Noch vor Sonnenaufgang stand Shari auf. Sie holte den Topf mit der Kräuterpaste, in welchem noch ein grosser Rest vorhanden war. Diesem mischte sie fein geraspelte Standfestigkeits-Wurzeln bei. Ganz in der Nähe fand sie einige Zuversichts-Blümchen, die fein dufteten. Auch diese fügte sie dem Brei zu, bevor sie ihn leise murmelnd verrührte. Dann ging sie zum Wachturm und weckte ihn leise.
«Ich werde heute weg sein. Bald kommt mich der Drache Miro abholen. Bevor ich aber gehe, streiche ich dir noch einmal Paste an deine Beine.»
Leise summend ging Shari ans Werk. Auch diesmal spürte sie, wie ein tiefes Aufatmen durch den Wachturm ging.
Es entging ihr aber nicht, dass er etwas bedrückt wirkte.
«Ist es wegen meines heutigen Ausflugs in die Berge, dass du traurig bist?» fragte sie, während sie ihm über seine Pfosten strich.
Lange blieb es still. Dann räusperte sich der Wachturm und flüsterte:«Ja, es macht mich traurig. Und ich habe ein wenig Angst. Was, wenn ausgerechnet heute die Winterdämomen angreifen hier?»
Shari blieb eine Weile lang still. Sie war sehr berührt, dass der Wachturm nun sprach, auch wenn es traurig klang. Zugegebenermassen war auch sie etwas unruhig. Dem Wachturm traute sie eigentlich schon sehr viel Widerstandskraft zu, aber ob er so ganz alleine standhalten könnte, wusste sie nicht. Umso dringender war es, dass sie diese Blume holte in den Bergen.
«Lieber Freund! Ich vertraue dir und deiner Kraft!» Sie lächelte ihn aufmunternd an. «Lu hat mir geschrieben, sie sei irgendwo in der Gegend am Auskundschaften. Wenn wirklich Not an Mann ist, wird sie kommen. Viel wichtiger ist aber, dass du eines weisst: Im Herzen sind wir verbunden. Ich werde spüren, wenn du Hilfe brauchst und mich so schnell wie möglich auf den Heimweg machen. Im weiteren habe ich mit den Mäusen gesprochen. Sie werden in der Nähe sein und ein wachsames Auge auf dich haben. Ebenso die Vögel, die immer noch unter deinem Dach hausen. Falls die Winterdämonen wirklich angreifen sollten, schicke bitte die Eule los. Sie wird diesen Auftrag gerne übernehmen.»
In diesem Moment landete der Drache Miro auf der Lichtung vor dem Wachturm. Shari begrüsste ihn freundlich, setzte sich dann auf seinen Rücken und machte es sich bequem. Bevor sie aber die Reise antrat, liess sie sich in Gesichtshöhe des Wachturms tragen.
Lange schaute ihm in die Augen, lächelte. «Vertraue, Freund Wachturm! Du bist stärker, als du denkst!»
Dann bat sie Miro, loszufliegen.