
„Nein! Ich bin doch da! Lass Bree in Ruhe!“, rief Dylan.
Im Wohnzimmer sah Tyler sie mit großen Augen an. Er setzte zum Sprechen an, aber Jaden schüttelte eifrig den Kopf. Er setzte sich mit Dylan zurück aufs Sofa und hob den Finger an die Lippen. Dann nickte er in Richtung des Handys in seiner Hand.
„Hm. ... Aber du bist nicht da, wo du sein solltest!“ Gregory knurrte.
„Was?“, fragte Dylan verwirrt.
Gregory schnaubte wütend. „Wie was? Na rate mal, wo du sein solltest, Omega. Da du ja scheinbar nicht zum Denken in der Lage bist, hier mal ein Tipp: Bei mir! Stattdessen lässt du dich von Matthews flachlegen! Du gehörst aber mir!“, geiferte Gregory. „MIR! Nicht diesem Vollidioten!“
Wimmernd drückte Dylan sein Gesicht an Jadens Hals.
Jaden streichelte ihm den Rücken, während er Tyler das Zeichen gab, Ryan und Vince zu holen.
„Aber du wirst schon noch sehen, was du davon hast! Und dann werde ich dir mal zeigen, was ein richtiger Alpha so drauf hat. Nicht so ne weichgespülte Schlappschwanznummer!“ Gregory hatte sich in Rage geredet und hörte gar nicht mehr auf.
Mit hochgezogenen Augenbrauen kamen Ryan und Vince ins Wohnzimmer. Beide waren wohl unter der Dusche gewesen, als Tyler sie geholt hatte. Sie hatten sich nur Handtücher um die Hüften gebunden und das Wasser perlte an ihnen hinunter. Dylan sah nur kurz auf, bevor er sich wieder an Jaden kuschelte.
„Willst du gar nichts sagen?“, fragte Gregory aggressiv.
„Was soll ich denn sagen?“ Dylan schniefte.
„Du könntest dich für dein unverschämtes Benehmen entschuldigen!“, fauchte Gregory. „Mir als Alpha die Mühe zu machen hinter dir herzurennen! Du hältst dich wohl für was Besseres!“ Gregory schien durchzuatmen. „Aber ich bin mir sicher, ich hab das beste Mittel, um dich gefügig zu machen“, sagte er gehässig.
Dylan wurde kalt.
Leises Gewimmer kam durch das Handy.
„Na Dylan, sag Hallo zu deiner kleinen Freundin!“, säuselte Gregory.
Bree jaulte auf. „Hör nicht auf ihn!“, rief Brianna. Es folgte ein Klatschen und sie wimmerte erneut.
„Ich glaube schon, dass du auf mich hören solltest. Wenn du deinen Arsch nicht in zwei Stunden hierher bewegt hast, wird deine Freundin es bitter bereuen!“ Gregorys Stimme war eiskalt geworden.
Dylan schluckte hörbar. „Wohin?“, fragte er leise.
Gregory lachte und gab ihm eine Adresse. „Du solltest dich schnell auf den Weg machen. Aber an deiner Stelle würde ich alleine kommen. Ansonsten werden deine Freunde den Tag nicht überleben. Und du kannst ihnen dann beim Sterben zuschauen.“
Die Verbindung brach ab.
Schluchzend drückte Dylan sich an Jadens Hals. „Es tut mir leid!“, murmelte er immer wieder.
Jaden drückte ihn fest an sich. „Es ist nicht deine Schuld, kleiner Wolf!“
„Aber wenn ich einfach mitgegangen wäre, wäre Bree nicht in Gefahr!“, rief Dylan verzweifelt.
„Nope! Dann wäre ich genauso schuld, weil ich ihm beim letzten Mal nicht die Kehle durchgebissen habe!“ Jaden knurrte.
„Der Einzige der Schuld ist, ist Gregory!“, sagte Tyler bestimmt.
„Oh ja. Und er und seine Helferchen werden bitterböse dafür büßen“, fügte Ryan mit kalter Stimme dazu. Irgendwie hatten er und Vincent sich umgezogen, während Dylan mit Gregory gesprochen hatte.
