«Schaut mal!» Voller Freude führte Shari die Mäuse, die als erste zum heutigen Erzählabend eingetroffen waren, zur Mauer des untersten Stockwerkes, welche noch bis gestern ihr Zuhause gewesen war. Sanft fuhr sie mit der Hand über das Gemäuer, in welchem die unzähligen Löcher und Risse bereits begonnen hatten, sich zu schliessen. Erstaunt standen die Mäuse da, die Näschen hoch in die Luft gestreckt. Ihre Schnauzhaare zitterten leicht.
«Wie gut, seid ihr so schnell ausgezogen! Vielen Dank noch einmal an euch alle!»
Shari strahlte über das ganze Gesicht.
«Erzählen wir heute wieder Geschichten?» Die jüngste Maus kuschelte sich an Shari.
«Oh ja! Bald werden auch die andern Gäste eintreffen. Ich bereite schon mal alles vor.»
Bald schon brannte ein fröhliches Feuer und nach und nach trudelten, wie am Vorabend, Feen, Elfen, Zwerge, Wölfe, Vögel, Kobolde und viele andere Wesen ein, welche auf Belletristica heimisch waren. Da es sich auf der Insel bereits herumgesprochen hatte, dass wieder ein Geschichtenabend stattfinden würde, gesellten sich auch einige von Sharis Freunden dazu. Lu und Marv setzten sich in den Kreis ums Feuer, Xandra nahm Platz und auch Elle meinte sie im Dunkeln zu erkennen. Shari wollte die Anwesenden gerade begrüssen, als sie ein lautes Geschrei vernahm. Sie schmunzelte – diesen jungen Mann kannte sie doch! Und wirklich: Auch die beiden Vampire Phobos und Riley gesellten sich zur Runde mit ihrem Sohn Ari. Der Kleine krabbelte begeistert herum und betrachtete neugierig all die verschiedenen Gäste, die sich versammelt hatten.
Auf einmal ertönte das Geräusch von herannahendem Wasser. Shari erschrak. Das Meer war doch weit entfernt und doch klang es so, als nähere sich eine grosse Welle.
Alle wandten ihre Köpfe in Richtung des Geräusches. Es war tatsächlich eine Welle, die sich auf den Kreis ums Feuer zubewegte. Einige Zuhörer sprangen verängstigt auf. Doch genau hinter den zuhinterst am Boden sitzenden und liegenden Gästen kam sie zum Stehen, wie wenn jemand sie gebremst hätte. Sie öffnete sich langsam wie von Zauberhand und eine wunderschöne Meerjungfrau entstieg ihr. Elle kam gelaufen und schloss diese in die Arme.
«Das ist meine Feundin Marielle.» Elles Augen leuchteten vor Freude.
«Fühl dich willkommen, Marielle! Magst du uns heute als erste eine Geschichte erzählen? Ich weiss ja nicht, wie lange du ausserhalb des Wassers bleiben kannst.»
Shari holte einen bequemen Stein für die Meerjungfrau, welchen diese dankbar als Sitzgelegenheit annahm. Die Zuhörer entspannten sich und setzten sich wieder. Dann begann Marielle ein wunderschönes Märchen von einer Freundschaft zwischen einer Menschenfrau und einer Meerjungfrau zu erzählen.
Dann stand Marv auf. Sein Märchen handelte von einer Freundschaft zwischen einem Wolf und einem Menschenwesen.
Nach diesem Märchen verabschiedete sich Marielle von den Anwesenden, bestieg wieder ihre Welle und rauschte davon.
Viele Wesen wollten heute Geschichten und Märchen über die Freundschaft erzählen.
Allen wurde immer wärmer ums Herz. Sie spürten, wie wichtig Freunde sind. Denn diese sind es, welche uns im Leben Halt geben und begleiten.
Bevor sie sich trennten, um schlafen zu gehen, bat Shari noch um einen Moment der Aufmerksamkeit.
«Ich möchte morgen im Gebirge eine ganz seltene Blume suchen gehen, welche ich für meinen Freund hier brauche». Sie klopfte sachte an den Pfosten des Wachturms, an welchem sie lehnte. «Ich bräuchte jemanden, der mich dorthin bringt, denn zu Fuss ist es zu weit. Ist da jemand bereit dazu?»
Der Drache Miro hob schüchtern eine Pfote. «Ich kann fliegen. Wenn es dir auf meinem Rücken nicht zu schuppig ist, trage ich dich gerne in die Berge».
«Fein, danke, Miro! Treffen wir uns also morgen früh bei Sonnenaufgang hier?»
Dann wandte sich Shari an die Leserinnen und Leser:
«Wäre jemand bereit, während meiner Abwesenheit bei meinem Wachturm zu bleiben? Bei Interesse bitte in den Kommentaren melden.»
Dann löschte sie das Feuer.