Cliff und Fred waren am Vortag in Berlin angekommen. Zum ersten Mal konnten sie dort den Trubel der Loveparade beschnuppern. Alleine die Menge der Feiernden, die sich dort aufhielt, war beeindruckend. Sie konnten sogar ein schwules Pärchen beobachten, das sich hinter einem Busch neben der Straße vergnügte. Allerdings hatte sie das so angemacht, dass sie sich schnell ins Hotel begeben mussten, um sich zusammen auszutoben. Für heute nahmen sie sich jedoch vor, nicht nur kurz mit dabei zu sein, sondern sich von der Masse mitreißen zu lassen.
„Ich bin noch müde“, murrte Cliff nach der fast durchwachten Nacht. Er schaute hinüber zu Fred, der auch noch in den Federn lag und ihn mit verschlafenen Augen anblickte.
„Ich würde auch am liebsten liegen bleiben, irgendwie bin ich wie gerädert“, murmelte Fred. „Aber wir wollen ja was erleben und nicht die paar Tage hier im Hotelbett rumlungern. Berlin hat bestimmt viel zu bieten.“
Gähnend streckte sich Cliff nochmals lang aus und dehnte seine Glieder. „Du hast recht“, sagte er.
„Nun aber raus aus der Koje, schnell Frühstück und dann los in die Menge.“ Er stupste Fred in die Seiten und wollte ihn aus dem Bett treiben.
Lächelnd wurde er von seinem Freund angesehen. „So gefällst du mir“, freute sich dieser. „Nicht so griesgrämig wie in der letzten Zeit. Aber ich verstehe dich. Nach deinem Outing war es nicht leicht für dich, vor allem das mit deinem Vater. Du lässt dich hoffentlich nicht länger hängen, so schwer das auch sein mag.“
„Ach, meinen Vater, vergiss ihn. Er ist ein Sturkopf. Mir tut nur meine Mutter leid, die mit diesem Ekel zusammen sein muss“, erwiderte Cliff. Er schaute auf die Uhr und sah, es war schon fast Mittag.
„Hey“, trieb er jetzt an. „Nun aber raus, es wird Zeit, sonst verpassen wir noch den großen Umzug.“
Die beiden sprangen aus dem Bett und machten sich ausgehfein. Fred hatte enge, schwarze Lederhosen mitgebracht, die er heute tragen wollte, dazu ein weißes Hemd. Cliff bevorzugte Jeans, die so aussahen, als hätte er damit einen Unfall gehabt. Besonders am Hintern blitzte blanke Haut heraus. Das sei jetzt so modern, meinte er auf Freds fragende Blicke hin. Ein Muskelshirt zeigte seine kräftigen, durchtrainierten Oberarme.
„Du siehst zum Anbeißen aus“, flüsterte ihm Fred ins Ohr. „Da könnte ich gleich schon wieder schwach werden.“
„Nix da“, wehrte Cliff ab. „Erst geht es raus feiern und dann …“
Nach einem kleinen Imbiss im Hotelrestaurant stürzten sich unsere beiden Helden in den Trubel Berlins. Wieder waren, wie schon am Vortag, die Straßen voller Menschen, vorwiegend Schwule und Lesben, aber auch Transvestiten, sowie Heteropaare hatten sich dazu gesellt. Je näher sie der Siegessäule kamen, desto mehr Feiernde wurden es.
Die Masse der Menschen drängte sich an den Straßenrändern entlang. Der große Festumzug würde bald beginnen, jeder wollte ganz vorne stehen, nur um ja nichts zu verpassen. Auch Fred und Cliff drängten sich nach vorne, immer wieder jemanden anstoßend. Es war fast nicht möglich, normal zu gehen. Aber sie schafften es, direkt am Straßenrand einen Platz zu ergattern.
Aus der Ferne war Musik zu hören, die nach und nach immer lauter wurde.
„Da“, rief Fred seinem Freund zu, „die ersten Wagen kommen.“ Sich normal zu unterhalten, war ein Ding der Unmöglichkeit, so laut war es in der Menge, Musik übertönte sie noch.
Cliff schaute in die Richtung, in die Fred zeigte und siehe da, wirklich. Auf dem ersten großen Wagen tanzten Transvestiten in farbenprächtigen Kleidern zu heißen Rhythmen. Ab und an waren auch obszöne Bewegungen dabei, die den Geschlechtsakt imitierten. Den Menschen auf den Wagen war es anzusehen, wie viel Spaß sie dabei hatten, sich so zu zeigen.
Auch für Fred und Cliff war es einmalig. In den USA, wo sie ja herkamen, war es nicht möglich, sich so zu zeigen und auch noch öffentlich solche Andeutungen zu machen. Da schien Deutschland viel freizügiger, vor allem Berlin während dieser Veranstaltung.
Immer mehr Wagen kamen an. Die Masse tobte. Es kam ihnen vor wie beim Karneval in Rio. Auf dem nächsten Wagen waren fast nackte Schwule zu sehen. Die meisten waren nur mit engen Shorts bekleidet.
„Hey, schau da mal“, rief Cliff auf einmal. Er kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Das, was er nun sah, war mehr als er je erwartet hatte. „Das sind doch die beiden, die wir gestern beobachtet haben.“ Die beiden Männer taten das, was sie schon am Vortag im Wald taten, diesmal allerdings in der Öffentlichkeit und jeder konnte es sehen. Dass dies nicht angedeutet war, konnte man an dem verzückten Gesicht des einen erkennen. Wieder hockte einer vor ihm und blies ihm den Schwanz.
Fred schaute nun genauer hin. „Ja, das sind sie. Da oben. Was machen die denn? Unglaublich!“
Auch die Menge tobte, als sie das sah. Es wurde geklatscht und gejohlt, dass man sich fast die Ohren zuhalten musste. Die Show der beiden war der Renner des Tages.
Das Theater auf den anderen Wagen ging weiter. Da zeigten sich verliebt wirkende Pärchen in eindeutigen Posen – die Liebe war das Motto. Egal ob Liebe zwischen Mann und Frau oder Liebe zwischen schwulen Pärchen. Alles wurde gezeigt.
Cliff und Fred waren begeistert. Sie drängten mit der Masse weiter in Richtung Siegessäule. Niemand konnte einfach stehen bleiben, man musste mitlaufen, ob man wollte oder nicht.
Plötzlich spürte Cliff, wie sich von hinten jemand an ihn herandrückte. Erst dachte er, es wäre sein Freund Fred. Allerdings lief der wenige Schritte vor ihm. Als sich Cliff umdrehte, bemerkte er, es war ein anderer junger Mann, der sich an ihm rieb. Etwas verwirrt schaute er ihn an, dann sah er sich nach Fred um. Er hielt ihm am Arm fest, um ihn aufzuhalten.
„Du, da will jemand was“, flüsterte Cliff Fred ins Ohr.
Fred drehte sich zu ihm um und sah über Cliffs Schulter.
Der junge Mann grinste leicht verlegen.
Ohne über die Folgen nachzudenken, sagte Fred zu ihm: „Willst du mit uns feiern?“, worauf er mit leuchtenden Augen angesehen wurde.
„Ja, gerne“, antwortete der Fremde, sie beide freundlich anblickend.