„Dann sollten wir planen und uns schnell auf den Weg machen. Wenn ich es richtig im Kopf habe, fahren wir mindestens eine Stunde.“ Jaden streichelte Dylan sanft über den Rücken.
Ryan nickte und sah dann zu Tyler und Vincent. „Gut, dass wir zu Hause noch das Auto vollgeladen haben.“
Vincent nickte grimmig.
„Ich habs gefunden“, sagte Tyler und legte das Tablet, das er in der Hand gehalten hatte, auf den Tisch. Darauf war eine Straßenkarte mit einem roten Punkt zu sehen. „Und ja, wir werden mindestens eine Stunde dorthin brauchen.“
Jaden legte seine Hände an Dylans Wange und drückte seinen Kopf sanft nach oben. „Es ist nicht deine Schuld und wir werden Bree zurückholen, okay?“
Schniefend senkte Dylan den Blick. „Ich kann euch helfen“, murmelte er.
„Du wirst dich nicht mit ihm treffen!“ Jaden sah ihn durchdringend an.
„Aber Bree ist wegen mir da! Ich kann doch nicht einfach nur da sitzen und nichts tun!“ Dylan sah Jaden bittend an.
„Ich werde trotzdem nicht zulassen, dass du dich deswegen in Gefahr begibst! Wir schaffen das auch so!“, sagte Jaden panisch.
Dylan schüttelte verzweifelt den Kopf. „Ich kann ihn ablenken! Wenn er sich auf mich konzentriert habt ihr eine viel bessere Chance!“
„Bitte, kleiner Wolf. Tu mir das nicht an!“, flehte Jaden.
„Aber ich will doch helfen!“, flüsterte Dylan und ließ den Kopf hängen.
Jaden zog ihn an sich heran und küsste ihn. „Am meisten hilfst du mir, wenn du mich und die anderen ruhig hältst. Wenn wir die Nerven verlieren, wird es gefährlich. Du bist der Einzige, der uns helfen kann, einen kühlen Kopf zu bewahren.“
Dylan fühlte sich nutzlos und sackte in sich zusammen.
Ryan setzte sich neben ihn und Jaden aufs Sofa und sah ihn ernst an. „Jaden hat recht. Du bist unser größter Joker. Viele andere Rudel verkennen die Stärke der Omegas, die hitzköpfigen Alphas und Betas konzentriert zu halten.“
Unsicher sah Dylan Ryan an.
„Ich verspreche dir, ich sage das nicht, um dich wegzuhalten. Sondern weil ich darauf zähle, dass du uns den Rücken freihältst. Wenn du zockst und in der Gruppe gegen einen Boss kämpfst, bist du auch auf einen Heiler angewiesen. Andernfalls sterben alle.“ Ryan lächelte ihn an. „Jaden ist der Tank, wir sind die DDs und du bist unser Heiler.“
Dylan blinzelte einige Male, bis Ryans Worte in sein Gehirn durchdrangen. „Du zockst?“, fragte er perplex.
Ryans Wangen wurden rosa. „Hin und wieder?“ Er räusperte sich. „Aber das ist jetzt nicht das Thema. Verstehst du, was ich meine?“
„Sorry“, murmelte Dylan. „Und ja, wenn du das so erklärst, macht das Sinn.“ Dylan seufzte. „Es gefällt mir trotzdem nicht.“
Jaden drückte ihn an sich. „Ich weiß. Und wenn es nach mir ginge, würde ich dich am liebsten hier in Sicherheit lassen. Aber Ryan hat recht. Du bist unser größter Joker.“
„Okay“, antwortete Dylan und sah Jaden an. „Können wir dann los? Bree wartet auf uns!“
Ryan zog Dylan, der noch auf Jadens Schoß saß, in eine kräftige Umarmung. „Ich bin stolz auf dich! Und jetzt holen wir Bree nach Hause. Gemeinsam!“
Dylan nickte eifrig.